
Papyrus 46 mit dem Text von 2. Korinther 11, 33 – 12, 9 * Foto: Heycos via Wikimedia Commons (https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:P46.jpg)
Der Bibelvers, der der Wortverkündigung am Mittwoch dieser Woche zugrunde liegen soll, ist dem 2. Korintherbrief (zum Hintergrund des 2. Korintherbriefes siehe: Klick!) entnommen und wird nachfolgend in seinem Kontext betrachtet:
„Zu rühmen nützt mir wahrlich nicht; ich will aber auf Gesichte und Offenbarungen des Herrn kommen. Ich kenne einen Menschen in Christus, vor vierzehn Jahren (ob im Leib, weiß ich nicht, oder außerhalb des Leibes, weiß ich nicht, Gott weiß es), einen Menschen, der entrückt wurde bis in den dritten Himmel. Und ich kenne einen solchen Menschen (ob im Leib oder außerhalb des Leibes, weiß ich nicht, Gott weiß es), dass er in das Paradies entrückt wurde und unaussprechliche Worte hörte, die ein Mensch nicht sagen darf. Über einen solchen werde ich mich rühmen; über mich selbst aber werde ich mich nicht rühmen, es sei denn der Schwachheiten. Denn wenn ich mich rühmen will, werde ich nicht töricht sein, denn ich werde die Wahrheit sagen. Ich enthalte mich aber dessen, damit nicht jemand höher von mir denke als das, was er an mir sieht oder was er von mir hört. Und damit ich mich nicht durch das Übermaß der Offenbarungen überhebe, wurde mir ein Dorn für das Fleisch gegeben, ein Engel Satans, damit er mich mit Fäusten schlage, damit ich mich nicht überhebe. Für dieses flehte ich dreimal zum Herrn, damit er von mir abstehen möge. Und er hat zu mir gesagt: Meine Gnade genügt dir, denn meine Kraft wird in Schwachheit vollbracht. Daher will ich mich am allerliebsten viel mehr meiner Schwachheiten rühmen, damit die Kraft des Christus über mir wohne. Deshalb habe ich Wohlgefallen an Schwachheiten, an Schmähungen, an Nöten, an Verfolgungen, an Ängsten für Christus; denn wenn ich schwach bin, dann bin ich stark.„
(2. Korinther 12, 1 – 10 ELBEDHÜ; z. Vgl. LUTH’84)
Zur Situation der Christen in Korinth
Um den gelesenen Text besser verstehen zu können, rufen wir uns die Situation der Christen in Korinth, an die der Apostel Paulus diese Zeilen schrieb, ins Gedächtnis. Die Geschichte der Christen in Korinth ist auch eine Geschichte von Problemen unterschiedlichster Art:
Die Versammlung (= Gemeinde) in Korinth war im Rahmen der Missionstätigkeit des Apostels Paulus entstanden und die Anfänge dieser Arbeit in Korinth waren ermutigend gewesen. Später traten jedoch zahlreiche Probleme auf. An anderer Stelle habe ich diese Entwicklung bereits kurz skizziert: Während sich der Apostel Paulus im Rahmen seiner dritten Missionsreise in Ephesus aufhielt, erreichten ihn beunruhigende Nachrichten. Jene Streitfragen in Korinth, von denen ihm Gläubige berichtet hatten und die er durch seinen zweiten Brief (unseren 1. Korintherbrief) zu lösen versucht hatte, waren noch immer nicht beigelegt. Daraufhin besuchte er die Gläubigen in Korinth erneut (2. Korinther 2, 1; 2. Korinther 12, 14; 2. Korinther 13, 1 – 2). Diesen Besuch bezeichnet er als “schmerzhaft”, denn selbst durch seine Anwesenheit konnten nicht alle Konflikte geschlichtet werden (2. Korinther 2, 5 – 8; 2. Korinther 7, 12).
Nach Ephesus zurückgekehrt, schrieb Paulus dann einen weiteren, sehr ernsten Brief, den er den Korinthern durch Titus und einen weiteren Bruder überbringen ließ (2. Korinther 2, 3 – 4; 2. Korinther 7, 8 – 12; 2. Korinther 12, 18). Dieser Brief ist uns nicht überliefert worden. Mit großer Spannung erwartete der Apostel dann die Rückkehr seines Mitarbeiters und dessen Bericht. Doch aufgrund von Verfolgung musste Paulus Ephesus verlassen (Apostelgeschichte 20, 1) und einige Zeit in Troas Station machen. Anschließend reiste er dann Richtung Mazedonien, um auf diesem Weg Titus zu treffen (2. Korinther 2, 12 – 13). Dieser überbrachte dem Apostel positive Nachrichten: Die Mehrheit der Gläubigen in Korinth war von ihren falschen Wegen umgekehrt (2. Korinther 7, 6 – 16; 2. Korinther 2, 5 – 11). Nur wenige in Korinth lehnten den Dienst und Hilfe durch Paulus noch immer ab (2. Korinther 10, 1 — 13, 10). Daraufhin schrieb der Apostel den Gläubigen in Korinth einen weiteren Brief und dies ist der Brief, den wir als 2. Korintherbrief kennen. In diesem Brief geht Paulus auf die – restlichen – noch bestehenden Probleme in Korinth ein. Im vierten großen Abschnitt dieses Briefes (2. Korinther 10, 1 – 13, 10) greift er noch einmal die Beschwerden über seinen Dienst auf und verteidigt diesen. Dabei stellt er die fleischlichen Vorstellungen, die einige Korinther bzgl. des geistlichen Dienstes hegten (immer gesund, dauernd Wunder wirkend, nie verfolgt), den wirklichen Erfahrungen des geistlichen Dienstes gegenüber (hohe Offenbarungen Gottes begleitet von menschlicher Schwachheit, die vor Überhebung schützt). In diesem Zusammenhang müssen wir auch die von uns im Folgenden zu betrachtenden Verse verstehen.
Kurze Anmerkungen zu 2. Korinther 12, 1 – 10
* “Zu rühmen nützt mir wahrlich nicht; ich will aber auf Gesichte und Offenbarungen des Herrn kommen.“ – 2. Korinther 12, 1 – Paulus wird in dem mit diesem Vers beginnenden Abschnitt zur Verteidigung seines geistlichen Dienstes auf die hohen Offenbarungen, die Gott ihm geschenkt hat, Bezug nehmen. Seine Gegner in Korinth forderten eine so geartete Bestätigung (2. Korinther 3, 1 ff.; 2. Korinther 5, 12 – 13) für die Autorität seines geistlichen Dienstes und er war bereit darüber zu sprechen. Doch gleichzeitig macht er deutlich, dass dies “ihm nichts nützt“. Warum? Nun, wenn Gott einem Menschen eine besondere Offenbarung schenkt, so ist dies ein Gnadengeschenk Gottes. Nirgendwo in der Heiligen Schrift lesen wir, dass wir etwas dazu tun könnten, um eine solche Offenbarung zu empfangen, geschweige denn dass Gott durch irgendein menschliches Handeln dazu veranlasst oder gar gezwungen werden könnte. Jede Offenbarung Gottes ist ein souveränes Gnadenhandeln des Allmächtigen. Während sich also die Gegner des Paulus ihrer angeblichen Offenbarungen rühmten, macht der Apostel deutlich, dass selbst echte Offenbarungen kein Zeichen dafür sind, dass der Empfänger einer solchen Offenbarung “etwas Besonderes“ sei. Denn jede wahre Offenbarung Gottes entspringt Seiner Gnade (Römer 9, 16).
Paulus spricht hier von “Gesichten“ (Visionen) und “Offenbarungen“. Gesichte/Visionen sind uns aus den Büchern der alttestamentarischen Propheten gut bekannt (vgl. Jesaja 6, 1; Hesekiel 1, 1 u.a.m.) Alle diese prophetischen Gesichte waren Offenbarungen, aber nicht alle Offenbarungen, die Gott schenkte, waren auch gleichzeitig Gesichte/Visionen.
Gott hatte Paulus hatte zu verschiedenen Zeiten solche Visionen und Offenbarungen geschenkt: Zuerst sah er den verherrlichten und erhöhten Herrn Jesus Christus, was zu seiner Bekehrung führt (vgl. Apostelgeschichte 9, 3; Apostelgeschichte 22, 6). Er hatte auch eine Vision, in der er sah, wie der Jünger Ananias zu ihm kam und ihm diente (vgl. Apostelgeschichte 9, 12). Als er später in Jerusalem im Tempel betete, schenkte Gott ihm eine weitere Vision, in der der Herr zu ihm sprach und ihn berief (vgl. Apostelgeschichte 22, 17 – 18). Gott hatte seinen Diener auch während vieler Reisen und Dienste auf diese Weise geleitet. So hatte Er ihn mittels einer Vision nach Mazedonien geführt (vgl. Apostelgeschichte 16, 9). Auch während einer sehr schweren Phase seines Dienstes in Korinth hatte Gott den Apostel mittels einer Vision ermutigt (vgl. Apostelgeschichte 18, 9 – 10). Auch nachdem der Apostel gefangen genommen worden war schenkte ihm Gott durch eine Vision Ermutigung (Apostelgeschichte 23, 11). Und schließlich sandte Gott ihm inmitten eines schweren Sturms auf hoher See einen Engel, der ihm versicherte, dass er diesen Sturm überleben würde (vgl. Apostelgeschichte 27, 23). Gott schenkte seinem Diener daneben aber auch Offenbarungen, die Sein Wort betrafen. So offenbarte Er ihm insbesondere das Geheimnis, dass die Versammlung (= Gemeinde/Kirche), der Leib Christi, auch Gläubigen aller Nationen inkl. Israels, bestehen würde (vgl. Epheser 3, 1 – 13).
Dieses Wirken Gottes war ganz in Übereinstimmung mit den zwei Verheißungen, die der Herr Jesus Christus Seinen Jüngern gegeben hatte:
”Der Sachwalter aber, der Heilige Geist, den der Vater senden wird in meinem Namen, der wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe.”
Diese Verheißung erfüllte sich zum einen, als die Evangelisten Seine Worte und Taten in den Evangelien und der Apostelgeschichte niederschrieben (”an alles erinnern”). Zum anderen dann, als die Apostel in ihren Briefen die ”Lehre des Christus” (2. Johannes 9) niederlegten.
Die zweite diesbezügliche Verheißung finden wir in Johannes 16, 13:
”Wenn aber jener, der Geist der Wahrheit, gekommen ist, wird er euch in die ganze Wahrheit leiten; denn er wird nicht von sich selbst aus reden, sondern was er hören wird, wird er reden, und das Kommende wird er euch verkündigen.”
Diese Verheißung erfüllte sich in den prophetischen Aussagen der Evangelien, der apostolischen Briefe und insbesondere im Buch der Offenbarung. Daraus schließen wir, dass das gesamte Neue Testament das vom Geist Gottes eingegebene Wort Gottes ist. Dabei fiel es dem Apostel Paulus zu, das Wort Gottes in Bezug auf die Lehre zu vollenden (Kolosser 1, 25), wohin gegen es die Aufgabe des Apostels Johannes war, mit dem von ihm empfangenen prophetischen Buch den biblischen Kanon abzuschließen (Offenbarung 22, 18 – 19).
Darüber hinausführende Offenbarungen oder so genanntes ”neues Licht”, sind uns nicht verheißen. Ganz im Gegenteil, wir werden ausdrücklich davor gewarnt, irgendeiner Lehre oder Verkündigung zu folgen, die über die Lehre des Christus hinausgeht:
”Jeder, der weitergeht und nicht in der Lehre des Christus bleibt, hat Gott nicht; wer in der Lehre bleibt, dieser hat sowohl den Vater als auch den Sohn. Wenn jemand zu euch kommt und diese Lehre nicht bringt, so nehmt ihn nicht ins Haus auf und grüßt ihn nicht. Denn wer ihn grüßt, nimmt teil an seinen bösen Werken.”
Es gibt viele theologische Systeme und Anschauungen, die die göttliche Inspiration des Neuen Testaments leugnen. Nach den Worten des Apostels Johannes (1. Johannes 4, 6) ist dies ein (weiteres) Prüfkriterium, um Wahrheit und Irrtum unterscheiden zu können: ”Wir sind aus Gott; wer Gott erkennt, hört uns; wer nicht aus Gott ist, hört uns nicht. Hieraus erkennen wir den Geist der Wahrheit und den Geist des Irrtums.” Wer aus Gott geboren ist und Gott erkennt, der anerkennt auch das, was Er uns durch die Apostel und Propheten des Neuen Testaments geoffenbart hat.
Gott schenkte Paulus neben diesen Offenbarungen auch ein tiefgreifendes Verständnis Seines Planes für das gegenwärtige Gnadenzeitalter. Das macht die in seinen Briefen niedergelegte Lehre deutlich.
* “Ich kenne einen Menschen in Christus, vor vierzehn Jahren (ob im Leib, weiß ich nicht, oder außerhalb des Leibes, weiß ich nicht, Gott weiß es), einen Menschen, der entrückt wurde bis in den dritten Himmel. Und ich kenne einen solchen Menschen (ob im Leib oder außerhalb des Leibes, weiß ich nicht, Gott weiß es), dass er in das Paradies entrückt wurde und unaussprechliche Worte hörte, die ein Mensch nicht sagen darf.“ – 2. Korinther 12, 2 – 4 – Die Offenbarung, auf die Paulus nun zu sprechen kommt, ist uns aber weder aus den Apostelgeschichte, noch aus seinen anderen Briefen bekannt. Er spricht hier in der dritten Person von sich selbst, wenn er sagt, er kennen “einen Menschen“, der eine ganz besondere Offenbarung gehabt hätte. Er tut dies aufgrund eines starken Widerwillens, sich selbst “ins Rampenlicht“ zu stellen. Denn, wie wir einleitend gesehen haben, sind alle Offenbarungen Gnadengeschenke Gottes und dürfen daher nie dazu führen, ihren Empfänger groß zu machen.
Wenn Paulus hier davon spricht, dass dieses Ereignis 14 Jahre zurück liegt, dann mag dies ungefähr in das Jahr 42/43 n. Chr. deuten. (Die Entstehung des 2. Korintherbriefs wird in das Jahr 56 n. Chr. datiert.) Nach Ansicht verschiedener Kommentatoren scheint dieses Ereignis in den Lebensabschnitt des Paulus zwischen seiner Abreise aus Tarsus (Apostelgeschichte 9, 30) und dem Zusammentreffen von Barnabas und Paulus in Apostelgeschichte 11, 25 – 26 gelegen zu haben.
Im Rahmen dieser ihm zuteil gewordenen Offenbarung wurde der Apostel in den dritten Himmel entrückt (Apostelgeschichte 8, 39; 1. Thessalonicher 4, 17). Die Heilige Schrift unterscheidet drei Himmel: Den ersten Himmel (1. Mose 1, 8), unseren Sternenhimmel. Dann den zweiten Himmel (Epheser 3, 10), der gegenwärtig ein Ort ist, an dem sich die “Fürstentümer und Gewalten“, die “Weltbeherrscher dieser Finsternis“, die “geistlichen Mächte der Bosheit in den himmlischen Örtern“ aufhalten (Epheser 6, 12; Epheser 2, 2) Und schließlich den dritten Himmel (2. Korinther 12, 2), d.h. jener Himmel, der der Wohnort Gottes ist, von dem aus Gott herrscht. Es ist ein Ort größter Herrlichkeit, Schönheit und Freude. Aus diesem Grund bezeichnet der Apostel ihn auch als Paradies. Er konnte jedoch nicht sagen, in welchem Zustand diese Entrückung stattgefunden hatte (“ob im Leib, weiß ich nicht, oder außerhalb des Leibes, weiß ich nicht“ – entweder war es eine wirkliche Entrückung seiner ganzen Person oder es war eine Vision, die ihm den Eindruck einer solchen vermittelte; vgl. Hesekiel 8, 1 ff.; Offenbarung 1, 10; Offenbarung 4, 2; Offenbarung 17, 3; Offenbarung 21, 10). Doch das war auch nicht weiter wichtig, denn “Gott weiß es“. Viel entscheidender war die Botschaft, die Paulus bei dieser Gelegenheit von Gott empfangen hatte. Es handelte sich um eine persönliche Botschaft und Gott gestattete ihm – wie wir hier erfahren – nicht, sie öffentlich zu machen (“unaussprechliche Worte hörte, die ein Mensch nicht sagen darf“). Das griechische Wort “ἄρῥητος“ (“arrhetos“) kann bedeuten, dass Worte nicht gesagt/gesprochen werden bzw. dass Worte aufgrund ihrer besonderen Heiligkeit nicht ausgesprochen werden können. Wir können jedoch davon ausgehen, dass diese Botschaft Paulus in seinem Glauben ganz besonders stärkte und er dadurch zu erkannte, dass seine gegenwärtigen Leiden angesichts der zukünftigen Herrlichkeit nicht ins Gewicht fielen (vgl. Römer 8, 18).
Ausleger weisen darauf hin, dass dieser “Mensch“, der diese wunderbare Erfahrung der Entrückung in den “dritten Himmel“ gemacht hatte, derselbe Mensch war, der erst kurz zuvor aus Damaskus fliehen und dazu mittels eines Korbes durch ein Fenster in der Stadtmauer heruntergelassen werden musste (2. Korinther 11, 32 – 33). Demütigende Erfahrungen (i.S.v. Erniedrigungen) und erhebende Offenbarungen Gottes können also nahe beieinander liegen (vgl. dazu auch das Beispiel unseres Herrn Jesus Christus in Philipper 2, 5 – 11).
* “Über einen solchen werde ich mich rühmen; über mich selbst aber werde ich mich nicht rühmen, es sei denn der Schwachheiten. Denn wenn ich mich rühmen will, werde ich nicht töricht sein, denn ich werde die Wahrheit sagen. Ich enthalte mich aber dessen, damit nicht jemand höher von mir denke als das, was er an mir sieht oder was er von mir hört.“ – 2. Korinther 12, 5 – 6 – Wenn Paulus hier sagt, dass er sich über “einen solchen (…) rühmen (werde); über mich selbst aber werde ich mich nicht rühmen, es sei denn der Schwachheiten“, dann bedeutet dies, dass er sich dieser selbst wegen dieser besonderen Offenbarung nicht rühmen wollte. Da gab es ja auch, wie wir eingangs gesehen haben, nichts zu rühmen.
Hätte Paulus diese Erfahrung “an die große Glocke gehängt“, dann hätte dies aus ihm schnell einen geistlichen “Superstar“ machen können. (Heute ist allein das Internet voll von Menschen, die sich besonderer Offenbarungen rühmen und viele, die meinen, sie – oder ein Angehöriger von ihnen – hätten eine besondere Offenbarung gehabt, veröffentlichen diese sogleich als Buch bzw. lassen ihr Leben von Hollywood verfilmen. Nichts könnte, dies lernen wir aus 2. Korinther 12, 1 – 10, besser bestätigen, dass es sich dabei um falsche Offenbarungen und geistliche Hochstapler handelt.¹) Paulus hingegen war sich nicht nur der Heiligkeit dieser Offenbarung, sondern auch der Gnade, die sie darstellte, bewusst. Sie war ein Geschenk Gottes, dessen er sich nicht rühmen konnte. Neben diesem Gnadenakt Gottes verblasste alles menschliche Sein und Können. Darum entschied er sich, sich vielmehr seiner Schwachheiten zu rühmen. Warum? Weil dadurch die Gnade Gottes in den Fokus seiner Leser gerückt wurde! Gott, nicht Paulus – das war der Mittelpunkt des Lebens und der Lehre des Apostels. Das war auch die einzig wirkliche geistliche Ausrichtung, die ein Gläubiger haben konnte bzw. kann und sie stand damit diametral zu dem Verhalten und den Ansprüchen jener Gegner (“Superapostel“/“Überapostel“/“hohe Apostel“ [ὑπερλίαν ἀποστόλων], so nennt Paulus sie in 2. Korinther 11, 5) in Korinth. Nicht den sterblichen, vollkommen von Gott abhängigen Menschen gilt es zu erheben, geschweige denn zu verherrlichen, sondern allein Gott. Das wäre absolut töricht. Das griechische Wort “ἄφρων“ (“aphron“) hat die Bedeutung von dumm, töricht, ohne Intelligenz, ungebildet, dumm, sinnlos. Gott, dem wir alles verdanken und ohne den wir nichts sind, soll verherrlicht, d.h. groß gemacht werden. Wo immer Menschen sich im Kontext des Christentums in den Mittelpunkt drängen, da offenbaren sie also nur, wie wenig sie von Gott und Seiner Gnade begriffen haben. Oder, um mit den Worten des Apostels Paulus zu sprechen, wie “töricht“ sie sind.
* “Und damit ich mich nicht durch das Übermaß der Offenbarungen überhebe, wurde mir ein Dorn für das Fleisch gegeben, ein Engel Satans, damit er mich mit Fäusten schlage, damit ich mich nicht überhebe.“ – 2. Korinther 12, 7 – Damit die besonderen Offenbarungen für Paulus nicht zu einem Grund für Überheblichkeit wurden, hatte Gott es zugelassen, dass der Apostel durch andere Lebenserfahrungen “geerdet“ blieb. Gott ließ verschiedene Arten von Leiden und Schwierigkeiten im Leben seines Dieners zu, um ihn so vor der Gefahr des Hochmuts/Stolzes zu bewahren (vgl. 1. Mose 3, 5; Hesekiel 28, 2 ff.) Paulus bezeichnet dieses Leiden als einen “Dorn“ (i.S. eines (Holz-)pfahls) im Fleisch. Obwohl dieser “Dorn“/Pfahl“ schmerzhaft war und ihn beständig an seine menschlichen Begrenzungen erinnerte, ist Paulus sich der Tatsache bewusst, dass Gott ihn auf diese Weise vor der Gefahr des Hochmuts/Stolzes bewahrt. Dieser “Dorn“/“Pfahl“ war keine Strafe, er war ein Schutz, der sein Leben in der richtigen “Balance“ hielt. Damit macht Paulus auch deutlich, wie kindisch, ja ungeistlich, das “hochgeistliche“ Gehabe seiner Gegner in Korinth war. Sie vertraten einen “Triumpfahlismus“, der durch die Lehre des Wortes Gottes nicht belegbar war. Ihr Leben war ein ständig “Halleluja!“. Schon hier auf Erden meinten sie, alle Herrlichkeit Gottes zu besitzen und genießen zu können. Nach ihrer Lehre war kein Problem, keine Krankheit, keine Not unüberwindlich. Doch das hatten weder der Herr Jesus Christus (vgl. Johannes 16, 33), noch die wirklich von Ihm gesandten Apostel (vgl. Römer 8, 17; 2. Timotheus 2, 11 – 12; 1. Petrus 4, 19; Hebräer 13, 3; Offenbarung 2, 10) gelehrt.
Wahrhaft geistlicher Dienst teilt auf dieser Erde die Verwerfung des Sohnes Gottes (vgl. Galater 6, 14) und auf diese Weise auch Seine Leiden. Echte geistliche Kraft wird in der Abhängigkeit von Gott gefunden, nicht in Zeichen und Wundern. In einem wirklich geistlichen Dienst ist kein Platz für menschliche Anmaßung. Ganz im Gegenteil: Selbsterhöhung ist ein Zeichen des antichristlichen Geistes (vgl. 2. Thessalonicher 2, 4). Aus diesem Grund spricht Paulus im Zusammenhang mit der besonderen Offenbarung, die Gott ihm gab auch nicht direkt von sich, sondern von “einem Menschen“. Er wollte nicht, dass die Gläubigen in Korinth höher von ihm dachten, nur weil er diese Offenbarung empfangen hatte.
Die Aussagen des Apostels über diesen “Dorn“/“Pfahl“ im Fleisch lassen für uns keine Rückschlüsse zu, was wir darunter genau zu verstehen haben. Es kann sich um eine körperliche Krankheit gehandelt haben (vgl. Galater 4, 13 – 15). Jedoch ist auch möglich, dass es sich dabei um eine geistliche Bedrängnis gehandelt hat. Ich glaube, dass Gott diese Frage hier bewusst offen gelassen hat. Entscheidend ist nicht, durch welches Mittel Er Seinen Diener bewahrte, sondern vielmehr, dass Er es tat. Paulus bezeichnet diesen “Dorn“/“Pfahl“ auch als “ein(en) Engel Satans“ und stellt dadurch die Verbindung zu dem Leiden des Hiob her (vgl. Job 2, 1 – 10). Auch Hiob musste Leiden erdulden, obwohl er gerecht war. Dieses Leiden war eine Erprobung, die Gott zuließ. Dieser Hintergrund des Leidens Hiobs war dessen Frau und dessen Freunden jedoch verborgen. Sie sahen im Leiden dieses Mannes eine Strafe Gottes und lagen aufgrund ihres fehlenden geistlichen Unterscheidungsvermögens mit ihrem Urteil “völlig daneben“. Genauso falsch lagen auch die Gegner des Paulus in Korinth, die in ihrer triumphalistischen Überheblichkeit meinten, die Leiden und Bedrängnisse des Paulus seien ein Zeichen dafür, dass Gott ihn nicht berufen habe (“Wenn du nur richtig/wirklich glauben würdest, dann würdest du auch nicht leiden/krank/arbeitslos sein.“)
Unabhängig von dem, was Menschen denken, macht Paulus hier deutlich, dass im Leben des Christen alle Dinge von Gott zu Gunsten des Gläubigen eingesetzt werden und zum Guten dienen muss (Römer 8, 28).
* “Für dieses flehte ich dreimal zum Herrn, damit er von mir abstehen möge.“ – 2. Korinther 12, 8 – Dreimal hatte sich der Apostel im Gebet an Gott gewandt². Das zeigt, wie stark die Bedrängnis gewesen sein muss, unter der der Apostel litt. Wir finden eine ähnliche Gebetssituation im Garten Gethsemane, wo der Herr Jesus Christus (ebenfalls dreimal) vor Seiner Kreuzigung betete (vgl. Matthäus 26, 39 ff.) Doch Gott ließ es zu, dass diese Bedrängnis im Leben des Paulus anhielt. Der Schutz Seines Dieners vor der Gefahr des Hochmuts/Stolzes war wichtiger, als dessen Wohlbefinden.
Wenn Gott in unserem Leben Leiden oder Bedrängnis zulässt, dann können wir auf verschiedene Weise damit umgehen:
Zuerst einmal müssen wir unterscheiden, ob es sich bei den Schwierigkeiten, die wir erleben, um eine Anfechtung durch den Feind Gottes und der Menschen handelt, der wir widerstehen sollen (vgl. Epheser 6, 10 ff.; Jakobus 4, 4; 1. Petrus 5, 8 – 9) oder ob diese Dinge von Gott zu unserem Besten zugelassen werden (vgl. 2. Petrus 12, 1 ff.) Um das herauszufinden,müssen wir Gott im Gebet fragen und Seine Führung durch Sein Wort erwarten. Er wird uns nicht im Ungewissen lassen und uns zeigen, wie wir mit der jeweiligen Situation umgehen sollen (vgl. 1. Korinther 12, 9). Sehr viel Unwissenheit, Verwirrung und Chaos im Leben von Gläubigen hat seinen Grund darin, dass viel zu selten die Führung Gottes für solche Situationen im Gebet gesucht wird. Gott möchte Seinen Kindern immer nahe sein und steht uns mit Seiner Hilfe beständig zur Seite. Aber für viele ist der Griff zum nächsten “christlichen“ Selbsthilfe-Ratgeber im Bücherregal naheliegender, als der Gang auf die Knie und ins Gebet. Wieviel göttliche Hilfe und himmlischer Segen gehen auf diese Weise verloren!
Wenn wir herausgefunden haben, welche Ursache unsere Bedrängnisse haben, dann ist es wichtig zu entscheiden, wie wir damit umgehen. Immer wieder werden Gläubige bitter, weil Gott ihnen angeblich keine Freiheit und kein Vergnügen zugesteht. Andere wiederum nehmen die Herausforderung dieser geistlichen Übungen, d.h. Gott im Gebet zu suchen und auf Seine Führung zu warten, gar nicht erst an und geben einfach auf. Sie verlieren damit auch jegliche Möglichkeit, den Segen, den Gott ihnen in genau dieser Situationen schenken möchte, zu erleben. Wieder andere vertreten die Meinung, dass sie einfach alle Kräfte zusammen nehmen und stur durchhalten müssen. Doch eine solche Einstellung, die meint, geistlichen Herausforderungen mit menschlicher Kraft begegnen zu können, endet in der Regel mit Burnout auf menschlicher und geistlicher Ebene.
Gott hat einen ganz anderen, viel besseren Weg für uns vorgesehen.
* “Und er hat zu mir gesagt: Meine Gnade genügt dir, denn meine Kraft wird in Schwachheit vollbracht. Daher will ich mich am allerliebsten viel mehr meiner Schwachheiten rühmen, damit die Kraft des Christus über mir wohne. Deshalb habe ich Wohlgefallen an Schwachheiten, an Schmähungen, an Nöten, an Verfolgungen, an Ängsten für Christus; denn wenn ich schwach bin, dann bin ich stark.“ – 2. Korinther 12, 9 – 10 – Diese Wegweisung Gottes hat auch Paulus empfangen. Ihm ist klar geworden, dass seine Bedrängnis ein Schutz ist, die ihn vor geistlicher Unabhängigkeit und ungeistlichem Stolz bewahrt. Wie soll der Apostel nun mit dieser Situation umgehen? Gott verweist ihn auf Seine Gnade. Paulus soll sich an “Seiner Gnade genügen lassen“. Was ist damit gemeint?
Es geht hier um die Kraft der Gnade: Mit der Erlösungsgnade und der Vergebungsgnade³ sind die meisten Christen wohl vertraut. Weniger vertraut sind jedoch die meisten Christen über die Kraft der Gnade.
Gnade definieren wir häufig ganz schnell als “unverdiente Güte“. Doch “χάρις“ (“charis“), also Gnade im Sinn des Neuen Testaments, ist mehr als nur „unverdiente Güte“ oder „Begnadigung“, d.h. Erlass der/einer Strafe. “χάρις“ – Gnade ist auch und vor allem „der göttliche Einfluss auf das Objekt der Gnade“, eine Gabe bzw. eine Kraft, die das Objekt der Gnade (d.h. den Gläubigen) befähigt bzw. in den Stand versetzt, das zu tun, was von ihm verlangt wird. Ein irischer Bibelkommentator spricht daher auch sehr treffend von „the energy of Grace“, zu deutsch “die Energie bzw. Kraft der Gnade“. Und um diese Kraft der Gnade geht es m.E. in diesen Worten des Apostels.
Gnade ist also die Kraft/Energie, die uns dazu befähig, das zu tun, was Gott von uns wünscht. Auch uns stellt der Herr Jesus Christus die Kraft Seiner Gnade für alle Bereiche unseres Lebens zur Verfügung. Wie kann diese Kraft der Gnade in unserem Leben Wirklichkeit werden? Wie wird sie empfangen? Wie wird sie angewendet?
Zuerst einmal sollten wir uns bewusst sein, dass die Kraft der göttlichen Gnade unerschöpflich ist. Bereits im alttestamentarischen Buch der Klagelieder bezeugt der Prophet Jeremia:
“Ja, die Gnadenerweise des HERRN sind nicht zu Ende, ja, sein Erbarmen hört nicht auf, es ist jeden Morgen neu. Groß ist deine Treue. Mein Anteil ist der HERR, sagt meine Seele, darum will ich auf ihn hoffen. Gut ist der HERR zu denen, die auf ihn harren, zu der Seele, die nach ihm fragt.“
Und der Apostel Johannes konkretisiert diese Aussage in seinem Evangelium:
“Denn aus seiner Fülle haben wir alle empfangen, und zwar Gnade um Gnade. Denn das Gesetz wurde durch Mose gegeben; die Gnade und die Wahrheit ist durch Jesus Christus geworden.“
Aus dieser täglich neuen Fülle der Gnade Jesu Christi dürfen auch wir die Kraft der Gnade für jede Aufgabe, jedes Problem, jede Herausforderung nehmen und empfangen. Die beiden Mittel, durch die der Empfang dieser Kraft der Gnade möglich wird, sind – wie bei der Erlösungs- und bei der Vergebungsgnade – Gebet und Glaube. Im Gebet bitten wir Gott um die Kraft der Gnade und im Glauben empfangen wir sie:
“Darum sage ich euch: Alles, um was ihr auch betet und bittet, glaubt, dass ihr es empfangen habt, und es wird euch werden.„
(Markus 11, 24; REVEBF’2006; vgl. Jesaja 65, 24; Matthäus 6, 8)
Vor allem anderen, was wir zum Leben benötigen, brauchen wir die Kraft der Gnade an jedem neuen Tag. Der Herr Jesus Christus will uns diese Kraft schenken. Es ist Sein Wunsch, uns mit der Kraft der Gnade auszurüsten. Das Gebet um diese Kraft der Gnade ist daher ein Gebet, das Seinem Willen entspricht und darum auch Erhörung finden wird (1. Johannes 5, 14 – 15). Wir müssen Ihm das aber auch glauben und im Glauben diese Kraft annehmen, in Empfang nehmen. Auf diese Weise bleiben wir in ständiger Abhängigkeit von Gott. Für den nicht erneuerten menschlichen Verstand ist das eine Torheit. Er meint, seine Kraft aus seiner Unabhängigkeit zu schöpfen. Doch der geistliche Mensch versteht, dass es nichts Besseres geben kann, als die beständige Abhängigkeit von Gott, weil diese beständige Abhängigkeit von Gott auch die beständige Verbindung mit Gott erfordert! Und was könnte es besseres geben, als den beständigen Anschluss an Gott, die Quelle des Lebens (Psalm 36, 9; Johannes 4, 10 – 14). Darum kann Gottes Kraft auch und gerade in Situationen zur Vollendung kommen bzw. dort ihren vollkommensten Ausdruck finden, wo Gläubige schwach sind. Denn in einer solchen Situation fallen alle Blockaden, die der menschliche Stolz, auch bei Gläubigen, so gerne aufrichtet. Dort, wo alle menschliche Kraft zu ihrem Ende gekommen ist und ein Christ sich ganz in die Hand Gottes gibt, kann die kraft der göttlichen Gnade Dinge wirken, zu denen kein Gläubiger aufgrund menschlicher Kraft in der Lage wäre (vgl. Römer 8, 35 – 37). Je mehr wir uns unserer Schwachheiten bewusst werden, desto größer wird auch unser Bewusstsein für die Kraft der Gnade Gottes in unserem Leben werden und desto mehr werden wir diese Kraft der Gnade auch erleben können (Epheser 3, 14 ff.; Philipper 4, 13). Weil Paulus das erkannt hatte, konnte er sogar sagen: “Deshalb habe ich Wohlgefallen an Schwachheiten, an Schmähungen, an Nöten, an Verfolgungen, an Ängsten für Christus; denn wenn ich schwach bin, dann bin ich stark.“
Wir mögen weder solche hohen Offenbarungen erhalten haben, wie der Apostel Paulus, noch mögen wir ähnliche Bedrängnisse oder Leiden erleben. Dennoch gilt auch für uns das geistliche Prinzip, das Gott seinem Diener hier mitteilt: Solange wir auf unsere eigenen, menschlichen Kräfte bauen und meinen, unabhängig von Gott geistliche Siege erringen zu können, solange kann Gottes Kraft in und durch uns nicht ihre vollkommene Wirksamkeit entwickeln. Erst wenn wir die Begrenztheit unserer Kraft anerkennen und uns völlig auf Gott verlassen, kann die Kraft Seiner Gnade sich vollkommen in unserem Leben entfalten und erfahrbar werden.
Paulus erlebte während seines Dienstes wie wir gesehen haben, verschiedene Visionen und Offenbarungen. In 2. Korinther 12, 1 – 10 berichtet er sogar von einer temporären Entrückung in den dritten Himmel. Doch nun sollte Paulus die Kraft der Gnade Gottes, die Kraft des Himmels, dauerhaft in seinem Leben erfahren. Diese Möglichkeit besteht auch für uns. Wenn wir sie annehmen, werden wir auch erfahren, dass die unerschöpfliche Kraft der Gnade des allmächtigen Gottes für jede Situation ausreicht. Denn durch sie werden wir Gott selbst erleben
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Fußnoten:
¹= siehe “Den Himmel gibt’s wirklich“: Klick!