Am Sonntag dieser Woche soll ein Bibelwort aus dem Buch des Predigers betrachtet werden (zum Hintergrund des Buches des Predigers: Klick!). Wir betrachten diesen Vers in seinem Kontext:
“Und ich wandte mich und sah Eitelkeit unter der Sonne:
Da ist ein Einzelner und kein Zweiter bei ihm, auch hat er weder Sohn noch Bruder, und all seine Mühe hat kein Ende; dennoch werden seine Augen des Reichtums nicht satt: Für wen mühe ich mich doch und lasse meine Seele Mangel leiden am Guten? Auch das ist Eitelkeit und eine üble Beschäftigung.
Zwei sind besser daran als einer, weil sie eine gute Belohnung für ihre Mühe haben; denn wenn sie fallen, so richtet der eine seinen Genossen auf. Wehe aber dem Einzelnen, der fällt, ohne dass ein Zweiter da ist, um ihn aufzurichten! Auch wenn zwei beieinander liegen, so werden sie warm; der Einzelne aber, wie will er warm werden?
Und wenn jemand ihn, den Einzelnen, gewalttätig angreift, so werden ihm die zwei widerstehen; und eine dreifache Schnur zerreißt nicht so schnell.“(Prediger 4, 7 – 12 ELBEDHÜ; z. Vgl. Luther ’84)
Einige grundlegende Informationen zum Buch des Predigers
Das Buch gehört zu den poetischen Büchern des Alten Testaments, die auch als Weisheitsliteratur bezeichnet werden (Hiob, Psalmen, Sprüche, Hohelied, Klagelieder). Im Judentum gehört das Buch zu den fünf Megillot (Schriftrollen), die zu den jüdischen Festzeiten gelesen werden. Das Buch Prediger wird am jüdischen Sukkot-Fest, dem Laubhüttenfest, gelesen. Die Lesung des Buches an diesem Fest wird darauf zurückgeführt, dass König Salomo den Tempel in Jerusalem ebenfalls an Sukkot eingeweiht hat.
Auf den einflussreichen französischen Thora- und Talmudkommentator Raschi wird die Ansicht zurückgeführt, dass Salomo das Hohelied in seiner Jugend, das Buch Sprüche in seinen mittleren Jahren und das Buch Prediger in seinem Alter geschrieben haben soll.
Eines der Worte, das von dem Prediger am häufigsten gebraucht wird, ist das Wort “Weisheit“. Dieses Wort kommt in als Subjekt oder Verb insgesamt an 49 Stellen vor. Doch ist damit die Weisheit Gottes gemeint? Der Prediger spricht zwar an 40 Stellen seines Buches von Gott, doch er benutzt dabei nicht den Namen des Bundesgottes Israels (Jahwe), sondern den Begriff “Elohim“, womit im Alten Testament ganz allgemein der allmächtige Schöpfer bezeichnet wird. Das Buch redet also nicht zu Menschen, die in einer (Bundes-)Beziehung zu Gott stehen. Es geht dementsprechend auch nicht um die Weisheit, die dem Gläubigen aus seiner Gottesbeziehung zufließt (vgl. Psalm 73, 17), sondern um die allgemeine, menschliche Lebensweisheit. Das wird auch durch andere, immer wiederkehrende Begriffe deutlich: “Eitelkeit“, “Haschen nach Wind“ und ganz besonders die Formulierung “unter der Sonne“, wodurch deutlich wird, dass der Prediger die Dinge aus einer irdischen Perspektive betrachtet. Das bedeutet nicht, dass der Prediger selbst gottlos war. Viele Stellen in seinem Buch zeigen ihn als einen gottesfürchtigen Menschen. Doch in diesem Buch will er zeigen, was vom Leben übrig bleibt, wenn es ohne Gott, ohne nach seinem Willen und Plan zu fragen, lebt. Diesen Hintergrund sollten wir bei der Lektüre dieses Buches immer beachten. Denn diese Perspektive verleitet den Prediger auch zu Aussagen, die dem geoffenbarten Wahrheiten Gottes entgegen stehen (vgl. z.B. Prediger 11, 9 mit 4. Mose 15, 39; Prediger 2, 12 – 16 und Prediger 7, 16 mit Sprüche 1, 7; Prediger 2, 24 mit 1. Korinther 15, 32). Ja, der Prediger widerspricht sich in seinem Buch sogar selbst (vgl. Prediger 2,2 und Prediger 8, 15 mit Prediger 7, 3).
Der Prediger gibt uns also in seinem Buch eine Art “Negativ-Beispiel“. Von Albert Einstein soll die Aussage stammen, dass man von jedem Beispiel lernen könne, auch von schlechten Beispielen und zwar wie man es nicht machen solle. Das Buch des Predigers zeigt uns genau das: Niemand von uns sollte sein Glück “unter der Sonne“, d.h. allein im irdischen Bereich, suchen. Denn wahres, dauerhaftes Glück ist dort nicht zu finden.
Anmerkungen zu Prediger 4, 7 – 12
* “Und ich wandte mich und sah Eitelkeit unter der Sonne: Da ist ein Einzelner und kein Zweiter bei ihm, auch hat er weder Sohn noch Bruder, und all seine Mühe hat kein Ende; dennoch werden seine Augen des Reichtums nicht satt: Für wen mühe ich mich doch und lasse meine Seele Mangel leiden am Guten? Auch das ist Eitelkeit und eine üble Beschäftigung.“ – Prediger 4, 7 – 8 – Der Prediger beginnt diesen Abschnitt mit den Worten “Alles ist Eitelkeit“. Das in unseren deutschen Übersetzungen mit “Eitelkeit“ wiedergegebene hebräische Wort ist “הֲבֵל“ (“hebel“). Während unter “Eitelkeit“ heute hauptsächlich “die übertriebene Sorge um die eigene körperliche Schönheit oder die geistige Vollkommenheit, den eigenen Körper, das Aussehen und die Attraktivität oder die Wohlgeformtheit des eigenen Charakters“¹ verstanden wird, hat dieses Wort in der hebräischen Sprache auch die Bedeutung “Leere“ und beschreibt etwas, das unsicher und vergänglich ist. Diese Bedeutung hatte das Wort “Eitelkeit“ auch früher in der deutschen Sprache, es wurde mit “Nichtigkeit“, “Vergeblichkeit“ und – im Mittelhochdeutschen – mit “Leerheit“ wiedergegeben².
“Alles ist Eitelkeit“ – das ist das Fazit, welches der Prediger nach seinen Beobachtungen in dieser Welt zieht. Doch inmitten der Vergänglichkeit finden sich auch immer noch Dinge, die gut und erstrebenswert sind.
Ehe er darauf zu sprechen kommt, schildert uns der Prediger ein negatives Beispiel. Er spricht von einem Einzelnen, der keine Nachkommen (und damit im hebräischen Denken: keine Zukunft) und keine Familie (und dementsprechend keinen Schutz) hatte. Aber all‘ das scheint diesem Mann keine Sorgen zu bereiten. Sein Augenmerk ist auf nichts anderes als Reichtum gerichtet. Dieser Reichtum soll unbedingt vermehrt werden. Um dieses Ziel zu erreichen, nimmt dieser Mensch große Mühen und sogar Verzicht auf sich. Doch dem Prediger, der diesen Menschen und sein Tun beobachtet, drängt sich die Frage auf: Für wen tut dieser Mensch das alles? Er hat ja keine Nachkommen, denen er etwas vererben und auch keine Familie, die er mit seinen Gütern versorgen könnte. Das Urteil des Predigers ist: Diese Einstellung, dieses Verhalten ist sinnlos.
Im Neuen Testament finden wir eine Entsprechung dieses Verhaltens in der Person des “reichen Kornbauern“. Der Herr Jesus Christus benutzt dieses Beispiel, um die Volksmenge über die Vergänglichkeit des Reichtums zu belehren:
“Er sagte aber ein Gleichnis zu ihnen und sprach: Das Land eines gewissen reichen Menschen trug viel ein. Und er überlegte bei sich selbst und sprach: Was soll ich tun? Denn ich habe keinen Raum, wohin ich meine Früchte einsammeln soll. Und er sprach: Dies will ich tun: Ich will meine Scheunen niederreißen und größere bauen und will dahin all meinen Weizen und meine Güter einsammeln; und ich will zu meiner Seele sagen: Seele, du hast viele Güter daliegen auf viele Jahre; ruhe aus, iss, trink, sei fröhlich. Gott aber sprach zu ihm: Du Tor! In dieser Nacht fordert man deine Seele von dir; was du aber bereitet hast, für wen wird es sein? So ist der, der für sich selbst Schätze sammelt und nicht reich ist in Bezug auf Gott.“
(Lukas 12, 16 – 21 ELBEDHÜ)
Anschließend zeigt der Herr Jesus Christus auf, welche Lebenseinstellung Seine Jünger kultivieren sollten:
“Er sprach aber zu seinen Jüngern: Deshalb sage ich euch: Seid nicht besorgt für das Leben, was ihr essen, noch für den Leib, was ihr anziehen sollt, denn das Leben ist mehr als die Nahrung und der Leib mehr als die Kleidung. Betrachtet die Raben, dass sie nicht säen noch ernten, die weder Vorratskammer noch Scheune haben, und Gott ernährt sie; um wie viel vorzüglicher seid ihr als die Vögel! Wer aber unter euch vermag mit Sorgen seiner Größe eine Elle zuzufügen? Wenn ihr nun auch das Geringste nicht vermögt, warum seid ihr um das Übrige besorgt? Betrachtet die Lilien, wie sie wachsen; sie mühen sich nicht und spinnen auch nicht. Ich sage euch aber: Selbst nicht Salomo in all seiner Herrlichkeit war bekleidet wie eine von diesen. Wenn aber Gott das Gras, das heute auf dem Feld ist und morgen in den Ofen geworfen wird, so kleidet, wie viel mehr euch, ihr Kleingläubigen! Und ihr, trachtet nicht danach, was ihr essen oder was ihr trinken sollt, und seid nicht in Unruhe; denn nach all diesem trachten die Nationen der Welt; euer Vater aber weiß, dass ihr dies nötig habt. Trachtet jedoch nach seinem Reich, und dies wird euch hinzugefügt werden. Fürchte dich nicht, du kleine Herde, denn es hat eurem Vater wohlgefallen, euch das Reich zu geben.“
(Lukas 12, 22 – 32 ELBEDHÜ)
Das Denken des “Einzelnen“ in Prediger 4, 7 – 8 bzw. des “reichen Kornbauern“ in Lukas 16, 12 ff. wird von Egoismus und Sorge um die eigene Person dominiert. Daraus resultiert dann auch ein entsprechend egoistisches Verhalten. Gefangen in der Spirale des egoistischen Strebens nach “immer mehr“, hat weder der “Einzelne“ noch der “reiche Kornbauer“ einen Blick für die Realität, dass ihr Handeln im Endeffekt sinnlos ist.
* “Zwei sind besser daran als einer, weil sie eine gute Belohnung für ihre Mühe haben; denn wenn sie fallen, so richtet der eine seinen Genossen auf. Wehe aber dem Einzelnen, der fällt, ohne dass ein Zweiter da ist, um ihn aufzurichten! Auch wenn zwei beieinander liegen, so werden sie warm; der Einzelne aber, wie will er warm werden?“ – Prediger 4, 9 – 11 – Ein besseres, weil sinnvolleres Verhalten beobachtet der Prediger bei anderen Menschen. Dies sind Menschen, die sich nicht egoistisch um sich selbst drehen, sondern füreinander sorgen. Der Prediger erwähnt hier keine spezifische Gemeinschaft von Menschen (Ehe, Familie, Dorfgemeinschaft o.ä.), sondern er stellt das Verhalten dieser Menschen grundsätzlich als positiv dar. Menschen, die die Gemeinschaft anderer suchen, sich in eine Gemeinschaft einbringen, können einander stützen/unterstützen. Solange wir gesund sind und es uns allgemein gut geht, bemerken wir vielleicht gar nicht, wie wichtig unser gemeinschaftliches Leben ist. Doch wenn wir in irgendeiner Weise Not geraten, Hilfe/Beistand/Trost benötigen, wird uns deutlich, welchen großen Wert es hat. Drei grundsätzliche Faktoren der Gemeinschaft spricht der Prediger hier an: 1) Unterstützen/Aufrichten; 2) Menschliche Wärme; und in Vers 12: 3) Verteidigung. Diese drei Faktoren zeichnen auch die christliche Gemeinschaft aus. Bereits in Apostelgeschichte 4, kurze Zeit nach dem Entstehen der christlichen Gemeinschaft in Jerusalem, sehen wir, wie die ersten Christen ihr Hab und Gut zusammenlegen, um einander und insbesondere die Armen unter ihnen zu unterstützen:
“Die Menge derer aber, die gläubig geworden waren, war ein Herz und eine Seele; und auch nicht einer sagte, dass etwas von seiner Habe sein Eigen wäre, sondern sie hatten alles gemeinsam. Und mit großer Kraft legten die Apostel das Zeugnis von der Auferstehung des Herrn Jesus ab; und große Gnade war auf ihnen allen.
Denn es war auch keiner unter ihnen bedürftig, denn so viele Besitzer von Feldern oder Häusern waren, verkauften sie und brachten den Erlös des Verkauften und legten ihn zu den Füßen der Apostel nieder; es wurde aber jedem ausgeteilt, so wie einer irgend Bedarf hatte.(Apostelgeschichte 4, 32 – 35 ELBEDHÜ)
An vielen Stellen im Neuen Testament werden wir dazu aufgefordert, unseren Mitgläubigen in christlicher Liebe, wir können auch sagen Wärme, zu begegnen. Ich möchte aus der großen Zahl der Stellen nur einige nennen:
In 1. Thessalonicher 5, 11 + 15 (ELBEDHÜ) ermutigt Paulus die Christen in Thessalonich:
“Deshalb ermuntert einander und erbaut einer den anderen, wie ihr auch tut. (…) Seht zu, dass niemand Böses mit Bösem jemand vergelte, sondern strebt allezeit dem Guten nach, sowohl zueinander als auch zu allen.“
In seinem zweiten Brief an Timotheus erinnert sich der Apostel daran, wie er in seiner Gefangenschaft in Rom solche christliche Liebe und Wärme durch Onesimus erfahren hatte:
“Du weißt dies, dass alle, die in Asien sind, sich von mir abgewandt haben, unter welchen Phygelus ist und Hermogenes. Der Herr gebe dem Haus des Onesiphorus Barmherzigkeit, denn er hat mich oft erquickt und sich meiner Kette nicht geschämt, sondern als er in Rom war, suchte er mich fleißig und fand mich.“
(2. Timotheus 1, 15 – 17 ELBEDHÜ)
Und wir sollten nicht vergessen, dass der Herr Jesus Christus die erfahrbare, sichtbare Liebe der Gläubigen untereinander als das Kennzeichen dafür benannte, dass Menschen Seine Jünger/Nachfolger sind:
“Ein neues Gebot gebe ich euch, dass ihr einander liebet, damit, wie ich euch geliebt habe, auch ihr einander liebet. Daran werden alle erkennen, dass ihr meine Jünger seid, wenn ihr Liebe untereinander habt.“
(Johannes 13, 34 – 35 ELBEDHÜ)
Die Angriffe, die ein Christ erleidet, sind vorrangig geistlicher Natur (Epheser 6, 10 – 18). Die “Waffen“, mit denen wir uns gegen solche Angriffe verteidigen sind dementsprechend auch nicht “fleischlicher“ sondern “geistlicher Natur“ (2. Korinther 10, 3 f.; 2. Korinther 6, 7; Römer 6, 13; Römer 13, 12). Die wichtigste Art der “Verteidigung“ unserer Mitgläubigen ist nach Paulus das Gebet:
“Ich bitte euch aber, Brüder, durch unseren Herrn Jesus Christus und durch die Liebe des Geistes, mit mir zu kämpfen in den Gebeten für mich zu Gott, (…)“
(Römer 15, 30 ELBEDHÜ)
“Es grüßt euch Epaphras, der von euch ist, ein Knecht Christi Jesu, der allezeit für euch ringt in den Gebeten, damit ihr vollkommen und völlig überzeugt in allem Willen Gottes steht.“
(Kolosser 4, 12 ELBEDHÜ)
* “Und wenn jemand ihn, den Einzelnen, gewalttätig angreift, so werden ihm die zwei widerstehen; und eine dreifache Schnur zerreißt nicht so schnell.“ – Prediger 4, 12 – “(…) und eine dreifache Schnur zerreißt nicht so schnell.“ Dieses Wort wird, wie die bekannten Verse aus Ruth 1, 16 – 17 auch, oft für Hochzeitspredigten verwendet. Man denkt dann an die beiden Eheleute, die – verbunden mit Gott, dem starken Dritten – das Leben besser meistern können. Diese Aussage hat sicherlich ihre Berechtigung, aber der Text gibt keinen Hinweis darauf, dass diese Zusage nur Eheleuten gelten würde. Sie gilt allen, die ihr Vertrauen auf Gott setzen. Dabei sollten wir uns auch von dem Gedanken trennen, dass diese Zusage nur auf zwei beschränkt sei. Die Zahl “Zwei“ gibt hier einfach nur die kleinste mögliche Gemeinschaftsgröße an. Entscheidend dabei ist die Übereinstimmung zwischen jenen, die diese Gemeinschaft miteinander und mit Gott bilden. In Amos 3, 3 (ELBEDHÜ) lässt Gott dem Volk Israel, das Er auf Seinem Weg leiten wollte, durch den Propheten folgende Frage stellen:
“Gehen wohl zwei miteinander, außer, wenn sie übereingekommen sind?“
Im Neuen Testament wird die Zahl “Zwei“ als kleinst möglicher Gemeinschaftsgröße aufgegriffen und es wird uns gezeigt, welcher Segen daraus erwächst, wenn diese “Zwei“ sich auf den Sohn Gottes ausrichten:
“Wahrlich, wiederum sage ich euch: Wenn zwei von euch auf der Erde übereinkommen werden über irgendeine Sache, welche sie auch erbitten mögen, so wird sie ihnen zuteil werden von meinem Vater, der in den Himmeln ist.
Denn wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich in ihrer Mitte.“(Matthäus 18, 19 – 20 ELBEDHÜ)
Fußnoten:
¹= vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Eitelkeit
²= vgl. https://de.wiktionary.org/wiki/Eitelkeit