Die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt – Anmerkungen zu Matthäus 5, 17 – 20

HlDreiKönige-Kirche

Giebel am Turm der Dreikönigskirche in Dresden-Neustadt mit Inschrift: „Das Gesetz ist durch Mose gegeben, die Gnade und Wahrheit ist durch Jesum Christum worden.“ * Foto: By SchiDD (Own work) [CC BY-SA 3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)%5D, via Wikimedia Commons

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Der Wortverkündigung am Sonntag dieser Woche soll ein Vers aus dem 5. Kapitel des Matthäusevangeliums (zum Hintergrund des Matthäusevangeliums: Klick!) zu Grunde liegen:

Denkt nicht, dass ich gekommen sei, das Gesetz oder die Propheten aufzulösen; ich bin nicht gekommen, aufzulösen, sondern zu erfüllen. Denn wahrlich, ich sage euch: Bis der Himmel und die Erde vergehen, soll auch nicht ein Jota oder ein Strichlein von dem Gesetz vergehen, bis alles geschehen ist. Wer irgend nun eins dieser geringsten Gebote auflöst und die Menschen so lehrt, wird der Geringste heißen im Reich der Himmel; wer irgend aber sie tut und lehrt, dieser wird groß heißen im Reich der Himmel. Denn ich sage euch: Wenn eure Gerechtigkeit die der Schriftgelehrten und Pharisäer nicht bei weitem übersteigt, werdet ihr nicht in das Reich der Himmel eingehen.“

(Matthäus 5, 17 – 20 ELBEDHÜ; z. Vgl. LUTH’84)


Anmerkungen zu Matthäus 5, 17 – 20

* “Denkt nicht, dass ich gekommen sei, das Gesetz oder die Propheten aufzulösen; ich bin nicht gekommen, aufzulösen, sondern zu erfüllen.“Matthäus 5, 17 – Wenn wir uns den Kontext ansehen, in den Matthäus 5, 17 – 20 eingebettet ist, so stellen wir fest, dass der Herr in Matthäus 5, 1 – 12 über die uns sehr bekannten Seligpreisungen sprach. Im Anschluss daran erläuterte Er die Aufgabe der Gläubigen, Licht und Salz in dieser Welt zu sein. Es folgt der heute von uns zu betrachtende Text. Danach spricht der Herr fünf Themen an (das Töten, das Ehebrechen, das Schwören, das Vergelten und die Feindesliebe), die im alttestamentarischen Gesetz geregelt wurden, nun aber von Ihm neu interpretiert werden. In diesem Zusammenhang war es nur natürlich, dass der Herr Jesus Christus zu seinen Jüngern auch über Seine Stellung zum alttestamentarischen Gesetz sprach.
Ganz offensichtlich waren einige Seiner Zuhörer der Meinung, dass Er das alttestamentarische Gesetz verworfen habe. Doch das war keineswegs der Fall. Wie wir aus Matthäus 5, 17 erfahren, war es nicht die Absicht des Herrn das Gesetz zu verwerfen, sondern es zu erfüllen. Was der Herr jedoch verwarf, war die falsche Auslegung des Gesetzes durch die Pharisäer und Schriftgelehrten (dies wird besonders in den Versen 21 – 48 deutlich). Während die Pharisäer und Schriftgelehrten großen Wert auf die äußerliche Einhaltung der Gebote legten, fordert der Herr Jesus Christus eine Übereinstimmung des Herzens mit dem Gesetz – und damit mit dem Willen Gottes.
Wenn der Herr in Matthäus 5, 17 den Ausdruck “das Gesetz und/oder die Propheten“ benutzt, dann nimmt Er dadurch auf die drei großen Abschnitte des Alten Testaments Bezug: das Gesetz, die Psalmen und die Propheten (vgl. Lukas 24, 44). Der Ausdruck “das Gesetz und die Propheten“ wurde von den Juden jener Zeit synonym für das gesamte Alte Testament gebraucht (vgl. Matthäus 11, 13; Matthäus 22, 40; Lukas 16, 16; Johannes 1, 45; Apostelgeschichte 13, 15; Apostelgeschichte 28, 23; Römer 3, 21).
Hier in Matthäus 5, 17 beginnt der Herr Jesus Christus Seine Ausführungen zu diesem Thema mit diesem Ausdruck und in Matthäus 7, 12 beendet Er sie auch mit diesem Ausdruck.
Was meinte der Herr Jesus Christus als Er davon sprach, dass Er das Gesetz “erfüllen“ würde?  Nun, natürlich erfüllte der Herr durch Sein Kommen auf diese Erde, Seine Menschwerdung, Seinen Dienst, Sein stellvertretendes Sühnopfer, Seine Auferstehung und Himmelfahrt alle im Alten Testament gegebenen Verheißungen auf den Messias.  Doch das ist in diesem Zusammenhang nicht das vorherrschende Thema. Denn der Herr geht ja auf den (hier unausgesprochenen) Vorwurf ein, Er würde das alttestamentarische Gesetz “auflösen“. Wenn der Herr nun davon spricht, dass Er das Gesetz erfüllen würde, so meint Er damit, dass  Seine Lehre das Gesetz erfüllen, d.h. zur Vollkommenheit bringen sollte. Das griechische Wort “πληρόω“ (“pleroo“) kann in unterschiedlichster Weise gebraucht werden, z.B. “(ein Netz) füllen“, “(ein Amt) ausfüllen“, “etwas bis zum Rand füllen“ oder eben auch “etwas zur Vollkommenheit bringen“.
Der Herr  hatte bereits in anderen Zusammenhängen angekündigt, dass das mosaische Gesetz nicht auf Dauer in Kraft bleiben würde (vgl. Markus 7, 19: “womit Er alle Speisen als rein erklärte“). Doch darum ging es hier nicht. In Matthäus 5, 17 bestätigt der Herr zuerst die Autorität des Alten Testament als  Wort Gottes und macht dann deutlich, dass Seine Lehre in keinerlei Gegensatz dazu stand. Es war vielmehr die Lehre der Pharisäer und Schriftgelehrten, die aus dem Gesetz Gottes einen menschlichen Verhaltenskodex gemacht hatte. Wenn wir Matthäus 5, 21 – 48 genau betrachten, dann stellen wir nämlich fest, dass der Herr nicht die Gebote Gottes, wie sie uns das Alte Testament überliefert, verwirft, sondern die mündlich überlieferte Auslegungstradition der Pharisäer und Schriftgelehrten. Immer wieder kam es während des irdischen Dienstes des Herrn darum zu Konflikten mit den Pharisäern und Schriftgelehrten: Er beachtete weder die von ihnen eingeführten, wöchentlichen Fastentage (Markus 2, 18; Lukas 5, 33), noch unterwarf Er sich ihren Vorstellungen von “rein“ und “unrein“  (Markus 2, 16; Lukas 5, 30).
Weder die buchstabengetreue, rein äußerliche Erfüllung des Gesetzes durch den Menschen, noch eine durch alle möglichen menschlichen Zusätze erschwerte Einhaltung des Gesetzes, sah der Herr also als richtig an.
Vielmehr ging es Ihm darum, dass das Gesetz Gottes auf eine Weise erfüllt würde, die dem Willen und Geist Gottes entsprach und dies konnte nur aufgrund der Liebe zu Gott geschehen. Dies wird auch insbesondere daran deutlich, dass Er von Seinen Jüngern genau dies als Voraussetzung zum Halten Seiner Gebote forderte (vgl. Johannes 14, 15 + 21; Johannes 15, 10). Wir halten Seine Gebote nicht, um Ihm zu beweisen, dass wir Ihn lieben. Wir lieben Ihn und darum halten wir Seine Gebote.

* “Denn wahrlich, ich sage euch: Bis der Himmel und die Erde vergehen, soll auch nicht ein Jota oder ein Strichlein von dem Gesetz vergehen, bis alles geschehen ist.“Matthäus 5, 18 – den Ausdruck “Wahrlich, ich sage euch …“ finden wir immer dann, wenn der Herr Jesus Christus eine besonders wichtige Aussage trifft.¹
“Bis Himmel und Erde vergehen“ ist eine sehr eindrückliche Umschreibung des gesamten Zeitraums, der bis zum Ende der Welt andauern wird. “Jota“ nimmt Bezug auf das “Jod“, den kleinsten hebräischen Buchstaben: י – Unter dem “Strichlein“ wird von vielen Kommentatoren ein Zusatz auf einem hebräischen Buchstaben verstanden, der diesem seine besondere Bedeutung gab, was z.B. den Akzenten in der französischen Sprache entsprechen würde.
Zusammenfassend können wir festhalten, dass der Herr Jesus Christus die göttliche Autorität des gesamten Alten Testaments bestätigte. Damit stellt dieser Vers auch einen wichtigen Beleg für die Verbalinspiration der Heiligen Schrift dar. Diese bezieht sich nicht nur auf den Inhalt, sondern auf jeden Buchstaben und sogar auf jedes Buchstabenzeichen im Originaltext. Damit haben wir in Matthäus 5, 17 – 20 aber auch eine klare Aussage zur Inspiration der ganzen Heiligen Schrift, d.h. des Alten wie des Neuen Testaments, vor uns.
Wenn der Herr hier in Vers 18 von “dem Gesetz“ spricht, dann ist damit – das wird aus dem Kontext deutlich -, wie in Vers 17, das gesamte Alte Testament gemeint, nicht nur das Mosaische Gesetz oder die fünf Bücher Mose.
Gott wird also Sein Wort, einschließlich des Gesetzes, solange bewahren, bis sich alles erfüllt hat, was Er darin verheißen hat (vgl. Matthäus 24, 35).

* “Wer irgend nun eins dieser geringsten Gebote auflöst und die Menschen so lehrt, wird der Geringste heißen im Reich der Himmel; wer irgend aber sie tut und lehrt, dieser wird groß heißen im Reich der Himmel.“Matthäus 5, 19 – Die Pharisäer und Schriftgelehrten hatten die alttestamentarischen Gesetze in zwei Kategorien eingeteilt: solche Gebote, die sie als wichtiger und solche Gebote, die sie als weniger wichtig betrachteten (die “geringeren Gebote“ und die “größeren Gebote“). Dies wird auch deutlich in der Frage eines Gesetzesgelehrten nach dem “größten Gebot“ (vgl. Matthäus 22, 36).
Genau diese Einteilung wird nun hier durch den Sohn Gottes korrigiert. Er sagt klar und deutlich, dass alle Gebote Gottes dieselbe Autorität besitzen und entsprechend maßgeblich sind. In diesem Zusammenhang warnte Er Seine Zuhörer, den Lehren (und den sich daraus ergebenden Praktiken!) der Pharisäer und Sadduzäer zu folgen. Größe im Königreich Gottes, so der Herr Jesus Christus, hängt davon ab, dass ein Mensch dem Wort Gottes, der Heiligen Schrift, den höchsten Respekt zollt und ihre Lehren in seinem Leben entsprechend umsetzt.
Ganz offensichtlich wird es im Reich Gottes Unterschiede dem Stand nach  geben. Einige werden höhere Autorität haben als andere (vgl. dazu auch Matthäus 20, 20 – 28; Matthäus 25, 14 – 30; Lukas 12, 47 – 48; 1. Korinther 3, 10 – 15). Diese unterschiedlichen Stände im Reich Gottes werden dem Stand entsprechen, den jeder dieser Menschen auf dieser Erde zum Wort Gottes eingenommen hat. Alle werden in das Reich Gottes eingehen, denn Erlösung hängt nicht von Werken ab (Epheser 2, 8 – 9). Ihr Lohn und damit ihr Stand im Reich Gottes, wird jedoch unterschiedlich sein, da der Lohn, der vor dem Richterstuhl Christi ausgeteilt wird (vgl. 1. Korinther 3, 10 – 15; Römer 14, 10; 2. Korinther 5, 10) nach den Werken des Gläubigen bemessen wird. Unsere Einstellung zum Wort Gottes und unser Gehorsam dem Wort Gottes gegenüber werden auch in dieser Hinsicht entscheidend sein.

* “Denn ich sage euch: Wenn eure Gerechtigkeit die der Schriftgelehrten und Pharisäer nicht bei weitem übersteigt, werdet ihr nicht in das Reich der Himmel eingehen.“Matthäus 5, 20 – Erneut beansprucht der Herr besondere Autorität für das, was Er sagt, wenn Er seine Worte so einleitet: “Denn ich sage zu euch ….“
Die relativierende, das Gesetz Gottes in “größere“ und “kleinere“ Gebote unterscheidende Sicht der Pharisäer und Schriftgelehrten führte dazu, dass sie nur noch bestimmten Geboten gehorchten und ihre Glaubensgerechtigkeit dementsprechend oberflächlich war (vgl. Matthäus 15, 5 – 6). Auf diese Weise hatten die Pharisäer und Schriftgelehrten einige der Gebote Gottes sogar ungültig (!) gemacht! Ihre Glaubensgerechtigkeit war nur noch äußerlicher Natur. Äußerlich zeigten sie sich vor den Menschen als solche, die dem Willen Gottes entsprachen. Doch diese äußerliche Form, so erklärt es der Sohn Gottes  hier, wird nicht ausreichen, um in das Reich Gottes einzugehen.
Das Reich Gottes wird hier als Reich der Himmel bezeichnet, weil es  zu diesem Zeitpunkt noch in seiner verborgenen Form besteht (vgl. dazu “Unterscheidung: das Reich Gottes und die Versammlung (= Gemeinde/Kirche)“: Klick!).
Der Ausdruck “in das Reich Gottes (bzw. der Himmel) eingehen“ findet sich an vielen Stellen des Neuen Testaments (vgl. Matthäus 7, 21; Matthäus 18, 3; Matthäus 19, 23 – 24; Markus 9, 47; Johannes 3, 5; Apostelgeschichte 14, 22). Jede dieser Stellen lehrt, dass einem Mensch nur aufgrund des Glaubens und nicht aufgrund irgendwelcher Werke Eingang in das Reich Gottes bzw. der Himmel gewährt wird. Selektiver Gehorsam entspricht aber nicht dem Glauben an Gott, den der Sohn Gottes (und auch Johannes der Täufer vor Ihm) forderten, als sie die Menschen zur Buße aufriefen (vgl. Matthäus 3, 2; Matthäus 4, 17; Markus 1, 15 u.a.)
Das große Thema unseres Abschnitts (Matthäus 5, 17 – 20) ist die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt. Vor Gott gerecht zu sein, bedeutet “für Gott passend“ oder “in Übereinstimmung mit Gott“ zu sein. Die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, setzt Buße und Glauben voraus (vgl. Römer 4, 3 – 5; 1. Korinther 1, 30). “Buße“ im biblischen Sinn bedeutet Sinnesänderung oder anders ausgedrückt die „Herzensrichtung ändern, den inneren Kurs wechseln“². Ein Mensch erkennt seine Sündhaftigkeit und seinen von Gott getrennten Zustand. Als Folge davon kehrt er zu Gott um und bittet Ihn um Vergebung (vgl. Lukas 15, 11 – 32).
Im Gegensatz dazu wollten die Pharisäer und Schriftgelehrten ihre eigene Gerechtigkeit aufrichten (vgl. Römer 10, 3), in dem sie äußerlich die Gesetze Gottes einhielten. Doch wahre Gerechtigkeit, d.h. die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, erschöpft sich nicht in äußerlichen Formen. Sie beginnt im Herzen. Das hatten die Pharisäer und Schriftgelehrten nicht erkannt. Hier lag der große Fehler: sie legten Wert auf jede noch so kleine äußere Form, doch sie vernachlässigten die Einstellung des Herzens und des sich daraus ergebenden Charakters vollkommen.
Wir könne also festhalten, dass sich Matthäus 5, 17 – 20 intensiv mit der Einstellung des Menschen zum Wort Gottes auseinandersetzt. Der Herr Jesus ist nicht gekommen, um das Gesetz und die Propheten, sprich: das gesamte Alte Testament, aufzulösen, sondern um es durch Seine Lehre zu seinem Vollsinn zu führen. Das bedeutet, dass wir keine Unterscheidung zwischen den Geboten Gottes aufrichten dürfen. Kein Gebot ist größer, keines ist kleiner. Es gilt, den Willen Gottes nicht äußerlich, sondern von Herzen zu erfüllen. Dazu bedarf es der neuen Geburt (Johannes 3, 1 – 6; 2. Korinther 5, 17). Nur durch die Kraft des neuen Lebens aus Gott kann das geschehen. Nur dann, wenn die Liebe Gottes durch den Geist Gottes in unsere Herzen ausgegossen worden ist (Römer 5, 5), werden wir Gott so lieben können, dass wir seinen Willen gern erfüllen

“Und dies ist die Liebe, dass wir nach seinen Geboten wandeln. Dies ist das Gebot, wie ihr von Anfang an gehört habt, dass ihr darin wandeln sollt.“

(2. Johannes 6)

 

Fußnoten:

¹= der Ausdruck kommt 30mal im Matthäusevangelium, 13mal im Markusevangelium, 6mal im Lukasevangelium und 25mal in Johannesevangelium vor.

²= zitiert nach bibelbrunnen.de ( http://www.bibelbrunnen.de/Dokumente/FrageBusseWasIstDas.php )

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