Blick vom Berg der Seligpreisungen auf den See Genezareth * Foto: By gugganij (own photography – eigenes Foto) [GFDL (http://www.gnu.org/copyleft/fdl.html), CC-BY-SA-3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/) or CC-BY-SA-2.5-2.0-1.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.5-2.0-1.0)%5D, via Wikimedia Commons
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Der Wortverkündigung am Sonntag dieser Woche soll ein Vers aus dem 5. Kapitel des Matthäusevangeliums (zum Hintergrund des Matthäusevangeliums: Klick!) zu Grunde liegen:
“Ihr nun sollt vollkommen sein, wie euer himmlischer Vater vollkommen ist.“
(Matthäus 5, 48 ELBEDHÜ; z. Vgl. LUTH’84)
Zum Hintergrund der so genannten “Seligpreisungen“
Da Matthäus 5, 48 einen großen Abschnitt innerhalb der so genannten “Bergpredigt“ und die in ihm enthaltenen “Seligpreisungen“ abschließt, möchte ich den Anmerkungen zu diesem Vers noch einmal einige Hintergrundinformationen voranstellen.
Die so genannte “Bergpredigt“ ist die erste von fünf großen Reden des Herrn im Matthäusevangelium. Jede dieser fünf großen Reden (Matthäus 5, 1 – Matthäus 7, 27; Matthäus 9, 35 – Matthäus 10, 42; Matthäus 13, 1 – 52; Matthäus 18; Matthäus 24 – 25) folgt auf einen größeren Abschnitt, in dem uns der Evangelist von den Taten Jesu berichtet und jede dieser Reden schließt mit einer Aussage bzgl. der Vollmacht Jesu (Matthäus 7, 28 – 29; Matthäus 11, 1 – 5; Matthäus 13, 53 – 58; Matthäus 19, 1 – 11; Matthäus 26, 1 – 2).
Bei der so genannte “Bergpredigt“ handelt es sich um eine der bekanntesten Texte der Bibel. Zahllose Bücher und Artikel wurden darüber verfasst, in denen die Aussagen des Herrn Jesus Christus immer wieder neu gedeutet wurden. So sah der Journalist Franz Alt Ende der 80ger Jahre in der Bergpredigt eine “Magna Charta der ganzheitlichen Liebe“, nach der sich die Politik verändern sollte. Dabei übersah Alt allerdings die eindeutige Absage Jesu an eine solche Deutung Seiner Lehre (siehe Johannes 18, 36). Andere wiederum sehen in der “Bergpredigt“ eine Art “neue 10 Gebote für Christen“ und vertreten die Ansicht, dass man durch das Einhalten der hier niedergelegten Grundsätze in das Reich Gottes gelangen könnten: Wenn Du dieses oder jenes bist/tust/erduldest, dann gehst Du mit Sicherheit in das Reich Gottes ein. Doch diese Deutung geht an der Gesamtaussage des Neuen Testaments bzgl. der Erlangung des Heils vorbei. Kein Mensch bekommt Zutritt zum Reich Gottes durch das Einhalten der Lehren Jesu, sondern allein durch die Gnade Gottes, der man durch den Glauben an Jesus Christus teilhaftig wird (Johannes 5, 24; Epheser 2, 8 – 9; Römer 3, 20 – 24). Außerdem wird uns schon in Alten Testament gesagt, dass das Reich Gottes dem Menschen von Gott gegeben wird (vgl. Daniel 2, 44 – 45), d.h., dass Gott Sein Reich ohne menschliche Bemühungen errichten wird (“ohne Zutun von Menschenhand“, vgl. Daniel 2, 44 – 45). Der Eingang in dieses Reich liegt aus diesem Grund ganz außerhalb aller menschlichen Wirksamkeit. Dementsprechend müssen wir die in den “Seligpreisungen“ charakterisierten Personen auch nicht als “Anwärter“ auf das Reich Gottes verstehen, sondern als solche, die bereits die Gnade Gottes und damit auch die Teilhabe am Reich Gottes empfangen haben. Besonders schwerwiegende Probleme ergeben sich aus dieser falschen Auslegung, wenn dann in ihrer Folge Matthäus 5, 48 dahingehend gedeutet wird, dass “unvollkommene Christen“ wenn überhaupt, dann nur sehr schwer Zugang zum Reich Gottes finden würden. Unzählige Christen sind durch eine solche “Exegese“ zu einem gesetzlichen, freudlosen und deprimierenden Glaubensleben verdammt worden.
Wenn aber die so genannte “Bergpredigt“ weder ein politisches Manifest, noch ein “neues christliches Lebensgesetz“ ist, welche Bedeutung hat sie dann? Um diese Rede des Herrn richtig einordnen zu können, ist es notwendig, dass wir verstehen, was mit dem Begriff “Himmelreich“ bzw. “Reich Gottes“ gemeint ist. Mir ist bewusst, dass ich mich wiederhole, wenn ich nachfolgend noch einmal auf den Begriff “Himmelreich“ und auf die Unterschiede zwischen dem Reich Gottes und der Versammlung (= Gemeinde/Kirche) hinweise. Aber da ich davon ausgehe, dass nicht jeder Leser dieses Blog meine vorausgegangenen Ausführungen gelesen hat, möchte ich doch noch einmal darauf eingehen. Wer mit diesem Thema vertraut ist, kann selbstverständlich gleich zu den Anmerkungen zu Matthäus 5, 48 übergehen.
Zum Begriff “Himmelreich“
Es ist wichtig, dass wir den Begriff “Himmelreich“ oder “Reich der Himmel“ nicht falsch verstehen. Luthers Übersetzung der griechischen Bezeichnung (“της βασιλειας των ουρανων“ / “tes basileias ton ouranon“) hat leider der falschen Vorstellung Vorschub geleistet, dieses Reich würde sich “im Himmel“ bzw. “in den Himmeln“ befinden. Doch der Begriff besagt nicht, dass es sich dabei um ein “Reich im Himmel/in den Himmeln“ handelt, sondern, dass dieses Reich vom Himmel aus regiert wird. Wir finden diesen Begriff bereits im Alten Testament: In Daniel 7 lesen wir von dem Kommen des Sohnes des Menschen und dem weltweiten Reich, das Er empfangen wird (Daniel 7, 13 – 14). Doch bereits in Daniel 2, 44 ist die Rede davon, dass “der Gott des Himmels“ diese Reich regieren wird. In Daniel 4, 26 wird sogar explizit gesagt, dass “die Himmel herrschen“, womit natürlich nichts anderes gemeint ist, als das die Herrschaft über dieses Reich von Gott im Himmel ausgehen wird. Das Reich selbst aber wird auf der (dann erneuerten) Erde aufgerichtet werden (vgl. Daniel 2, 34 – 35 & 44 – 45 [man beachte, dass der “Stein“ aus dem Himmel herabkommt und zwar “ohne Zutun von Menschenhänden“ {!}]; Offenbarung 20, 1 – 6).
Als Matthäus sein Evangelium schrieb, hatte er dabei insbesondere Juden als Leserschaft im Blick (zur Zielgruppe des Matthäusevangeliums siehe: Klick!). Diese vermieden es, den Namen Gottes auszusprechen, weil sie nicht gegen das 3. Gebot (das sich gegen den Missbrauch des Namens Gottes richtet) verstoßen wollten. Aus diesem Grund benutzt Matthäus ebenfalls weder den Namen Gottes noch den Begriff “Gott“, sondern das im Judentum (insbesondere dem Buch des Propheten Daniel) bekannte Synonym “Himmel“. So meinen also die Evangelisten, wenn sie vom “Reich Gottes“ (Markus, Lukas, Johannes) bzw. dem “Himmelreich“ / “Reich der Himmel“ (Matthäus) sprechen, ein und dasselbe Reich.
Unterscheidung: Das Reich Gottes und die Versammlung (= Gemeinde / Kirche)
Eine weit verbreitete Vorstellungen über das Reich Gottes ist, dass es gleichbedeutend sei mit der Versammlung (= Gemeinde/Kirche). Das ist jedoch nicht der Fall, wie wir an einem Vergleich von wenigen Bibelstellen erkennen können. Auf die Unterschiede zwischen dem Reich Gottes und der Versammlung (= Gemeinde/Kirche) bin ich bereits an anderer Stelle eingegangen. Nachfolgend wiederhole ich nur die 10 wichtigsten Unterschiede:
1) Die Gläubigen, die zur Versammlung (= Gemeinde/Kirche) gehören, wurden in Christus vor Grundlegung der Welt auserwählt (vgl. Epheser 1, 4), wohingegen das Reich von (oder: seit) Grundlegung der Welt an bereitet wurde (vgl. Matthäus 25, 34).
2) Die Versammlung (= Gemeinde/Kirche) entstand am Tag der Pfingsten mit dem Kommen des Heiligen Geistes (vgl. Apostelgeschichte 2, 1 – 47). Das Reich Gottes nahm seinen Anfang schon davor mit seiner Verkündigung durch den König dieses Reiches, den Herrn Jesus Christus und zwar mit dem Beginn seines öffentlichen Dienstes (vgl. Matthäus 4, 17; Markus 1, 15).
3) Die Versammlung (= Gemeinde/Kirche) wird erst im Neuen Testament erwähnt und thematisiert (Matthäus 16, 13 – 19). Sie ist im Alten Testament unbekannt (so wird sie z.B. nicht unter den prophetisch vorhergesagten Dingen in 1. Petrus 1, 9 – 12 genannt). Vom Reich Gottes hingegen sprechen bereits die alttestamentarischen Propheten (vgl. Jesaja 9; 11; 60; 61; 62; 63; 64; 65; 66; Daniel 2; Daniel 7; Micha 5; Psalm 45; Psalm 72 u. a. m.)
4) Nach den alttestamentarischen Prophezeiungen wird das Reich Gottes auf dieser Erde errichtet werden und ein Ort irdischen, materiellen Segens sein (vgl. die unter Punkt 3 angegebenen alttestamentarischen Verheißungen, insbesondere bei Jesaja). Im Gegensatz dazu sind den Gläubigen der Versammlung (= Gemeinde/Kirche) vorrangig geistliche Segnungen verheißen und verliehen worden (vgl. Epheser 1, 3; Römer 8, 16 – 17; Hebräer 3, 1), ihr Glaubensziel ist nicht die Erde, sondern die ewige Gemeinschaft mit Gott im Haus des Vaters (Johannes 14, 1 – 3).
5) Zur Versammlung (= Gemeinde/Kirche) gehören all jene, die das Evangelium geglaubt, Buße getan, Jesus Christus als ihren Herrn und Erlöser angenommen (Apostelgeschichte 16, 31; Johannes 1, 12 – 13) und den Heiligen Geist empfangen haben (Epheser 1, 13; 1. Korinther 12, 13). Im Reich Gottes dagegen befinden sich auch solche, die nur äußerlich und mit dem Mund die Herrschaft Christi bekennen (vgl. Matthäus 13, 24 – 30), d.h. sich Christ nennen ohne in einer Glaubens- und Lebensbeziehung zu Jesus Christus zu stehen.
6) All‘ jene, die durch Glauben und Wiedergeburt aus dem Heiligen Geist (Apostelgeschichte 16, 31; Johannes 1, 12 – 13; Epheser 1, 13; 1. Korinther 12, 13) zur Versammlung (= Gemeinde/Kirche) gehören, haben auch Anteil am Reich Gottes (vgl. Kolosser 1, 13; Johannes 3, 1 – 6; 1. Thessalonicher 2, 12). Von jenen, die – rein äußerlich zum Reich Gottes gehören – wird jedoch nirgendwo in der Heiligen Schrift gesagt, dass sie auch Teil der Versammlung (= Gemeinde/Kirche) seien.
7) Die Versammlung (= Gemeinde/Kirche) wird als eine „neue Masse“ gesehen (1. Korinther 5, 7). Das Reich Gottes wird jedoch als „von Sauerteig durchsäuert“ beschrieben, d.h. in ihm sind Gutes (= reiner Teig) und Böses (= Sauerteig) miteinander vermischt (vgl. Matthäus 13, 33; Lukas 13, 20 – 21). „Sauerteig“ bezeichnet in der Heiligen Schrift nie etwas Gutes, sondern durchgängig etwas Böses (vgl. dazu meinen Artikel „Guter Sauerteig?“: Klick!)
8 ) Während im Reich Gottes bzw. im Reich der Himmel „Unkraut und Weizen“ bis zur Ernte nebeneinander wachsen sollen und es den Knechten des Herrn untersagt wird, das Unkraut vorher zu entfernen (vgl. Matthäus 13, 24 – 30), gibt der Apostel Paulus im Gegensatz dazu in 1. Korinther 5, 9 – 13 eine klare Anweisung zur Trennung von solchen, die sich „Brüder“, also „Gläubige“, nennen, aber durch ihren Wandel deutlich zeigen, dass sie Christus nicht wirklich angehören (vgl. zu „falschen Brüdern“ auch Galater 2, 4 und 2. Korinther 11, 26). Der Herr Jesus Selbst hat in Matthäus 18, 15 – 17 ähnliche Anweisungen gegeben.
9) Die Zeit der Versammlung (= Gemeinde/Kirche) auf dieser Erde dauert von ihrer Entstehung am Tag der Pfingsten (Apostelgeschichte 2, 1 – 47) bis zum Zeitpunkt der Entrückung (1. Thessalonicher 4, 17 – 18). Das Reich Gottes begann mit der öffentlichen Verkündigung desselben durch den Herrn Jesus Christus während Seines irdischen Dienstes (vgl. Matthäus 4, 17; Markus 1, 15). Es wird seinen vollen Ausdruck im Tausendjährigen Friedensreich, dem Millennium, finden und mit dem Gericht vor dem großen weißen Thron enden (vgl. 1. Korinther 15, 25 – 26; Offenbarung 20, 11 – 15).
10) Der Herr Jesus Christus ist der König des Reiches Gottes (vgl. Johannes 1, 49; Matthäus 18, 23 – 35; Matthäus 21, 5 i.V.m. Sacharja 9, 9; Matthäus 22, 2 – 14; Matthäus 25, 34 u. a. m.) Im Zusammenhang mit der Versammlung (= Gemeinde/Kirche) wird der Herr Jesus Christus nie als „König“ bezeichnet, sondern als „Herr“ oder „Haupt“ (vgl. „Herr“: Römer 1, 4 + 7; Römer 5, 1 + 11 + 21; 1. Korinther 1, 2 – 3 + 7 – 10; Epheser 4, 5; „Haupt“: Epheser 1, 10; + 22; Epheser 4, 15; Kolosser 1, 18; Kolosser 2, 19 u. a. m.).
Einige Hinweise zu den “Seligpreisungen“
In den so genannten “Seligpreisungen“ charakterisiert der Herr Jesus Christus jene, die im Reich Gottes bestimmte Segnungen empfangen werden. Jede dieser Beschreibungen wird mit den Worten “Selig sind …. “ eingeleitet. Ähnliche Verheißungen finden wir im Alten Testament (vgl. Psalm 1, 1; Psalm 32, 1 – 2; Psalm 84, 4 – 5; Psalm 144, 15; Sprüche 3, 13; Daniel 12, 12). Einige Kommentatoren vertreten die Meinung, dass die Seligpreisungen die Erfüllung der Prophetie in Jesaja 61, 1 – 3 beschreiben.
Mit dem Wort “selig“ bzw. der besseren Übersetzung “glückselig“ geben unsere deutschen Bibeln in Matthäus 5, 3 ff. das griechische Wort “μακάριος“ („makarios“) wieder. Mit diesem Wort ist keine “Seligkeit“ im Sinn von “Erlösung“ gemeint, sondern eine überwältigend große Freude, die ihren Grund darin hat, dass die so bezeichnete Person zum Reich Gottes gehört bzw. gehören wird.
In unseren deutschen Übersetzungen folgt jedes Mal nach der Aussage über die Glückseligkeit ein “denn“. Mit den dann folgenden Worten wird erläutert, warum die jeweilige Person als “glückselig“ bezeichnet werden kann. Grundsätzlich sind alle als “glückselig“ Bezeichneten in diesem Zustand, weil sie am Reich Gottes teilhaben. Außerdem stellt aber auch jede “Seligpreisung“ die Erfüllung einer Verheißung bzgl. des Reiches Gottes dar (vgl. Matthäus 5, 3 mit Jesaja 61, 1; Jesaja 66, 2; Matthäus 5, 4 mit Jesaja 61, 1 – 3; Matthäus 5, 5 mit Psalm 37, 11; Matthäus 5, 6 mit Jesaja 55, 1 – 2 und Daniel 9, 24; Matthäus 5, 7 mit Sprüche 19, 17 und Jesaja 49, 10; Matthäus 5, 8 mit Psalm 24, 4 und Jesaja 33, 17; Matthäus 5, 9 mit Jesaja 9, 6 – 7 und Jesaja 52, 7; Matthäus 5, 10 mit Apostelgeschichte 14, 22).
Anmerkungen zu Matthäus 5, 48
* “Ihr nun sollt vollkommen sein, wie euer himmlischer Vater vollkommen ist.“ – Matthäus 5, 48 – Mit diesem Worten schließt der Herr Jesus Christus Seine vorausgehende Belehrung ab. Diese Aussage fasst alles, was Er in den Versen 21 bis 47 über die Forderungen des Alten Testaments gesagt hat, zusammen und stellt diesen Forderungen die nicht zu überbietende “größere Gerechtigkeit“, von der Er in Vers 20 sprach, gegenüber.
Der Begriff der Vollkommenheit
Das in unseren Bibeln mit “vollkommen“ übersetzte griechische Wort ist “τέλειος“ (“teleios“). Es begegnet uns an etlichen Stellen des neuen Testaments im relativen Sinn (z. B. in 1. Korinther 14, 20; Epheser 4, 13; Hebräer 5, 14; Hebräer 6, 1) und wird daher an diesen Stellen ganz richtig mit “erwachsen“ oder “reif“ übersetzt. Im Zusammenhang von Matthäus 5, 48 bezieht sich der Begriff “vollkommen“ auf die Übereinstimmung mit dem Willen Gottes, den der Herr Jesus Christus in den Versen zuvor dargelegt hat. Die Gerechtigkeit der Pharisäer, das hatte der Herr in den Versen zuvor sehr deutlich gemacht, war eine rein äußerlich Gerechtigkeit. Sie erging sich in religiösen Ritualen und dem Einhalten von Geboten, also einem “Dienst nach Vorschrift“ bzw. “nach dem Buchstaben“. Im Gegensatz dazu forderte der Herr Jesus Christus Seine Jünger auf, innere Reinheit und Liebe zu kultivieren, die dann natürlich auch ihre Auswirkungen im täglichen Leben zeigen sollte. Dies war (und ist) der einzige Lebensstil, der einem Jünger Jesu entspricht, wenn der lebendige Gott sein/ihr Vater geworden ist. Denn Gottes Vollkommenheit findet ihren Ausdruck in Seiner vollkommenen Liebe und Heiligkeit.
Selbstverständlich können wir nie “vollkommen“ werden in dem Sinn, wie Gott vollkommen ist. Jede Art der Gottgleichheit, wie sie als Glaubensziel in manchen Religionen propagiert wird, ist aus der Sicht des Neuen Testaments ausgeschlossen. Das Neue Testament unterscheidet zwischen der Vollkommenheit, die wir bereits stellungsgemäß besitzen und der Vollkommenheit, die wir in unserem täglichen Leben anstreben sollen. Durch das Werk des Herrn Jesus Christus am Kreuz von Golgatha sind alle, die die von Ihm erworbene Erlösung im Glauben angenommen haben, bereits vollkommen gemacht worden:
“Denn mit einem Opfer hat er auf immerdar die vollkommen gemacht, die geheiligt werden.“
(Hebräer 10, 14)
Gleichzeitig ruft uns das Neue Testament jedoch auch dazu auf, in unserem Glaubensleben “Vollkommenheit“ anzustreben. Wie ist das möglich und wie kann das aussehen? Die Worte des Herrn Jesus Christus geben uns hierzu wertvolle Hinweise: Wenn der Herr uns ermahnt, “vollkommen zu sein, wie unser himmlischer Vater vollkommen ist“, dann bezieht Er sich damit auf eine Lebenseinstellung, die in Seiner Zeit in den Ländern des Nahen Ostens weit verbreitet war. Dort erwartete man ganz natürlich von Kindern, dass sie ihre Väter nachahmten. Auch wir sollen, so bestätigt es der Apostel Paulus in Epheser 5, 1, Gottes Nachahmer werden:
“Seid nun Nachahmer Gottes, als geliebte Kinder, (…)“
Doch Vorsicht! Der Weg dorthin führt nicht über das Gesetz und nicht über die Befolgung des Buchstabens! Das wäre nichts anderes, als ein neues Pharisäertum! (Und genau das braucht kein Mensch!) Es geht um den inneren Wachstumsprozess, von dem der Apostel Petrus in 2. Petrus 3, 18a spricht:
“Wachst aber in der Gnade und Erkenntnis unseres Herrn und Heilandes Jesus Christus.“
Es geht also darum, dass wir lernen, wie wir das, was wir gemäß unserer Stellung bereits besitzen, nun in unserem Glaubensalltag ganz praktisch umsetzen respektive ausleben. “Vollkommen zu werden, wie unser Vater im Himmel vollkommen ist“, bedeutet zuerst einmal, dass wir uns an dem Wesen unseres himmlischen Vaters orientieren. Dazu ist es notwendig, dass wir unseren himmlischen Vater mehr und mehr kennenlernen und das geschieht durch das Lesen Seines Wortes und durch das Gespräch im Ihm im Gebet. Die von uns auf diese Weise erkannten Wesenszüge Gottes sollen in unser Leben integriert werden. Das geschieht jedoch nicht, indem wir uns anstrengen, so zu handeln. Das wäre die Rückkehr zum “pharisaical way of life“, die Rückkehr zu einer allein äußerlichen Anstrengung und Umsetzung der Gebote Gottes. Und dieser Weg, das beweist das Beispiel der Pharisäer überdeutlich, ist zum Scheitern verurteilt. Nein, wir müssen vielmehr Gott immer wieder im Gebet darum bitten, dass Er unser innerstes Wesen verändert und so Seine Wesenszüge in unserem Leben zum Ausdruck kommen. Wenn wir auf diese Weise mit der Aufforderung unseres Herrn Jesus Christus in Matthäus 5, 48 umgehen, dann treten wir in den in 2. Petrus 3, 18a genannten Wachstumsprozess ein und werden so zu wahren Nachahmern Gottes. Nicht unsere menschliche Anstrengung ist in diesem Zusammenhang gefragt, sondern unsere demütige Offenheit Gott gegenüber, uns von Ihm verändern zu lassen.
Eine Frage der Liebe
Der Herr Jesus Christus verbindet diese Aufforderung in Matthäus 5, 43 – 48 insbesondere mit dem gebot der Nächsten- und Feindesliebe:
“Ihr habt gehört, dass gesagt ist: Du sollst deinen Nächsten lieben und deinen Feind hassen. Ich aber sage euch: Liebt eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen, damit ihr Söhne eures Vaters werdet, der in den Himmeln ist; denn er lässt seine Sonne aufgehen über Böse und Gute und lässt regnen über Gerechte und Ungerechte. Denn wenn ihr die liebt, die euch lieben, welchen Lohn habt ihr? Tun nicht auch die Zöllner dasselbe? Und wenn ihr nur eure Brüder grüßt, was tut ihr Besonderes? Tun nicht auch die von den Nationen dasselbe? Ihr nun sollt vollkommen sein, wie euer himmlischer Vater vollkommen ist.“
In diesem Zusammenhang bezieht sich der Herr Jesus Christus auf das gebot in 3. Mose 19, 18, wo es heißt:
“Du sollst dich nicht rächen und den Kindern deines Volkes nichts nachtragen, sondern sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. Ich bin der HERR.“
Das ganze 19. Kapitel des 3. Buches Mose ist geprägt von dem Wunsch Gottes, dass Sein Volk in einer freundlichen und friedlichen Weise zusammenleben soll. Doch was hatten die Pharisäer und Schriftgelehrten aus diesem Wunsch Gottes gemacht? Ausgehend von der einmal Aufforderung Gottes zum Kampf gegen die Feinde bei der Einnahme des Landes (vgl. 5. Mose 7, 2) hatten sie die Erlaubnis abgeleitet, Feinde grundsätzlich hassen zu dürfen. Davon aber steht nichts im Alten Testament und dieser Gedanke verträgt sich auch in keiner Weise mit dem darin geoffenbarten Willen Gottes. Auch die Beschränkung der Nächstenliebe auf die Angehörigen des eigenen Volkes korrigiert der Herr Jesus Christus. Ihr hatte Gott bereits in 2. Mose 12, 49 und 2. Mose 22, 21 eine deutliche Absage erteilt. Die Legitimation, den Feind zu hassen, wie sie die Pharisäer vertraten, stellte alle, die sich danach richteten, auf die selbe Ebene wie Sünder (hier in der Person der Zöllner gesehen) bzw. die Heidenvölker, die Gott nicht kannten:
“Liebt eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen, damit ihr Söhne eures Vaters werdet, der in den Himmeln ist; denn er lässt seine Sonne aufgehen über Böse und Gute und lässt regnen über Gerechte und Ungerechte. Denn wenn ihr die liebt, die euch lieben, welchen Lohn habt ihr? Tun nicht auch die Zöllner dasselbe? Und wenn ihr nur eure Brüder grüßt, was tut ihr Besonderes? Tun nicht auch die von den Nationen dasselbe?„
Gott in Seiner vollkommenen Liebe hingegen, “lässt seine Sonne aufgehen über Böse und Gute und lässt regnen über Gerechte und Ungerechte“. D.h., Gott lässt Seine Liebe auch denen zukommen, die es nicht verdienen. Das ist Gottes Weg, diese “Bösen“ bzw. “Ungerechten“ zur Umkehr zu bewegen, wie uns Römer 2, 4 zeigt:
“Oder verachtest du den Reichtum seiner Güte und Geduld und Langmut und weißt nicht, dass die Güte Gottes dich zur Buße leitet?„
Wer also meint, aus der Heiligen Schrift irgendeine Legitimation zum Hass gegenüber anderen Menschen ableiten zu können, der stellt damit deutlich unter beweis, dass er Gott nicht kennt.
Wer wirklich Gott erkannt und in eine Lebensbeziehung zu ihm eingetreten ist, der hat auch Anteil an seiner göttlichen Natur empfangen (2. Korinther 5, 17; 2. Petrus 1, 4). Auf diesen Zusammenhang weist uns der Apostel Petrus in seinem zweiten Brief hin und fährt dann fort:
“Darum setzt alles daran, dass zu eurem Glauben Charakterfestigkeit hinzukommt und zur Charakterfestigkeit ´geistliche` Erkenntnis, zur Erkenntnis Selbstbeherrschung, zur Selbstbeherrschung Standhaftigkeit, zur Standhaftigkeit Ehrfurcht vor Gott, zur Ehrfurcht vor Gott Liebe zu den Glaubensgeschwistern und darüber hinaus Liebe ´zu allen Menschen`.„
(2. Petrus 1, 5 – 7 NGÜ)
In Vers 3 davor heißt es:
“In seiner göttlichen Macht hat Jesus uns alles geschenkt, was zu einem Leben in der Ehrfurcht vor ihm nötig ist. Wir haben es dadurch bekommen, dass wir ihn kennen gelernt haben – ihn, der uns in seiner wunderbaren Güte zum Glauben gerufen hat.“
Hier wird uns also gesagt, dass Gott uns alles gegeben hat, was wir zu einem Leben benötigen, welches Gott wohlgefällig ist. Das gilt auch im Zusammenhang mit der Feindesliebe, denn Römer 5, 5 sagt uns. dass:
“(…) die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben worden ist.“
Wenn wir Gott immer wieder bitten, diese uns geschenkte Gottesliebe wachsen und zu unserem Nächsten, ja sogar zu unserem Feind, überfließen zu lassen, dann wird Gott uns auch in die Lage versetzen, auf diese Weise vollkommen zu werden. Dass diese Zuversicht keine unbegründete Wunschvorstellung, sondern belastbare Realität ist, wird durch das Leben und Wirken vieler Gläubiger unter Beweis gestellt, sie dazu den Artikel “Vergebung ist möglich“: Klick!