
„Du aber, HERR, wollest deine Barmherzigkeit nicht von mir wenden; lass deine Güte und Treue allewege mich behüten.“ (Psalm 40, 12) an einer Hauswand in Gotha, Querstraße 21 * Foto: von Tilman2007 (Eigenes Werk) [CC BY-SA 3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)%5D, via Wikimedia Commons
Als Grundlage der Wortverkündigung am Mittwoch dieser Woche wurden Verse aus dem 40. Psalm gewählt, den wir – wie immer – in seinem Kontext betrachten wollen:
“Dem Vorsänger. Von David, ein Psalm.
Beharrlich habe ich auf den HERRN geharrt, und er hat sich zu mir geneigt und mein Schreien gehört. Er hat mich heraufgeführt aus der Grube des Verderbens, aus kotigem Schlamm; und er hat meine Füße auf einen Felsen gestellt, meine Schritte befestigt. Und in meinen Mund hat er ein neues Lied gelegt, einen Lobgesang unserem Gott. Viele werden es sehen und sich fürchten und auf den HERRN vertrauen.
Glückselig der Mann, der den HERRN zu seiner Zuversicht macht und sich nicht wendet zu den Übermütigen und zu denen, die zur Lüge abweichen! Vielfach hast du deine Wundertaten und deine Gedanken gegen uns erwiesen, HERR, mein Gott; nicht kann man sie dir der Reihe nach vorstellen. Wollte ich davon berichten und reden, sie sind zu zahlreich, um sie aufzuzählen. An Schlacht- und Speisopfer hattest du kein Gefallen; Ohren hast du mir bereitet: Brand- und Sündopfer hast du nicht gefordert. Da sprach ich: Siehe, ich komme; in der Rolle des Buches steht von mir geschrieben. Dein Wohlgefallen zu tun, mein Gott, ist meine Lust; und dein Gesetz ist im Innern meines Herzens. Ich habe die Gerechtigkeit in der großen Versammlung verkündet; siehe, meine Lippen hemmte ich nicht HERR, du weißt es!“(Psalm 40, 1 – 10 ÜELBEDHÜ, z. Vgl. Luther’84)
Zum Hintergrund: Das 1. Buch des Psalters & Psalm 40
Wie ich bereits in den Anmerkungen zu anderen Psalmen geschrieben habe, ist es auch an dieser Stelle nicht möglich, den Hintergrund des großen und umfangreichen biblischen Buches der Psalmen in seinen Einzelheiten vorzustellen. Daher folgen auch hier nur einige grundlegende Informationen zum Buch der Psalmen, insbesondere zum 1. Buch des Psalters, in dem wir den heute zu betrachtenden Psalm finden:
Das Buch der Psalmen (תְּהִלִּים bzw. תהילים, “Tehillim“ = die Preisungen/Lobpreisungen) ist das erste Buch der “Ketuvim“, d.h. der “Schriften“, also des dritten und letzten Abschnitts der jüdischen Heiligen Schrift. Der Begriff “Preisungen“ bzw. “Lobpreisungen“ ist sehr treffend gewählt für dieses biblische Buch, da jeder der 150 Psalmen, mit Ausnahme von Psalm 88, Lobpreisungen Gottes enthält.
Unser deutsches Wort “Psalm“ ist die eingedeutschte Form des griechischen Wortes “ψαλμός“ (“psalmos“) bzw. der ψαλμοί“ (“psalmoi“), womit “Worte bzw. Lieder mit instrumentaler Begleitung“ bezeichnet wurden (vgl. Lukas 20, 42; Apostelgeschichte 1, 20). Das gesamten Buch der Psalmen wurde in der griechischen Übersetzung des Alten Testaments, der Septuaginta (LXX), als “ψαλτήριον“ (“psalterion“) bezeichnet. Darauf zurückgehend entwickelte sich unser Begriff “Psalter“, mit dem auch heute noch das ganze Buch bzw. die Gesamtheit der 150 Psalmen bezeichnet wird.
Traditionell wird das Buch der Psalmen in fünf große Abschnitte bzw. Bücher unterteilt:
Buch III (Psalm 73 – Psalm 89)
Buch IV (Psalm 90 – Psalm 106)
Buch V (Psalm 107 – Psalm 150)
Auf wen diese Unterteilung zurückzuführen ist, ist genauso unbekannt, wie die Kriterien, nach denen die einzelnen Psalmen dem jeweiligen Buch zugeordnet wurden. Manche Kommentatoren sehen in dieser Aufteilung eine Parallele zu den fünf Büchern Mose, d.h. der Torah.
Im 1. Buch des Psalters, das die Psalmen 1 bis 41 umfasst, befindet sich jener Psalm, den wir heute betrachten wollen. Die überwiegende Anzahl der Psalmen in diesem Buch wurden von David verfasst. Nur vier Psalmen stammen nicht von dem bekanntesten König Israels: Psalm 1, Psalm 2, Psalm 10 und Psalm 33 enthalten keine Angaben zu ihrem jeweiligen Verfasser. Die in diesem Buch enthaltenen Psalmen enthaltenen Psalmen spiegeln eine enge Gottesbeziehung wieder. Das wird u.a. daran deutlich, dass sie nicht primär das allgemeinere hebräische Wort für Gott (“Elohim“; 15 Vorkommen), sondern den Namen des Bundesgottes Israels (“Jahwe“; 273 Vorkommen) benutzen. Kommentatoren haben dieses Buch des Psalters auch als “Buch der Erfahrungen“ bezeichnet, da es uns von vielen persönlichen Erfahrungen, die David mit Gott machen durfte, berichtet.
Es gibt einen Grundton, der sich ab Psalm 1 durch dieses ganze erste Psalmbuch zieht. Es ist die Trennung der Gerechten von den Gottlosen. Bei diesen Gottlosen handelt es sich nicht um Menschen aus dem Heidentum, die Gott nicht kennen, sondern um Menschen, die zum irdischen Volk Gottes – Israel – gehören, Gott jedoch nicht anerkennen. Kommentatoren führen diesen Schwerpunkt darauf zurück, dass die hier zusammengefassten Psalmen in jener Zeit entstanden, in der Konflikt zwischen Saul, dem vom Volk erwählten und von Gott verworfenen König Israels, und David, dem von Gott erwählten, aber noch nicht bestätigten König, ihren Höhepunkt erreichten.
Dieses Psalmbuch enthält aber auch vier messianische Psalmen, in denen der geist Gottes prophetisch bereits auf den kommenden Erlöser verweist. Dieser wird in Psalm 2 als Sohn Gottes, in Psalm 8 als Sohn des Menschen, in Psalm 22 als der leidende Knecht Gottes und in Psalm 40 als das Opfer gesehen, das die endgültige Erlösung von Schuld und Sünde zu bringen vermag.
Psalm 40 können wir grob in zwei Abschnitte teilen: Die Verse 1 bis 10 sind ein Lobpreis Davids für die erfahrene Rettung. Dieser Lobpreis ist geprägt von großer Dankbarkeit Gott gegenüber. Die Verse 11 bis 17 sind von der Bitte geprägt, dass Gott den Psalmisten auch in Zukunft von den Ungerechten erretten möge.
Anmerkungen zu Psalm 40, 1 ff.

Südliche Zisterne in Masada (Southern cistern at Masada) * Foto: By Oren Rozen (Own work) [CC BY-SA 3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)%5D, via Wikimedia Commons
* “Dem Vorsänger. Von David, ein Psalm. Beharrlich habe ich auf den HERRN geharrt, und er hat sich zu mir geneigt und mein Schreien gehört. Er hat mich heraufgeführt aus der Grube des Verderbens, aus kotigem Schlamm; und er hat meine Füße auf einen Felsen gestellt, meine Schritte befestigt.“ – Psalm 40, 1 – 3 – In diesen einleitenden Versen bezeugt David, dass Gott sein Gebet erhört, ihn errettet und befestigt hat. Zugleich macht er deutlich, dass diese Errettung Gottes kein Instant-Ereignis war. Ihr ging eine längere Zeit des Gebets und des Ausharrens voraus.
David beschreibt den problematischen Zustand, in dem er sich befand, als eine “schlammige Grube des Verderbens“. Dieses Bild spricht zum einen davon, dass Davids Leben entweder im übertragenen oder aber im buchstäblichen Sinn zerstört worden wäre, wenn Gott nicht eingegriffen und ihn daraus errettet hätte. Vielleicht hatte David, als er diese Verse schrieb, das Bild einer Wasserzisterne vor Augen. In diesen in den Erdboden gehauenen oder gegrabenen, unterirdischen Kammern zum Auffangen von Regenwasser, sammelte sich nicht nur Wasser, sondern auch sehr viel Schmutz und Schlamm. Letzterer machte den Boden rutschig und damit für jeden, der in einer solchen Zisterne gefangen war, gefährlich. In der Regel waren Wasserzisternen so tief, dass es für einen Menschen unmöglich war, dort ohne fremde Hilfe wieder herauszukommen (vgl. Jeremia 38, 6).
Aus diesem Zustand hatte Gott David errettet. Aber nicht nur das. David kann bezeugen, dass Gott seine “Füße auf einen Felsen gestellt“ und seine “Schritte befestigt“ hat. Gottes Handeln zur Errettung, hat nie nur die temporäre Veränderung einer Situation, sondern immer die vollkommene Erlösung zum Ziel, was auch immer Wiederherstellung und Befestigung einschließt.
* “Und in meinen Mund hat er ein neues Lied gelegt, einen Lobgesang unserem Gott. Viele werden es sehen und sich fürchten und auf den HERRN vertrauen.“ – Psalm 40, 4 – In David löste dieses Wirken Gottes Freude und Dankbarkeit aus, die er in einem neuen Lied zur Ehre Gottes zusammenfasste. An neun Stellen in der Heiligen Schrift ist die Rede von einem “neuen Lied“. Dieses “neue Lied“ steht dabei häufig in Verbindung mit vorausgegangener Erlösung. Zwei dieser Stellen finden sich im Neuen Testament und zwar in Offenbarung 5, 9 – 10 und Offenbarung 14, 3. Auch in Offenbarung 5, 9 – 10 wird der Zusammenhang zwischen der Erlösung durch Gott und dem daraus entstehenden neuen Lied der Erlösten deutlich:
“Und sie singen ein neues Lied: Du bist würdig, das Buch zu nehmen und seine Siegel zu öffnen; denn du bist geschlachtet worden und hast für Gott erkauft, durch dein Blut, aus jedem Stamm und jeder Sprache und jedem Volk und jeder Nation, und hast sie unserem Gott zu einem Königtum und zu Priestern gemacht, und sie werden über die Erde herrschen!“
Die hier genannten “neue Lied“, das Lied der Erlösten, wird das Lied all‘ jener sein, die Erlösung durch Jesus Christus erfahren haben:
“(…) indem ihr wisst, dass ihr nicht mit vergänglichen Dingen, mit Silber oder Gold, erlöst worden seid von eurem eitlen, von den Vätern überlieferten Wandel, sondern mit dem kostbaren Blut Christi, als eines Lammes ohne Fehl und ohne Flecken; (…)“
(1. Petrus 1, 18 – 19)
Führt die Erfahrung unserer Erlösung auch bei uns Dankbarkeit und Freude und zu einem immer neuen Lobpreis Gottes?
Wenn David in diesem Vers davon spricht, dass “Viele es sehen und sich fürchten und auf den HERRN vertrauen werden“, dann ist damit keine Furcht im Sinne von Angst, sondern im Sinn von Ehrfurcht, also Respekt, Achtung vor der Größe Gottes und Seinem wunderbaren Handeln, gemeint. Das Zeugnis, das David über das Wirken Gottes in seinem Leben vor dem Volk ablegt, führt dazu, dass viele andere aus dem Volk mit neuer Ehrfurcht vor und neuem Vertrauen zu Gott erfüllt wurden. Dabei ist die Abfolge Ehrfurcht und Vertrauen nicht zufällig. Wirkliches Vertrauen in Gott können wir nur dann haben, wenn wir Ihm auch mit Ehrfurcht begegnen. Wirklicher Glaube entsteht nur aus Ehrfurcht vor Gott, d.h. aus dem Wissen um bzw. der Anerkennung von Gottes Größe, Allmacht, Liebe, Gnade, Heiligkeit und Barmherzigkeit.
Auch unser Zeugnis von der Erlösung, die wir durch Jesus Christus erfahren haben, kann und soll solche Folgen haben. Es wird aber bei anderen nur zu Ehrfurcht und wirklichem Glauben führen, wenn unser Zeugnis Ihn, Jesus Christus, Seine Erlösung und Liebe zum Fokus hat und nicht uns oder andere Menschen.
* “Glückselig der Mann, der den HERRN zu seiner Zuversicht macht und sich nicht wendet zu den Übermütigen und zu denen, die zur Lüge abweichen!“ – Psalm 40, 5 – Jene, die, vielleicht aufgrund der Tatsache, dass sie das Zeugnis anderer von Gottes Hilfe und Erlösung hören, ihr Vertrauen in Gott setzen, werden von David als “glückselig“ bezeichnet. Das Wort אֶשֶׁר (‚esher) bedeutet Segen im Sinn von (wahrem) Glück und (wahrer) Freude, die ein Mensch empfindet und zwar aufgrund seiner Beziehung zu Gott bereits in diesem Leben und nicht im Sinn einer “Seligkeit nach dem Tod“.
Diese Glückseligkeit des Menschen, der auf Gott vertraut, steht im Gegensatz zu dem, was jene Menschen erfahren, die sich in ihrem Stolz, andere Übersetzungen sagen “Übermut“, von Gott abwenden.
* “Vielfach hast du deine Wundertaten und deine Gedanken gegen uns erwiesen, HERR, mein Gott; nicht kann man sie dir der Reihe nach vorstellen. Wollte ich davon berichten und reden, sie sind zu zahlreich, um sie aufzuzählen.“ – Psalm 40, 6 – Jeder Israelit, auch David, der auf die Geschichte Israels mit Gott zurück blickte, musste zu der Feststellung kommen, dass die Wundertaten Gottes zu zahlreich waren, als sie in einem einzigen Lied aufzuzählen. Eines aber konnten Israel und David bezeugen: Gottes zahllose wunderbare Taten entsprangen Seinen guten Gedanken, die Er bzgl. Seines Volkes (“uns“) hegte (vgl. Jeremia 29, 11). Diese guten Gedanken Gottes hatten ihren Ausdruck in den Verheißungen Gottes gefunden, die wiederum die Grundlage für die erwähnten, zahlreichen Taten Gottes bildeten (vgl. 1. Mose 13, 16; 1. Mose 28, 14; 4. Mose 23, 10; 1. Mose 22, 17; 1. Mose 32, 12; 1. Mose 15, 5; 1. Mose 22, 17; 1. Mose 26, 4; vgl. auch Psalm 139, 17 – 18).
Im Neuen Testament finden wir keinen Vers, der explizit über die Gedanken spricht, die Gott über uns als Gläubige im Zeitalter der Gnade hegt. Aber das ist auch nicht nötig, da jedes Kapitel uns die guten Gedanken Gottes, die in dem irdischen und himmlischen Dienst und besonders in dem Erlösungswerk Seines Sohnes am Kreuz von Golgatha zum Ausdruck kommt, vor Augen stellt. Sind wir uns des Reichtums der Gnade Gottes uns gegenüber bewusst?
* “An Schlacht- und Speisopfer hattest du kein Gefallen; Ohren hast du mir bereitet: Brand- und Sündopfer hast du nicht gefordert. Da sprach ich: Siehe, ich komme; in der Rolle des Buches steht von mir geschrieben.“– Psalm 40, 7 – 8 – Während im Mosaischen Gesetz das Einhalten der Gebote und die Darbringung von Opfern von größter Bedeutung waren, so finden wir hier bei David bereits eine Vorschattung auf den zukünftigen neuen Bund Gottes mit Israel (vgl. Jeremia 31, 31 – 34). Dies wird besonders in den folgenden Versen deutlich.
* “Dein Wohlgefallen zu tun, mein Gott, ist meine Lust; und dein Gesetz ist im Innern meines Herzens. Ich habe die Gerechtigkeit in der großen Versammlung verkündet; siehe, meine Lippen hemmte ich nicht HERR, du weißt es!“ – Psalm 40, 9 – 10 – Durch seine enge Lebensbeziehung zu Gott wird in Davids Leben bereits das deutlich, was Israel erst dann erfahren wird, wenn der neue Bund, den Gott mit dem Haus Israel und dem Haus Juda schließen wird, in Kraft gesetzt ist: Das Halten des Gesetzes Gottes wird nicht mehr eine nur äußerliche Handlung sein, sondern – weil Gott Sein Gesetz durch Seinen Geist auf die Herzen der Israeliten schreiben wird (Jeremia 31, 33; Hesekiel 36, 16 – 37; Hesekiel 37, 1 – 14) – ein Ausdruck ihres innersten Wesens sein. Die enge Beziehung Davids zu Gott führte auch in seinem Leben dazu, dass das, was er für Gott tat, nicht das Ergebnis des äußerlichen Einhaltens der göttlichen Gesetze war, sondern der Ausdruck eines Herzens, das von Gott berührt, erneuert und erfüllt worden war. Aus diesem Herzen kam der Lobpreis, mit dem David Gottes Gerechtigkeit und Seine Taten verkündete. Christen haben in der Wiedergeburt aus Wasser und Geist (Johannes 3, 1 – 6; Titus 3, 5) bereits das erfahren, was Israel als Volk zukünftig noch erleben wird (Hesekiel 36, 16 – 37; Hesekiel 37, 1 – 14). Unsere Beziehung zu Gott wird weder durch Halten von Geboten begründet, noch dadurch erhalten, sondern allein durch das neue, ewige Leben, das Gott uns in bzw. durch Christus schenkt (1. Korinther 15, 22; Philipper 1, 21; Kolosser 3, 4). Und nur durch unsere Lebensbeziehung zu Ihm, dem auferstandenen Erlöser, werden wir auch in die Lage versetzt, Sein Wort zu halten und Seinen Willen zu tun (vgl. Epheser 2, 10; 2. Korinther 5, 17).