Entscheidung in Jerusalem (I) – Anmerkungen zu Apostelgeschichte 15, 1 – 5

HimmelEntscheidung in Jerusalem (I) – Anmerkungen zu Apostelgeschichte 15, 1 – 5

Der Wortverkündigung am Mittwoch dieser Woche soll ein Vers aus dem 15. Kapitel der Apostelgeschichte (zum Hintergrund der Apostelgeschichte siehe: Klick! & Klick!) zu Grunde liegen, den wir  in seinem Kontext betrachten wollen:

„Und einige kamen von Judäa herab und lehrten die Brüder: Wenn ihr nicht beschnitten werdet nach der Weise Moses, so könnt ihr nicht errettet werden. Als aber ein Zwiespalt entstand und ein nicht geringer Wortwechsel zwischen ihnen und Paulus und Barnabas, ordneten sie an, dass Paulus und Barnabas und einige andere von ihnen zu den Aposteln und Ältesten nach Jerusalem hinaufgehen sollten wegen dieser Streitfrage. Nachdem sie nun von der Versammlung das Geleit erhalten hatten, durchzogen sie sowohl Phönizien als auch Samaria und erzählten die Bekehrung derer aus den Nationen; und sie machten allen Brüdern große Freude. Als sie aber nach Jerusalem gekommen waren, wurden sie von der Versammlung und den Aposteln und den Ältesten aufgenommen, und sie berichteten alles, was Gott mit ihnen getan hatte. Einige aber von denen aus der Sekte der Pharisäer, die glaubten, traten auf und sagten: Man muss sie beschneiden und ihnen gebieten, das Gesetz Moses zu halten.

(Apostelgeschichte 15, 1 – 5; ELBEDHÜ; z. Vgl. LUTH’84)

Zum Hintergrund von Apostelgeschichte 15, 1 – 5

Bereits in Apostelgeschichte 12, 24 hatte der Evangelist Lukas die kontinuierliche, von keiner Macht aufzuhaltende Verbreitung des Evangeliums in Kleinasien zusammengefasst.
In Apostelgeschichte 12, 1 ff. wurde uns zuerst von der Hinrichtung des Apostels Jakobus (Verse 1 – 2) auf Befehl des Königs Herodes und von der anschließenden Verhaftung des Apostels Petrus (Vers 3 ff.) berichtet. Letzterer wurde auf wunderbare Weise durch Gottes Eingreifen aus der Gefangenschaft befreit und entkommt dadurch einer Hinrichtung, die König Herodes bereits für ihn vorgesehen hatte. In Apostelgeschichte 12, 18 – 25 folgt dann der Bericht über den Tod des Herodes Agrippa, der ein deutliches Gericht Gottes darstellt.
Während also das Leben des Gottesleugners Herodes ein schnelles Ende findet, bleibt Petrus am Leben und die Ausbreitung des christlichen Glaubens kommt jetzt so richtig “in Fahrt“. Dabei können wir aus der Apostelgeschichte ersehen, dass die christliche Botschaft sowohl bei Menschen aus dem Judentum als auch bei Menschen aus den heidnischen Nationen, die sich nach Erlösung und einer Beziehung zu Gott sehnen, auf offene Herzen trifft.

Bereits in Apostelgeschichte 6, 7 heißt es:

Und das Wort Gottes breitete sich aus und die Zahl der Jünger wurde sehr groß in Jerusalem. Es wurden auch viele Priester dem Glauben gehorsam.“

Und in Apostelgeschichte 9, 31 lesen wir:

“So hatte nun die Gemeinde Frieden in ganz Judäa und Galiläa und Samarien und baute sich auf und lebte in der Furcht des Herrn und mehrte sich unter dem Beistand des Heiligen Geistes.“

Lukas hat also bereits zuvor die unaufhaltsame Ausbreitung des christlichen Glaubens in Jerusalem und darüber hinaus beschrieben.

Zum einen macht er damit deutlich, dass der Siegeszug des Evangeliums trotz der vielfältigen Widerstände, die den Gläubigen begegneten, nicht aufzuhalten ist.
In der kurzen Zeit, in der die christliche Versammlung (= Gemeinde/Kirche) bestand, hatte sie sich bereits mit vielfältigen Anfechtungen und Widerständen auseinandersetzen müssen:

  • Da gab es zum einen die geistlichen Autoritäten des Judentums (Apostelgeschichte 4, 1; Apostelgeschichte 8, 1 – 3; Apostelgeschichte 11, 19), denen die junge christliche Gemeinschaft ein Dorn im Auge war. Um die Christen zu verfolgen, arbeiteten diese religiösen Autoritäten – wenn es sein musste – sogar mit der ihnen verhassten römischen Besatzungsmacht zusammen (Apostelgeschichte 4, 1).
  • Die Römer waren jedoch auch aus eigenen Gründen – das macht Apostelgeschichte 12, 1 – 23 deutlich – daran interessiert, diese “neue Glaubensgemeinschaft“ zu kontrollieren und wenn nötig auszuschalten.
  • Dann hatten die Christen aber auch mit innergemeindlichen Problemen zu kämpfen: In Apostelgeschichte 5, 1 – 11 wird uns berichtet, wie ein Ehepaar – unter dem Schein des Christseins – versuchte, Ansehen und Einfluss in der jungen Gemeinschaft zu gewinnen. Und schließlich lesen wir in Apostelgeschichte 6, 1 ff., wie ethnisch begründete Spannungen unter den Gläubigen für Unruhe sorgten.


Doch alle diese Probleme, Bedrängnisse und Widerstände vermochten es nicht, die Verbreitung der Evangeliumsbotschaft dauerhaft zu verhindern. Gleich nachdem Lukas in Apostelgeschichte 12, 24 zum dritten Mal auf die Ausbreitung des christlichen Glaubens hingewiesen hat, schildert er in Apostelgeschichte 12, 25Apostelgeschichte 16, 5, wie sich das Evangelium in Zypern und Kleinasien Bahn bricht. Nichts kann die Botschaft von der Liebe Gottes, die Seine Geschöpfe erlösen möchte, stoppen. Damit macht der Evangelist auch deutlich, dass der Herr Jesus Christus treu zu den Verheißungen, die Er Seinen Gläubigen gegeben hat, steht und sie einlöst:

“(…) und die Pforten der Hölle sollen sie nicht überwältigen.“

(Matthäus 16, 18)

“(…) aber ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen, der auf euch kommen wird, und werdet meine Zeugen sein in Jerusalem und in ganz Judäa und Samarien und bis an das Ende der Erde.“

(Apostelgeschichte 1, 8)

In Apostelgeschichte 13, 13Apostelgeschichte 14, 21 schildert der Evangelist dann die Missionsarbeit der Apostel Paulus und Barnabas im südlichen Teil der Provinz Kleinasien. Danach kehrten die Apostel wieder nach Antiochien in Syrien, ihrer “Missionsbasis“, zurück (Apostelgeschichte 14, 21 – 28). Der Schwerpunkt der 15. kapitels der Apostelgeschichte widmet sich dann dem so genannten “Konzil von Jerusalem“ (Apostelgeschichte 15, 1 – 35). Wie geschildert, wuchs die Versammlung (= Gemeinde/Kirche) rasant. Viele Menschen kamen zum Glauben an den Herrn Jesus Christus als ihren Erlöser. Unter diesen Menschen war auch eine beständig wachsende Anzahl von Gläubigen aus dem Heidentum. Dieses erfreuliche Wachstum führte aber auch zu neuen Fragen, die es zu beantworten galt: In welcher Beziehung standen diese Gläubigen aus dem Heidentum zu den Gläubigen aus dem Judentum? Mussten Heiden erst Juden werden, also sich beschneiden lassen und das mosaische Gesetz halten, ehe sie Christen werden konnten? Waren Gläubige aus dem Judentum und Gläubige aus dem Heidentum zwei zu unterscheidende Gruppen des einen Christentums oder Einheit? Der Klärung dieser wichtigen Fragen sollte das “Konzil von Jerusalem“ dienen. Lukas beschreibt es in diesem Kapitel so ausführlich, um die Bedeutung dieses Ereignisses in der Geschichte der Versammlung (= Gemeinde/Kirche) zu unterstreichen. Viele Kommentatoren sind davon überzeugt, dass es kein Zufall ist, dass dieses Kapitel das strukturelle Zentrum des  Buches der Apostelgeschichte bildet, da sie es auch für das theologische Zentrum der Apostelgeschichte halten. In Apostelgeschichte 15, 1 – 5 macht uns Lukas mit den Geschehnissen bekannt, die dem eigentlichen “Konzil“ vorausgingen. 

Anmerkungen zu Apostelgeschichte 15, 1 – 5

* “Und einige kamen von Judäa herab und lehrten die Brüder: Wenn ihr nicht beschnitten werdet nach der Weise Moses, so könnt ihr nicht errettet werden.“ – Apostelgeschichte 15, 1 – Gleich zu Beginn des Kapitels wird ie Problematik thematisiert, um die es dann im weiteren Verlauf gehen wird: Unter den Gläubigen treten Männer auf, die die Beachtung des mosaischen Gesetzes als Voraussetzung der Errettung lehren. Die Betonung ihrer Lehre liegt insbesondere auf der Beschneidung, was nachvollziehbar ist, da die Beschneidung im Judentum den Beginn des Bundesschlusses Gottes darstellte (1. Mose 17, 14) und Nichtjuden nur durch diese Handlung in den Bund Gottes mit Israel aufgenommen werden konnten (2. Mose 12, 48 – 49).  Doch diese Lehre wertete die Erlösung, die durch Jesus Christus zu den Menschen gekommen war, ab, denn sie behauptete, dass das Werk Jesu Christi am Kreuz nicht ausreichend sei, um einen Menschen zu erlösen. Wir stoßen hier auf ein klassisches Beispiel der Werksgerechtigkeit, die durch das Neue Testament als falsch und gegen das Evangelium Jesu Christi gerichtet verurteilt wird (vgl. Römer 3, 21 – 28; Galater 2, 16; Galater 3, 2 – 10; Epheser 2, 8 – 10 u.a.m.).  In der ersten Zeit des Christentums – vor dem im Apostelgeschichte 15 geschilderten Konzil – gab es sogar unter den Aposteln noch Tendenzen in diese Richtung (vgl. Galater 2, 11 – 21 – Petrus -; Apostelgeschichte 15, 24). Nach den drei vorausgegangenen Krisen der jungen Gemeinschaft (dem Betrug Annanias und   Sapphiras in Apostelgeschichte 5),  der Unruhe in der Versammlung (= Gemeinde) in Jerusalem wegen der hebräischen Witwen (Apostelgeschichte 6), und dem betrügerischen Verhalten des Simon (Apostelgeschichte 8) ist diese vierte Krise wohl die entscheidenste, sollte sich doch in ihrem Ausgang die lehrmäßige Ausrichtung der jungen Gemeinschaft entscheiden.

* “Als aber ein Zwiespalt entstand und ein nicht geringer Wortwechsel zwischen ihnen und Paulus und Barnabas, ordneten sie an, dass Paulus und Barnabas und einige andere von ihnen zu den Aposteln und Ältesten nach Jerusalem hinaufgehen sollten wegen dieser Streitfrage.“ – Apostelgeschichte 15, 2 – Es überrascht daher nicht, dass diese Situation zu heftigen Auseinandersetzungen führte. Im Anschluß beschloss die Versammlung (= Gemeinde) in Antiochien, dass Paulus, Barnabas und einige andere Gläubige aus Antiochien nach Jerusalem hinaufziehen sollten, um dort die Thematik mit den anderen Aposteln und Ältesten zu erörtern. Dr. Craig Keener, der diese Thematik ausführlich in seinem Kommentar zur Apostelgeschichte behandelt, verweist darauf, dass die Versammlung in Jerusalem die Missionsarbeit der Versammlung in Antiochia zuvor anerkannt und unterstützt hatte (vgl. Apostelgeschichte 11, 22 – 23). Es war daher nur natürlich, dass die Gläubigen in Antiochien nun diese Männer nach Jerusalem sandten, um ihre Lehre und ihren Dienst dort noch einmal vorstellen und so eine erneute Bestätigung und Unterstützung erwirken zu können¹.

* “Nachdem sie nun von der Versammlung das Geleit erhalten hatten, durchzogen sie sowohl Phönizien als auch Samaria und erzählten die Bekehrung derer aus den Nationen; und sie machten allen Brüdern große Freude.“ – Apostelgeschichte 15, 3 – Ganz offensichtlich besuchten die von der Versammlung in Antiochien nach Jerusalem  gesandten Männer auf ihrem Weg dorthin Gläubige in Phönizien und auch in Samaria.  Es ist vorstellbar, dass die Abordnung aus Antiochien, auf dieser mehrere Tage dauernden Reis in den Versammlungen, die auf diesem Weg lagen, zu Gast waren und übernachteten. Hätten sie als Juden die Gastfreundschaft von Samaritanern nicht angenommen, so hatte der Glaube an den Herrn Jesus Christus nun alle durch die Volkszugehörigkeit errichteten Barrien niedergebrochen. Dort berichteten sie von dem, was Gott auf ihren vorausgegangenen Missionsreisen unter den Menschen aus den Nationen getan hatte. Die Reaktion war große Freude bei denen, die davon hörten, denn an dem, was Gott getan hatte und noch tat, wurde sichtbar, dass Er Seine Verheißungen und damit auch Seinen Heilsplan erfüllte. Insbesondere Samaria war schon früh mit dem Evangelium in Kontakt gekommen (vgl. Apostelgeschichte 8, 1 ff.). Die dort entstandenen Versammlungen waren ebenfalls gemischte oder rein samaritanische Versammlungen, so dass diese Gläubigen ebenfalls ein großes Interesse an den in Jerusalem zu klärenden Themen haben mussten. Es ist anzunehmen, dass die Gesandtschaft den Weg durch Samaria aus diesem Grund bewusst wählte. Denn um durch Samaria ziehen zu können, mussten sie in Inlandroute nehmen, die mit größeren Strapazen verbunden war, wenn man die Straße am Meer entlang gewählt hätte.

* “Als sie aber nach Jerusalem gekommen waren, wurden sie von der Versammlung und den Aposteln und den Ältesten aufgenommen, und sie berichteten alles, was Gott mit ihnen getan hatte.“ – Apostelgeschichte 15, 4 – Als die Gesandtschaft aus Antiochien dann in Jerusalem ankam, wurde sie dort freundlich aufgenommen und konnte dort Zeugnis von dem ablegen, was Gott unter den heidnischen Nationen getan hatte. Es ist bemerkenswert, dass Lukas hier betont, dass es etwas sein, dass “Gott mit ihnen getan hate“. Der Evangelist betont auf diese Weise, dass das, was unter den heidnischen Nationen geschehen war, Gottes Werk war und seinen Grund nicht in den Wünschen oder Plänen der Gläubigen aus Antiochien hatte.

* “Einige aber von denen aus der Sekte der Pharisäer, die glaubten, traten auf und sagten: Man muss sie beschneiden und ihnen gebieten, das Gesetz Moses zu halten.“ – Apostelgeschichte 15, 5 – Doch auch in Jerusalem stehen schon andere Mächte auf dem Plan. Es gibt unter den Gläubigen in Jerusalem einige, die Pharisäer gewesen, dann aber zum Glauben an den Herrn Jesus Christus gekommen waren. Doch ganz offensichtlich hatten diese Menschen das Evangelium noch nicht vollkommen erfasst, denn sie bestehen auch jetzt noch darauf, dass jene, die aus den heidnischen Nationen zum Glauben kommen, beschnitten werden müssten und das Gesetz des Mose zu halten hätten. Das erneute Auftreten solcher Vertreter des Gesetzes – und damit der Werksgerechtigkeit – führt dazu, dass (siehe Vers 6) eine größere Beratung aller in Jerusalem anwesenden Verantwortlichen anberaumt wird. Im Verlauf dieser Beratung sollte erörtert werden, was das Evangelium Jesu Christi über die zu Rede stehenden Themen sagte.

Fußnoten:

¹= Dr. Craig S. Keener, PhD, Duke University; F. M. and Ada Thompson Professor of Biblical Studies at Asbury Theological Seminary in Wilmore, Kentucky: “Acts: An Exegetical Commentary : Volume 3: 15:1-23:35“, Baker Academic, Grand Rapids, Michigan/USA,

 

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