Leben statt labern – Anmerkungen zu Markus 11, 12 – 26

Vijgenboom R01

Feigenbaum mit Früchten * Foto: By Marc Ryckaert (MJJR) (Own work) [CC-BY-3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by/3.0)%5D, via Wikimedia Commons

Am morgigen Sonntag soll ein weiteres Bibelwort aus dem Markusevangelium  (zum Hintergrund des Markusevangeliums siehe: Klick!) betrachtet werden. Wir lesen dazu Markus 11, 12 – 26 (LUTH’84):

„Und am nächsten Tag, als sie von Betanien weggingen, hungerte ihn. Und er sah einen Feigenbaum von ferne, der Blätter hatte; da ging er hin, ob er etwas darauf fände. Und als er zu ihm kam, fand er nichts als Blätter; denn es war nicht die Zeit für Feigen. Da fing Jesus an und sprach zu ihm: Nun esse niemand mehr eine Frucht von dir in Ewigkeit! Und seine Jünger hörten das. Und sie kamen nach Jerusalem. Und Jesus ging in den Tempel und fing an auszutreiben die Verkäufer und Käufer im Tempel; und die Tische der Geldwechsler und die Stände der Taubenhändler stieß er um und ließ nicht zu, dass jemand etwas durch den Tempel trage. Und er lehrte und sprach zu ihnen: Steht nicht geschrieben (Jesaja 56,7): »Mein Haus soll ein Bethaus heißen für alle Völker«? Ihr aber habt eine Räuberhöhle daraus gemacht. Und es kam vor die Hohenpriester und Schriftgelehrten, und sie trachteten danach, wie sie ihn umbrächten. Sie fürchteten sich nämlich vor ihm; denn alles Volk verwunderte sich über seine Lehre. Und abends gingen sie hinaus vor die Stadt.Und als sie am Morgen an dem Feigenbaum vorbeigingen, sahen sie, dass er verdorrt war bis zur Wurzel. Und Petrus dachte daran und sprach zu ihm: Rabbi, sieh, der Feigenbaum, den du verflucht hast, ist verdorrt. Und Jesus antwortete und sprach zu ihnen: Habt Glauben an Gott! Wahrlich, ich sage euch: Wer zu diesem Berge spräche: Heb dich und wirf dich ins Meer!, und zweifelte nicht in seinem Herzen, sondern glaubte, dass geschehen werde, was er sagt, so wird’s ihm geschehen. Darum sage ich euch: Alles, was ihr bittet in eurem Gebet, glaubt nur, dass ihr’s empfangt, so wird’s euch zuteil werden. Und wenn ihr steht und betet, so vergebt, wenn ihr etwas gegen jemanden habt, damit auch euer Vater im Himmel euch vergebe eure Übertretungen.“

Anmerkungen zu Markus 10, 12 – 26

Dieser Bericht im Markusevangelium ist in vielen Bibeln mit der Überschrift “Die Verfluchung des Feigenbaums“ überschrieben. Wenn wir uns mit dieser Begebenheit beschäftigen, dann sollten wir beachten, dass es sich dabei um einen von mehreren Berichten im Markusevangelium handelt, die wir als “unterbrochene“ Berichte bezeichnen können. Im Markusevangelium finden sich insgesamt vier solcher “unterbrochener Berichte“ (vgl. Markus 3, 20 – 35; Markus 5, 21 – 43 und Markus  6, 7 – 31). Die hieraus erkennbare Struktur ist entscheidend für die Auslegung. Im Fall von Markus 10, 12 – 26 können wir folgende Abschnitte erkennen:

  • Der Herr verflucht den Feigenbaum.
  • Der Herr reinigt Er den Tempel.
  • Der Herr kehrt zurück zu dem verfluchten Feigenbaum und belehrt die Jünger über das Zeichen, das Er an diesem Baum vollbracht hat.

Alle drei Abschnitte behandeln dasselbe Thema und führen es zu einem Höhepunkt.

Die Verfluchung des Feigenbaums

* “Und als sie am folgenden Tag von Betanien weggegangen waren, hungerte ihn. Und er sah von weitem einen Feigenbaum, der Blätter hatte, und er ging hin, ob er wohl etwas an ihm fände; und als er zu ihm kam, fand er nichts als Blätter, denn es war nicht die Zeit der Feigen. Und er begann und sprach zu ihm: Nie mehr in Ewigkeit soll jemand Frucht von dir essen! Und seine Jünger hörten es.“ – Markus 11, 12 – 14 – Verschiedene Fragen ergeben sich aus diesem Bericht:
* * Während der Herr und Seine Jünger von Betanien nach Jerusalem gehen, sieht der Herr einen Feigenbaum. Was nun folgt, muss jeden mit der Flora Israels nicht vertrauten Bibelleser verwundern. Markus berichtet, dass der Herr Jesus Christus den Feigenbaum betrachtete, um zu sehen, ob Er daran Frucht fände. Dann sagt der Evangelist, dass der Herr keine Frucht fand und weist darauf hin, dass “es nicht die Zeit der Feigen war“. Anschließend beschreibt er die Verfluchung des Feigenbaums durch den Herrn. Jeder Leser muss sich doch fragen, warum der Herr einen Baum verflucht, der keine Früchte trägt wenn es doch gar nicht “die Zeit“ ist, in der dieser Baum normalerweise Früchte trägt? Die Verwirrung verschwindet, wenn man sich näher mit dem Feigenbaum beschäftigt: Der Feigenbaum kennt mehrere Blütezeiten. Im März/April entstehen mit den ersten Blättern in der Regel so genannte Vor-Früchte. Diese kleineren Vorfrüchte sind essbar und müssen vorhanden sein, wenn später – im Juni, also der eigentlichen “(Ernte-)Zeit der Früchte“ – die großen Feigen vorhanden sein sollen. Da diese Vor-Früchte mit den ersten Blättern wachsen, ist jedes neue Blatt ein Hinweis auf diese Vor-Früchte und damit auch ein Hinweis auf eine gute spätere Ernte der großen Früchte.  Der Baum, den der Herr nach begutachtete, verfügte offensichtlich über ein beachtliches Blattwerk, lies jedoch die zu erwartende Vor-Frucht völlig vermissen. Auf diese Weise vermittelte das Äußere des Baumes einen Zustand, der nicht gegeben war. Von ihm waren auch in Zukunft keine Früchte zu erwarten.
* * Warum verfluchte der Herr den Feigenbaum? Eine Antwort, die uns schnell über die Lippen geht, ist: “Weil er keine Frucht brachte!“ Doch seien wir vorsichtig, mit solchen schnellen Antworten! Der Herr sah diesen Feigenbaum als eine Gelegenheit an, um Seine Jünger mittels eines prophetischen Zeichens zu lehren. Diese Art der Unterweisung war den Jünger aus dem Alten Testament gut bekannt (vgl. z.B. Jesaja 20, 1 – 6; Jeremia 13, 1 – 11; Jeremia 19, 1 – 13; Hesekiel 4, 1 – 15 u.a.m.) Der Herr verfluchte den Feigenbaum nicht primär, weil dieser keine Frucht gebracht hatte. Dieser Baum illustrierte in deutlicher Weise das Verhalten eines großen Teiles des irdischen Volkes Gottes. Seit Jahrhunderten hatte Gott danach Ausschau gehalten, dass dieses Volk Frucht brachte, so wie der Herr Jesus Christus an diesem Feigenbaum nach Frucht suchte (vgl. Jeremia 8, 13; Hosea 9, 10; Micha 7, 1; Nahum 3, 12; Sacharja 10, 2 u.a.) Nach außen hin schmückte sich dieses Volk mit beeindruckenden religiösen Riten und Werken. Doch wie bei dem Feigenbaum, der trotz seines prachtvollen Blattwerks keine Frucht trug, so fand sich auch bei einem großen Teil dieses Volkes  trotz aller äußeren Religiosität keine wahre innere Frucht für Gott (vgl. Markus 7, 6; Markus 11, 15 – 19 +  27 – Markus 12, 40). Der Herr Jesus Christus hatte diese äußerliche Religiosität als das bezeichnet, was sie war: Heuchelei. Unter einem Heuchler versteht das Neue Testament einen Menschen, zwischen dessen äußeren  Verhalten und seinem wirklichen Zustand eine Lücke klafft. So, wie der Feigenbaum durch sein beeindruckendes Blattwerk den Anschein erweckte, dass er reichte Vor-Frucht trug, so vermittelten diese Menschen durch ihre beeindruckenden religiösen Riten und Werke, dass sie in den Willen Gottes täten und für ihn geistliche Frucht brachten. Doch zwischen dem äußeren Schein und dem inneren wahren Sein bestand eine große Diskrepanz. Heuchler reden viel über den Glauben, leben ihn aber nicht wirklich. Sie meine, durch fromme Reden und eine äußerliche Scheinfrömmigkeit Gott und Menschen beeindrucken zu können. Doch während der Mensch nur das sieht, was “Vor Augen ist“, blickt Gott tiefer und sieht das menschliche Herz mit allen seinen verborgenen Beweggründen (1. Samuel 16, 7).  Der Fluch erfolgt also nicht primär aufgrund der Fruchtlosigkeit, sondern aufgrund der Vortäuschung von Frucht. Nicht die geistliche Fruchtlosigkeit eines großen Teils des Volkes wird von dem Herrn in erster Linie verurteilt, sondern der Versuch, Gott mittels äußerer Aktivitäten über das Nichtvorhandensein von geistlicher Frucht hinweg zu täuschen. Diese Heuchelei ist nicht nur Lüge, sie ist auch ein Affront gegen die Allwissenheit Gottes.
* * Dass der Feigenbaum im Alten wie im Neuen Testament ein Bild für das Volk Israel ist, ist unbestreitbar (vgl. Hosea 9, 10; Joel 1, 7; Matthäus 24, 32; Lukas 21, 29-31). Unterschiede gibt es bei der Auslegung jedoch in der Frage, ob die Verfluchung des Feigenbaums ein Symbol für das Gericht Gottes über das ganze Volk oder nur für Teile dieses Volkes darstellt. Immer wieder haben Kommentatoren in dem Feigenbaum ein Symbol für das ganze Volk Israel gesehen, dass keine Frucht der Buße hervorgebracht hätte (vgl.  Jeremia 8, 13; Hosea  9, 10, 16; Lukas 13, 6 – 9 u.a.m.) Von dieser Prämisse ausgehend, verstiegen sich sogar einige zu der Aussage, das ganze Volk Israel sei verflucht. Dieser irrigen Ansicht, die zur so genannten Ersatztheologie geführt hat, widerspricht der Apostel Paulus in den Kapiteln 9 – 11 des Römerbriefes. Gott hat Israel zwar für eine Zeit in Seinem Plan beiseite gesetzt, aber Er hat es nicht für immer verworfen!  Andere Ausleger sehen in dem Feigenbaum ein Symbol für jene Generation im Volk Israel, die den Herrn Jesus Christus als Messias ablehnte. Nach ihrer Ansicht ist das Gericht Gottes über diese Generation dadurch vollzogen worden, dass Gott Sein Reich zurückgehalten hat. Eine dritte Gruppe von Auslegern sieht in dem Gericht über den Feigenbaum das Gericht Gottes über einen Teil des Volkes Israel, nämlich über jene Heuchler,  die nach außen hin den Schein von geistlicher Frucht abgaben, innerlich jedoch diese Frucht vermissen ließen (vgl. Matthäus  6, 2 + 5 +  16; Matthäus 7, 5; Matthäus 15, 7; Matthäus 22, 18; Mattthäus 23, 1 – 39). Als Heuchler hatte der Herr die Händler im Tempel, die Hohenpriester, die Schriftgelehrten und die Pharisäer bezeichnet, nicht jedoch die Kinder, die Blinden, die Lahmen, die Armen oder andere Menschen, die glaubensvoll zu ihm kamen, ihre Sünden bekannten und diese bereuten. Wie der Feigenbaum trotz seiner vielen Blätter, keine Frucht hervorbrachte, so waren jene Heuchler trotz ihrer äußerlich zur Schau gestellten Religiosität geistlich unfruchtbar. Die dritte Auslegungsmöglichkeit halte ich im Kontext der ganzen Begebenheit für die zutreffendste.

Die Reinigung des Tempels

Die Reinigung des Tempels war die zweite Offenbarung, mit der der Herr Jesus Christus sich dem Volk Israel öffentlich als Messias vorstellte. Die erste Offenbarung dieser Art stellt der Einzug in Jerusalem wenige Tage zuvor  dar (vgl. Markus 11, 1 – 11).

* “Und sie kommen nach Jerusalem. Und er trat in den Tempel und begann die hinauszutreiben, die im Tempel verkauften und kauften; und die Tische der Wechsler und die Sitze der Taubenverkäufer stieß er um. Und er erlaubte nicht, dass jemand ein Gerät durch den Tempel trug.“ – Markus 11, 15 – 16 – Der  Vorhof der Heiden, also der äußerste Vorhofbereich innerhalb der Tempelmauern, ähnelte mehr einem Marktplatz, denn einer Anbetungsstätte. Insbesondere während der großen Feste des jüdischen Kalenders kauften Tempelbesucher in Jerusalem Opfertiere und wechselten zu diesem Zweck auch Geld. Damit die Festteilnehmer diese Geschäfte abwickeln konnten, waren  ursprünglich vier kleinere Markplätze am Ölberg eingerichtet worden. Die Existenz dieser Marktplätze ist nach Victor Eppstein historisch belegt. Sie macht zudem deutlich, dass es eines weiteren Marktplatzes innerhalb des heiligen Tempelbezirkes nicht bedurft hätte. Trotzdem wurde ein solcher fünfter Marktplatz innerhalb des Vorhofs der Heiden eingerichtet und die Erlaubnis dazu hatte niemand anderes als der Hohepreister Kaiphas (im Jahr 30 n. Chr.) erteilt¹.
In der Reinigung des Tempels wird erneut die Autorität Jesu deutlich: es ist die Autorität des Messias. Dieser “Sohn Davids“ (vgl. Matthäus 21, 9 + 15) reinigt das Haus Seines Vaters. In Vers 16 macht Markus das ganze Ausmaß der Tempelreinigung deutlich. In diesem machtvollen und zugleich prophetisch-zeichenhaften Handeln des Messias erfüllten sich auch die Worte aus Psalm 69, 10 deutlich:

“Denn der Eifer um dein Haus hat mich verzehrt, und die Schmähungen derer, die dich schmähen, sind auf mich gefallen.“

* “Und er lehrte und sprach zu ihnen: Steht nicht geschrieben: „Mein Haus wird ein Bethaus genannt werden für alle Nationen“? Ihr aber habt es zu einer „Räuberhöhle“ gemacht.“ Markus 11, 17 – Obwohl die Erfüllung der hier von dem Herrn Jesus Christus zitierte Verheißung aus dem Buch des Propheten noch in der Zukunft lag, war die Absicht, die Gott mit dieser Aussage verband eindeutig:  Der Tempel sollte ein Haus des Gebets für alle Völker sein. Doch der Ort, der von Gott zu diesem heiligen Zweck ausgesondert worden war,  war zu einem Platz des Gelderwerbs und der Gewinnsucht degradiert worden. Die geistlichen Leiter des Volkes hatten erlaubt, dass aus diesem heiligen Ort, ein Ort  voll von weltlichem Handel und Betrug wurde. Damit hatten sie nicht nur völlig entgegen des in Jesaja 56, 7 zum Ausdruck gebrachten Willens Gottes gehandelt, sie hatten auch dem Kommen des Reiches Gottes entgegen gewirkt. Denn die Heiligkeit und Reinheit des Tempels war und ist gemäß Sacharja 14, 21 eine Voraussetzung für die Errichtung des messianischen Friedensreiches:

“(…) und jeder Kochtopf in Jerusalem und in Juda wird dem HERRN der Heerscharen heilig sein; und alle Opfernden werden kommen und von ihnen nehmen und darin kochen. An jenem Tag wird es keinen Viehhändler mehr geben im Haus des HERRN der Heerscharen.

Gottes Wunsch war es, dass Sein Tempel in Jerusalem auch Menschen aus den Nationen offen stand. Jeder Nichtjuden, der ein Verlangen nach Gott hatte, sollte hier die Möglichkeit haben, Gott zu nahen und zu Ihm zu beten. Indem die  geistlichen Leiter Israels diesen Ort zu einem Marktplatz umfunktionierten, hatten sie damit den Zugang zu Gott für die Nationen fast unmöglich gemacht. Sie hatten  den Platz für die Anbetenden aus den Nationen mit Marktständen besetzt. Auf diese Weise brachten sie auch zum Ausdruck, dass sie eine Beziehung der Nationen zu ihrem Gott gar nicht wünschten. Sie sahen ihre exklusive Stellung als Volk Gottes durch das weite Herz Gottes, dass alle Menschen einlädt, gefährdet. Ansehen, Exklusivität, angebliche religiöse Privilegien, bedeutete ihnen mehr, als die Liebe Gottes zu den Menschen. Wohl sprachen auch die Hohenpriester und Schriftgelehrten von der Liebe Gottes. Doch ihr Handeln sprach eine ganz andere Sprache. Indem der Herr Jesus Christus den Tempel reinigte, machte Er nicht deutlich, dass der Tempel Ihm und nicht den geistlichen Führern Israels gehörte. Mehr noch: Indem Er Jesaja 56, 7 zitierte, offenbarte Er erneut, dass Er Gott ist.

* “Und die Hohenpriester und die Schriftgelehrten hörten es und suchten, wie sie ihn umbringen könnten; sie fürchteten ihn nämlich, denn die ganze Volksmenge geriet außer sich über seine Lehre. Und wenn es Abend wurde, gingen sie zur Stadt hinaus.“ Markus 11, 18 – 19 – Wie es um den wahren Herzenszustand eines Menschen wirklich bestellt ist, zeigt sich immer dann, wenn das, worauf dieses Herz am meisten ausgerichtet ist, angegriffen wird.  Die Worte und das Handeln Jesu brachten die herausgehobene Stellung und den Reichtum der Hohenpriester und der Mitglieder des Sanhedrins in Gefahr. Die Folge war, dass sie Pläne schmiedeten, wie sie Ihn töten könnten. Später sollte die Intensität ihres Hasses noch zunehmen (vgl. Markus 11, 27 – Markus 12,  37). Von allen Evangelisten ist es nur Markus, der davon berichtet, dass sie den Herrn fürchten. der Grund für ihre Furcht, war, dass die Lehre Jesu immer mehr Einfluss unter den Volksmassen, die zur Zeit des Passahfestes weiteren Zulauf durch die zahlreichen Festpilger hatten, gewann (vgl. Markus 1, 22; Markus 6, 2; Markus 7, 37; Markus 10, 26). Markus berichtet auch, dass der Herr mit Seinen Jüngern abends die Stadt verlies. Wie wir aus Lukas 21, 37 wissen, verbrachten sie die Nächte auf dem Ölberg, zeitweise aber auch in Bethanien (vgl. Markus 11, 11).

Die Lehre im Zusammenhang mit dem verdorrten Feigenbaum

* “Und als sie am Morgen an dem Feigenbaum vorbeigingen, sahen sie, dass er verdorrt war bis zur Wurzel. Und Petrus dachte daran und sprach zu ihm: Rabbi, sieh, der Feigenbaum, den du verflucht hast, ist verdorrt. Und Jesus antwortete und sprach zu ihnen: Habt Glauben an Gott! Wahrlich, ich sage euch: Wer zu diesem Berge spräche: Heb dich und wirf dich ins Meer!, und zweifelte nicht in seinem Herzen, sondern glaubte, dass geschehen werde, was er sagt, so wird’s ihm geschehen. Darum sage ich euch: Alles, was ihr bittet in eurem Gebet, glaubt nur, dass ihr’s empfangt, so wird’s euch zuteil werden. Und wenn ihr steht und betet, so vergebt, wenn ihr etwas gegen jemanden habt, damit auch euer Vater im Himmel euch vergebe eure Übertretungen.“ – Markus 11, 20 – 26 – Dort, wo die Lutherübersetzung  davon spricht, dass der Feigenbaum “bis zur Wurzel“ verdorrt war, findet sich in  genaueren Übersetzungen “von den Wurzeln an verdorrt“. Diese Übersetzung ist auch besser nachvollziehbar: Der Tod setzte sich, ausgehend von der Quelle der Nahrung des Baumes, durch den Stamm in alle Äste hindurch fort. Die Wurzeln stehen hier symbolisch für die geistlichen Leiter der  Nation Israel. Ihre geistliche Heuchelei würde für den geistlichen Tod des “Baumes“ verantwortlich sein. Petrus brachte das Absterben des Baumes mit dem Gericht, das Jesus Christus über diesen ausgesprochenen hatte, in Verbindung.
Anstatt jedoch die symbolische Bedeutung des Gerichts über den Feigenbaum näher zu erläutern, sprach der Herr über das, was dem Wunder zugrunde lag. Diese wichtige Lehre hatten die Jünger bereits bei vorausgehenden Gelegenheiten von ihrem Meister gehört (vgl. Matthäus 6, 13 – 14; Matthäus 7, 7; Matthäus 17, 20; Matthäus 18, 19; Lukas 11, 9; Lukas 17, 6). Wir können diese Lehre in einem einzigen Satz zusammenfassen: Gebet, die in völlig abhängigem Vertrauen auf Gott dargebracht werden, können menschlich Unmögliches bewirken (vgl. Jakobus 1, 6), denn Gott allein ist die Quelle und Kraft dieser Veränderungen. Aus dieser Aussage Jesu wird deutlich, dass Er Seine Vollmacht und Autorität ganz allein aus der engen Lebens- und Vertrauensbeziehung zu seinem Vater empfing. Auch die Jünger des Herrn empfangen alles, was sie brauchen und einsetzen nur aus dieser Lebens- und Vertrauensbeziehung. Einige Kommentatoren weisen darauf hin, dass die Aufforderung: “Habt Glauben an Gott!“ auch als Ermutigung: “Ihr habt den Glauben Gottes!“ übersetzt werden kann. Versteht man die Aussage in dieser Weise, dann liegt der Schwerpunkt auf dem Wirken Gottes, was biblisch ist, und nicht auf dem Wirken des Menschen. Alle Jünger des Herrn haben diesen Glauben empfangen und deswegen können wir auch vertrauensvoll beten. Der Betende soll seinen Blick auf das richten, was Gott ihm schon geschenkt hat und dementsprechend handeln.
Der Hinweis darauf, dass mittels des Glaubens an Gott Berge versetzt werden können, ist zum einen natürlich ein symbolischer Ausdruck für die Kraft des ganz auf Gott vertrauenden Gebets. Zum anderen findet sich in dieser Aussage aber auch eine prophetische Verheißung. In Sacharja 14, 4 + 10 verheißt Gott das buchstäbliche Versetzen eines bestimmten Berges, nämlich des Ölberges:

“Und seine Füße werden stehen zu der Zeit auf dem Ölberg, der vor Jerusalem liegt nach Osten hin. Und der Ölberg wird sich in der Mitte spalten, vom Osten bis zum Westen, sehr weit auseinander, sodass die eine Hälfte des Berges nach Norden und die andere nach Süden weichen wird. (..) Und das ganze Land wird verwandelt werden in eine Ebene, von Geba bis nach Rimmon im Süden. Aber Jerusalem wird hoch liegen und an seiner Stätte bleiben, vom Tor Benjamin bis an die Stelle des ersten Tors, bis an das Ecktor, und vom Turm Hananel bis an des Königs Kelter.“

Dieses Geschehen wird sich ereignen, wenn der Sohn Gottes wiederkommen und das Reich Gottes buchstäblich aufrichten wird. Das Kommen dieses Reiches, das die geistlichen Führer Israels durch die Verunreinigung des Tempels verhinderten, wird ermöglicht durch das glaubensvolle Gebet der Nachfolger Jesu. Aus diesem Grund hatte der Herr Seine Jünger auch gelehrt, um das Kommen dieses Reiches zu bitten: “Dein Reich komme, Dein Wille geschehe …“ (Matthäus 6, 10) Dieses Gebet ist ein Gebet in völliger Übereinstimmung mit dem Willen Gottes. Darum steht auch überhaupt nicht in Frage, dass es erhört werden wird.

Hoffnung für Heuchler

Wie wir gesehen haben, geht es bei der Verfluchung Feigenbaumes zuerst um die Problematik der Heuchelei und erst in zweiter Linie um die Frage des Fruchtbringens. Geistliche Heuchelei oder Scheinheiligkeit waren nicht nur ein Problem der geistlichen Führer Israels zur Zeit des irdischen Wirkens Jesu. Auch der Apostel Paulus musste seinen Mitarbeiter Timotheus vor Menschen warnen, die unter dem Schein eines christlichen Lebens in der Gemeinschaft der Gläubigen aufhielten, jedoch innerlich von ganz anderen Motiven angetrieben wurden:

“(…) sie haben den Schein der Frömmigkeit, aber deren Kraft verleugnen sie (…)“

(2. Timotheus 3, 5)

Wir haben also keinen Grund, selbstgefällig auf die geistlichen Führer Israels zur Zeit Jesu zu zeigen und ihre Heuchelei zu verurteilen, sondern sollten uns der Tatsache bewusst sein, dass es auch unter dem Namen des Christentums immer Heuchler/Scheinheilige gegeben hat und bis zum Ende geben wird. Wenn der Apostel hier schreibt, dass solche Menschen die Kraft wahrer Frömmigkeit vermissen lassen, dann sagt er damit nichts anderes, als dass sie in Wahrheit keine Lebensbeziehung zu dem Erlöser, dem Herrn Jesus Christus, haben. Denn aus dieser Beziehung allein erwächst dem Gläubigen die Kraft, durch die er ein Leben nach dem Willen Gottes führen kann. Solche Menschen haben also nie Buße getan (Apostelgeschichte 2, 38) und die erlösende Liebe Gottes in Jesus Christus angenommen (Epheser 2,8). Sie nennen sich vielleicht Christen, aber Christus spielt in ihrem Leben nur eine Nebenrolle.
Wie schwerwiegend in den Augen Gottes solche Scheinheiligkeit ist, haben wir am Beispiel der geistlichen Führer Israels gesehen. Nach einer Gnadenzeit von 40 Jahren, ereilte sie im Jahr 70 n. Chr das angekündigte göttliche Gericht (Markus 13, 1 – 2). Wir sollten uns nicht der Illusion hingeben, Gott würde die Heuchelei, die unter dem Namen des Christentums  begangen wird, weniger ernst nehmen und ungestraft lassen. Heuchler, so sagt es der Herr Jesus Christus selbst, werden keinen Platz bei Gott haben (Matthäus 24, 51). Doch es gibt Hoffnung für Heuchler: Für jeden, der erkannt hat, dass er zwar den Namen “Christ“ trägt, aber kein göttliches Leben bleibend in sich hat, besteht heute die Möglichkeit, zu Gott umzukehren, seine Sünde zu bekennen, Vergebung zu empfangen und in eine Lebensbeziehung zu Gott einzutreten. Wichtig ist, dass Sie diese Chance, die Gott Ihnen heute gibt, wahrnehmen:

“Aus diesem Grund mahnt uns der Heilige Geist: »Wenn ihr heute die Stimme Gottes hört, dann verschließt euch seinem Reden nicht!“

(Hebräer 3, 7 – 8)

Fußnoten:

¹= Victor Eppstein: “The Historicity of the Gospel Account of the Cleansing of the Temple“ in:  Zeitschrift für die neutesamentliche Wissenschaft, 55, Jahrgang 1964, Seite 42 – 58.

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