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Wer kennt das nicht: Wir rufen bei irgendeiner Service-Hotline an und die erste Information, die wir hören ist der Hinweis: „Bitte bleiben Sie am Apparat, Sie werden verbunden, sobald ein Service-Mitarbeiter frei ist!“ Bei einigen Service-Hotlines wird der Hinweis dann noch einmal in englischer Sprache wiederholt: „Please, hold the line!“ Manchmal geht es schnell, manchmal dauert es mehr als 10 Minuten, bis sich endlich ein Service-Mitarbeiter meldet. Wer eine deutsche Service-Hotline anruft, der braucht eines: Geduld! Ähnlich ergeht es gegenwärtig allen, die mit der Deutschen Bahn fahren wollen oder müssen. Schon im alltäglichen Reiseverkehr braucht man bei der DB Geduld, denn die Züge sind nicht immer pünktlich. Ich spreche aus fast 15jähriger Pendlererfahrung. Aber beim gegenwärtigen Streik der Lokführer braucht man, auch wenn man das Anliegen der Streikenden nachvollziehen kann, noch einmal eine Extraportion Geduld.
Geduld, also die Fähigkeit (ab)warten/ausharren zu können, ist nichts, was uns qua Geburt mitgegeben ist oder was wir durch Umlegen eines imaginären inneren Schalters mit einem „Klick!“ in Gang setzen können. Aber Geduld ist ein wichtiger Aspekt des christlichen Glaubenslebens. An vielen Stellen fordert uns die Heilige Schrift auf, geduldig zu sein bzw. auszuharren, z.B. in Hebräer 6, 11 – 12:
„Wir wünschen nur, dass jeder von euch diesen Eifer bis ans Ende beweist, damit ihr voller Zuversicht an der Hoffnung festhalten könnt. Dann werdet ihr auch nicht träge, sondern folgt dem Vorbild derer, die durch Glauben und Geduld empfingen, was Gott ihnen zugesagt hatte.“
oder Hebräer 10, 36:
„Denn ihr habt Ausharren nötig, damit ihr, nachdem ihr den Willen Gottes getan habt, die Verheißung davontragt.“
Hebräer 6, 11 – 12 und auch Hebräer 10, 36 machen eines deutlich: Wir glauben bzw. wir tun den Willen Gottes und müssen dann ausharren bzw. Geduld haben, damit wιir die Erfüllung der göttlichen Verheißung empfangen können. Gemäß Hebräer 6, 11 – 12 haben die Vorbilder der Empfänger des Hebräerbriefes „durch Glauben und Geduld empfangen, was Gott ihnen zugesagt hatte“ und in Hebräer 10, 36 werden die Leser des Hebräerbriefes aufgefordert, auszuharren, „nachdem sie den Willen Gottes getan haben“, um dann „die Verheißung zu davonzutragen“.
Die Lutherübersetzung gibt Hebräer 10, 36 anders wieder. Luther 1912 übersetzt: „Geduld aber ist euch not, auf dass ihr den Willen Gottes tut und die Verheißung empfanget.“ In der Lutherübersetzung von 1984 heißt es: „Geduld aber habt ihr nötig, damit ihr den Willen Gottes tut und das Verheißene empfangt.“ Ich halte weder die Übersetzung von 1912 noch die von 1984 für glücklich¹. Beide Übersetzungen implizieren, dass zum Tun des Willens Gottes Geduld nötig sei. Aus dem Kontext der Verse 32 – 38 geht jedoch hervor, dass die Empfänger des Hebräerbriefes den Willen Gottes schon auf vielfältige Weise getan hatten. Vers 32: Sie waren erleuchtet worden und hatten dann viel Kampf und Leiden erduldet (vgl. Lukas 21, 12). Vers 34: Sie haben teilgenommen an den Leiden der um des christlichen Glaubens willen Gefangenen (vgl. Matthäus 25, 36) und sie haben sogar den Raub ihres Eigentums mit Freuden ertragen (vgl. Matthäus 5, 40). In Vers 35 werden sie dann aufgefordert, dass sie – nachdem sie all‘ dies um ihres Glaubens willen ertragen hatten – ihre Zuversicht nicht wegwerfen sollten. Der Schreiber des Hebräerbriefes macht seinen Lesern damit deutlich: Bleibt jetzt dran! Gebt nicht auf! Geduldet euch! Was ihr getan habt, war nicht umsonst! Harrt aus, der Tag wird kommen, an dem ihr die Verheißung, die Belohnung, empfangen werdet. Ich bevorzuge daher die Übersetzung: „Denn ihr habt Ausharren nötig, damit ihr, nachdem ihr den Willen Gottes getan habt, die Verheißung davontragt.“²
Nach all‘ dem, was die Hebräer für Gott getan und erduldet hatten, bestand die Gefahr, dass sie nun müde wurden. Wir kennen das. Uns geht es nicht anders. Wenn wir viel geleistet haben, wenn wir viel Kraft einsetzen mussten, aber immer noch „kein Land in Sicht“ ist, d.h. wir keine Ergebnisse unseres Einsatzes sehen, dann besteht die Gefahr, dass wir müde und hoffnungslos werden, im schlimmsten Falle sogar bereit sind, alles aufzugeben. „Hat ja doch alles keinen Sinn!“ Das ist insbesondere dann der Fall, wenn wir über längere Zeit Anfechtungen erleiden müssen. Sprüche 13, 12a bringt diesen problematischen Zustand so zum Ausdruck:
„Lang hingezogenes Harren macht das Herz krank, aber ein eingetroffener Wunsch ist ein Baum des Lebens.“
In solchen Situationen ist Geduld im wahrsten Sinne des Wortes not-wendig. Nach biblischer Lehre ist Geduld ein Aspekt der Frucht des Heiligen Geistes im Leben des Gläubigen:
„Die Frucht des Geistes aber ist
Liebe, Freude, Friede,
Geduld, Freundlichkeit, Gütigkeit,
Treue, Sanftmut, Enthaltsamkeit.“
Beachten wir, dass hier nicht von den „Früchten“ (Plural), sondern von der „Frucht“ (Singular!) des Heiligen Geistes die Rede ist. Geduld ist also nicht eine von mehreren Früchten des Heiligen Geistes, sondern ein Aspekt der – einen – Frucht des Heiligen Geistes. Alle in Galater 5, 22 genannten Aspekte/Eigenschaften werden durch die Wirksamkeit des Heiligen Geistes im Gläubigen hervorgebracht und ergeben zusammen die Frucht des Heiligen Geistes im Leben desselben. Es ist wichtig, dass wir beachten, dass nicht wir diese Frucht hervorbringen, es ist nicht die Frucht des Gläubigen. Es ist die Frucht, die der Heilige Geist im Leben des Gläubigen hervorbringt. Das bedeutet, dass der Gläubige diese Frucht nicht aus sich selbst hervorbringen kann. Sie entsteht nur, indem der Gläubige das Wirken des Heiligen Geistes in seinem Leben zulässt. Wie dies ganz praktisch in unserem Leben geschehen kann, werden wir in einem zweiten Teil dieses Artikels betrachten.
Fortsetzung: Klick!
Fußnoten:
¹= ποιησαντες ist Aorist Partizip, wodurch im allgemeinen gegenüber dem übergeordneten Verb Vorzeitigkeit im untergordneten Satz ausgedrückt wird. Auch der Zusammenhang der Verse in Hebräer 10, 32 – 38 macht das deutlich.
²= so in: Überarbeitete Elberfelder Übersetzung, Edition Hückeswagen, CSV Hückeswagen 2003, 3. Auflage 2009; siehe auch: Revidierte Elberfelder Übersetzung, SCM R. Brockhaus im SCM-Verlag Witten, 2008; Schlachter Übersetzung 2008, Genfer Bibelgesellschaft; Schlachter Übersetzung 1951, Übersetzung von Hermann Menge, Deutsche Bibelgesellschaft;