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Anmerkungen zu Haggai 2, 1 – 9
Als Grundlage für die Wortverkündigung am Sonntag dieser Woche ist ein Vers aus dem Buch des wenig bekannten Propheten Haggai (zum Hintergrund des Buches des Propheten Haggai siehe: Klick!) vorgesehen. Wir betrachten diesen Vers in seinem Sinnzusammenhang:
“Im siebten Monat, am Einundzwanzigsten des Monats, erging das Wort des HERRN durch den Propheten Haggai, indem er sprach: Rede doch zu Serubbabel, dem Sohn Schealtiels, dem Statthalter von Juda, und zu Josua, dem Sohn Jozadaks, dem Hohenpriester, und zum Überrest des Volkes und sprich: Wer ist unter euch übrig geblieben, der dieses Haus in seiner früheren Herrlichkeit gesehen hat? Und wie seht ihr es jetzt? Ist es nicht wie nichts in euren Augen? Und nun sei stark, Serubbabel, spricht der HERR; und sei stark, Josua, Sohn Jozadaks, du Hoherpriester, und seid stark, alles Volk des Landes, spricht der HERR, und arbeitet! Denn ich bin mit euch, spricht der HERR der Heerscharen. Das Wort, das ich mit euch eingegangen bin, als ihr aus Ägypten zogt, und mein Geist bestehen in eurer Mitte: Fürchtet euch nicht! Denn so spricht der HERR der Heerscharen: Noch einmal, eine kurze Zeit ist es, da werde ich den Himmel erschüttern und die Erde und das Meer und das Trockene. Und ich werde alle Nationen erschüttern; und das Ersehnte aller Nationen wird kommen, und ich werde dieses Haus mit Herrlichkeit füllen, spricht der HERR der Heerscharen. Mein ist das Silber und mein das Gold, spricht der HERR der Heerscharen. Die letzte Herrlichkeit dieses Hauses wird größer sein als die erste, spricht der HERR der Heerscharen; und an diesem Ort will ich Frieden geben, spricht der HERR der Heerscharen.“
(Haggai 2, 1 – 9 ELBEDHÜ; z. Vgl. LUTH’84)
Zum Hintergrund von Haggai 2, 1 ff.
Das Buch des Propheten Haggai umfasst nur zwei Kapitel mit vier Botschaften und lässt sich grob wie folgt einteilen:
In Kapitel 1 ist der Aufruf zum Wiederaufbau des Tempels dominierend. In Haggai 1, 1 – 6 findet sich der erste Aufruf des Propheten, gefolgt von einem zweiten Aufruf in Haggai 1, 7 – 11. In Haggai 1, 12 – 15 wird uns die Reaktion auf die Ermahnungen des Propheten beschrieben.
Kapitel 2 enthält Gottes Verheißungen für den Fall, dass die Israeliten Seinem Auftrag folgen und den Tempel wiederaufbauen. Die erste Verheißung betrifft die zukünftige Herrlichkeit des Tempels (Haggai 2, 1 – 9), die mit dem Kommen des Herrn Jesus Christus erfüllt wurde (vgl. Lukas 2, 25 – 32) und sich erneut mit Seiner Herrschaft im kommenden Millennium erfüllen wird¹. Haggai 2, 10 – 19 enthält die zweite Verheißung, die den zukünftigen Segen Gottes über Sein Volk ankündigt. Die dritte und letzte Verheißung ist an Serubbabel persönlich gerichtet (Haggai 2, 20 – 22) und bezieht sich auf die zukünftige Stellung, die Serubbabels Nachkommen als Nachkommenden aus der Linie Davids in der Geschichte des Volkes und insbesondere im Millennium einnehmen werden.
Anmerkungen zu Haggai 2, 1 – 9
* “Im siebten Monat, am Einundzwanzigsten des Monats, erging das Wort des HERRN durch den Propheten Haggai, indem er sprach: (…)“ – Haggai 2, 1 – Im selben Jahr, einen Monat nach der ersten Offenbarung, die Haggai von Gott empfing, erhielt er eine zweite Botschaft Gottes. Dies geschah zur Zeit des Laubhütten-Festes. In den siebten Monat (Tishri) des jüdischen Kalenders fallen verschiedene wichtige jüdische Feste: Am ersten Tag dieses Monats ist das “Fest der Trompeten“, besser bekannt als “Rosch Haschana“ (hebr. “Haupt“ oder “Beginn des Jahres“), das jüdische Neujahrsfest. Mit diesem Tag beginnen auch die zehn “Tage der Ehrfurcht“, die mit dem Versöhnungstag, “Jom Kippur“, dem höchsten jüdischen Feiertag, am 10. Tishri enden. Im Anschluss daran, vom 15 – 23. Tishri, schließt sich dann das Laubhütten-Fest an (3. Mose 23, 33 – 44).
* “Rede doch zu Serubbabel, dem Sohn Schealtiels, dem Statthalter von Juda, und zu Josua, dem Sohn Jozadaks, dem Hohenpriester, und zum Überrest des Volkes und sprich: (…)“ – Haggai 2, 2 – Gerichtet war diese zweite Botschaft an dieselben Menschen, die auch schon die die erste Offenbarung Gottes empfangen hatten: Serubbabel, Josua, und der ganzen Überrest Judas. Serubbabel, dessen Name auf seinen Geburtsort hinweist und “geboren in Babylon“ oder “Spross aus Babylon“ bedeutet, Josua (hebr. “Jahwe ist Rettung“ bzw. “Jahwe rettet“) sowie an der gesamte Überrest Judas waren gemeint. Serubbabel war der (politische) Statthalter, den die medo-persischen Herrscher über die nun zu ihrem Reich gehörende Provinz Juda eingesetzt hatten. Unter ihm waren viele jüdische Exilanten aus Babylon in das Land ihrer Väter zurückgekehrt (Esra 2, 2). Von Serubbabel ist bekannt, dass er der Sohn Schealtiels war (vgl. Esra 3, 2 + 8; Esra 5, 2; Nehemia 12, 1) und damit ein Enkel des Königs Jojachin (auch bekannt als “Jechonjah“ bzw. der Kurzform dieses Namens “Konja“). Dementsprechend war Serubbabel auch ein Nachkomme des Königs David (vgl. 1. Chronika 3, 17 – 19, Matthäus. 1, 12). In 1. Chronika 3, 17 – 19 wird neben Schealtiel auch Pedaja als Vater Serubbabels genannt. Der Grund hierfür kann in einer so genannten “Schwagerehe“ liegen (vgl. 5. Mose 25, 5 – 10). Eine Möglichkeit ist, dass Schealtiel – nach dem (vermutlich frühen) Tod von Pedaja – dessen Witwe (die Mutter Serubbabels) geheiratet hatte und so an die Stelle von Serubbabels leiblichen Vaters getreten war. Die andere Möglichkeit ist, dass Pedaja die Mutter Serubbabels heiratete, nachdem dessen leiblicher Vater Schealtiel verstorben war.
* “Wer ist unter euch übrig geblieben, der dieses Haus in seiner früheren Herrlichkeit gesehen hat? Und wie seht ihr es jetzt? Ist es nicht wie nichts in euren Augen?“ – Haggai 2, 3 – Unter den Zuhörern, denen Haggai die Botschaft Gottes verkündete, waren auch solche Bewohner Judas, die noch den Tempel Salomos gesehen hatten, der 66 Jahre zuvor zerstört worden war. Besonders an diese Menschen richtete Gott durch Seinen Propheten die Frage, ob in ihren Augen der neue Tempel, der nun erbaut worden war, nichts sei im Vergleich zu dem ersten Tempel (vgl. Sacharja 4, 10). Die dreifache Frage Gottes sollte den Zuhörern vor Augen führen, dass der neue Tempel nicht die Herrlichkeit des Salomonischen Tempels besaß. Bereits 16 Jahre zuvor (536 v. Chr.), als unter Esra der Grundstein für den neuen Tempel gelegt wurde, hatte diese Generation der Rückkehrer eine dahin gehende, negative Aussage getroffen (vgl. Esra 3, 8 – 13).
Die Weihung des Tempels Salomos hatte ebenfalls während des Laubhütten-Festes stattgefunden und zwar im Jahr 959 v. Chr. (1. Könige 8, 2; 2. Chronika 7, 8 – 10). Kommentatoren schließen daraus, dass Gott dem Propheten Haggai diese Botschaft deshalb auch an bzw. für diesen Tag gab.
* “Und nun sei stark, Serubbabel, spricht der HERR; und sei stark, Josua, Sohn Jozadaks, du Hoherpriester, und seid stark, alles Volk des Landes, spricht der HERR, und arbeitet! Denn ich bin mit euch, spricht der HERR der Heerscharen.“ – Haggai 2, 4 – Aber die Worte, die Gott durch Haggai Seinem Volk ausrichten lässt, sind nicht nur Worte der Zurechtweisung (wegen ihres Unglaubens und ihrer lang anhaltender Teilnahmslosigkeit gegenüber dem Willen Gottes für Sein Volk). Es ist auch eine Botschaft der Ermutigung, in der Er Serubbabel, Josua und das ganze Volk des Landes ermutigt, das vor 16 Jahren begonnene Werk des Tempelbaus endlich wieder aufzunehmen bzw. fortzusetzen. Und Gott verheißt, dass Er erneut mit Seinem Volk sein würde, wenn es dieser Aufforderung nachkäme (vgl. Haggai 1, 13). Schon David hatte auf diese Weise seinen Sohn Salomo zum Bau des ersten Tempels ermutigt (vgl. 1. Chronika 28, 10 + 20). Warum folgen diese Worte der Ermutigung genau auf die zurechtweisenden Worte, in denen Gott diejenigen anspricht, die noch dem Tempel Salomos gesehen haben und nun verächtlich über den neu zu erbauenden Tempel sprachen? Die Aussage dieser Menschen war ja, wie wir durch die Fragen Gottes erfahren, dass dieser neue Tempel niemals die Herrlichkeit und Pracht entfalten würde, die dem Tempel Salomos zu Eigen war. Es sind genau solche Vergleiche, die immer dazu führen, dass Menschen entmutigt werden, sei es in ihrem persönlichen Leben, sei es in ihrem Berufsleben oder sei es – wie hier – wenn Gott Menschen beruft, Seinen Willen auszuführen! Darum kritisierte Gott die Einstellung jener Generation, die noch den Tempel Salomos gesehen hatte und darum war es von entscheidender Bedeutung, dass Gott den nach Jerusalem Zurückgekehrten Seinen Beistand und Seine Gegenwart für das Werk verhieß, mit dem Er sie beauftragt hatte. Wir finden dieses Prinzip auch an verschiedenen Stellen im Neuen Testament (z.B. in Matthäus 18, 20; Matthäus 28, 20; Johannes 12, 26; Markus 6, 50; Apostelgeschichte 18, 10).
* “Das Wort, das ich mit euch eingegangen bin, als ihr aus Ägypten zogt, und mein Geist bestehen in eurer Mitte: Fürchtet euch nicht!“ – Haggai 2, 5 – Hier – wie schon beim Bau des ersten Tempels (siehe 1. Könige 6, 1!) – verbindet Gott den Auftrag zum Bau des zweiten Tempels wieder mit dem Auszug aus Ägypten (2. Mose 19, 4 – 6; 2. Mose 33, 14). Der Grund dafür war, dass Gott dem Volk Israel (bzw. bei Haggai nun dem jüdische Überrest) mit dem Bau bzw. Wiederaufbau des Tempels eine einmalige Gelegenheit schenkte, die ihm von Gott gegebene Berufung zu erfüllen. Gott hatte dieses Volk erwählt – und aus Ägypten (bzw. später aus Babylon!) – befreit, damit es ein Licht für die Nationen sein sollte. Gott hatte Sein Volk Israel aus einem einzigen Grund erwählt und (wiederholt!) befreit, nämlich, damit es die Erkenntnis des einzig wahren und lebendigen Gottes in alle Welt tragen und diese allen Menschen vermitteln sollte. Auf diese Weise wollte Gott alle Menschen zu sich ziehen. Genau diesen Sinn und Zweck ihrer Erwählung und (erneuten) Befreiung bestätigt Gott durch Haggai noch einmal, indem Er Sein Volk an die Verheißung erinnert, die Er ihm bereits bei seinem Auszug aus Ägypten gegeben hatte: Sein Geist würde in ihrer Mitte sein und darum brauchten sie sich nicht zu fürchten. Das galt nicht nur für die Israeliten, die aus Ägypten ausgezogen und in das verheißene Land zurückgekehrt waren. Nein, das galt auch für die Rückkehrer aus Babylon! So, wie Gott mit den aus Ägypten ausgezogenen Israeliten gewesen war und sie persönlich begleitet hatte, so wollte Er auch jetzt mit denen sein, die aus Babylon zurückgekehrt waren und nun im Land ihrer Väter vor großen Herausforderungen standen. So, wie David seinen Sohn Salomo zum Bau des ersten Tempels ermutigt und ihm versichert hatte, dass Gott mit ihm sein würde (vgl. 1. Chronika 28, 20), so ermutigte Gott durch den Propheten Haggai Serubbabel, Josua und den ganzen Überrest des Volkes, den Bau des zweiten Tempels endlich in Angriff zu nehmen und zu vollenden.
Anscheinend waren jene, die noch den Tempel Salomos gesehen hatten, nicht nur apathisch, wenn es darum ging, jetzt den neuen Tempel zu bauen. Sie hatten anscheinend auch Zweifel, ob Gott angesichts eines nicht vorhandenen Tempels überhaupt mit ihnen sein könnte. Dabei hatten sie völlig vergessen, welche großen Wunder der lebendige Gott bei dem Auszug aus Ägypten und bei der Einnahme des verheißenen Landes – also bevor es überhaupt jemals einen Tempel in Jerusalem gab – für Sein Volk vollbracht hatte! Es war anscheinend auch so, dass diese Rückkehrer daran zweifelten, dass Gott sie erneut begnadigt hatte und nun dachten, dass deshalb das ganze Unternehmen, einen neuen Tempel zu bauen, vergebens war. Dass solche Überlegungen, ja Ängste in den Herzen einiger Rückkehrer vorhanden waren, macht auch Jesaja 44, 21 – 22 deutlich (vgl. dazu den Artikel “’DU BIST mein Knecht!‘ – Anmerkungen zu Jesaja 44, 21 – 22„: Klick!).
* “Denn so spricht der HERR der Heerscharen: Noch einmal, eine kurze Zeit ist es, da werde ich den Himmel erschüttern und die Erde und das Meer und das Trockene.“ – Haggai 2, 6 – Die Gründe für die gegenwärtige Situation in Jerusalem und insbesondere für den seit 16 Jahren darniederliegenden Tempelbau waren also im Unglauben und in der Angst der Rückkehrer zu finden. Beides – Unglaube und Angst – konnten in den Herzen der Zurückgekehrten nur darum Wurzeln schlagen, weil sie sich nicht mehr an die Wunder erinnerten, die Gott für sie beim Auszug aus Ägypten getan hatte. Und diese Erinnerungslücken konnten nur deshalb entstehen, weil sie sich ganz offensichtlich nicht mehr ausreichend mit den Schriften des Alten Testaments beschäftigten, die ihnen über die Wunder Gottes, aber auch über ihre Erwählung und Berufung durch Gott hätten Auskunft geben können. Mit dieser neuen Botschaft, die Gott Seinem Volk durch Seinen Propheten zukommen lässt, führt Er also quasi einen Frontalangriff gegen den Unglauben Seines Volkes und dessen Vernachlässigung Seines heiligen, niedergeschriebenen Wortes.
Gott verhieß außerdem, dass Er in der Zukunft noch einmal tun würde, was Er bereits während der Wüstenwanderung am Berg Sinai getan hatte (vgl. 2. Mose 19, 16 – 18; Psalm 68, 8 – 9; Psalm 77, 16 – 18). Mit den Worten “den Himmel erschüttern und die Erde, das Meer und das Trockene“ wird ein Erdbeben beschrieben, welches (immer wieder) der Beweis für Gottes übernatürliches Eingreifen war (vgl. Jesaja 2, 12 – 21; Jesaja 13, 13; Hesekiel 38, 20; Amos 8, 8). Eine ähnliche Manifestation der Macht Gottes wird auch im Zusammenhang mit der Wiederkunft Jesu Christi verheißen (vgl. Joel 3, 16; Matthäus 24, 29 – 30). Auch der Autor des Hebräerbriefes zitierte diese Aussage des Propheten Haggai und zwar in Hebräer 12, 26 – 29:
(…) dessen Stimme damals die Erde erschütterte; jetzt aber hat er verheißen und gesagt: Noch einmal werde ich nicht allein die Erde erbeben lassen, sondern auch den Himmel. Aber das noch einmal deutet die Verwandlung der Dinge an, die erschüttert werden als solche, die gemacht sind, damit die, die nicht erschüttert werden, bleiben. Deshalb, da wir ein unerschütterliches Reich empfangen, lasst uns Gnade haben, durch die wir Gott wohlgefällig dienen mögen mit Frömmigkeit und Furcht. Denn auch unser Gott ist ein verzehrendes Feuer.“
In Christus Jesus, unserem Herrn und Erlöser, haben wir ein unerschütterliches Reich empfangen und dieses Reich wird jede noch so starke Erschütterung überstehen.
* “Und ich werde alle Nationen erschüttern; und das Ersehnte aller Nationen wird kommen, und ich werde dieses Haus mit Herrlichkeit füllen, spricht der HERR der Heerscharen.“ – Haggai 2, 7 – Zur selben Zeit wird Gott die Nationen erschüttern. Die Wiederkunft Jesu Christi wird alle gewohnten Strukturen unserer gegenwärtigen Welt auf den Kopf stellen (vgl. Sacharja 14, 1 – 4). Wie die Ägypter ihren Reichtum den Israeliten mitgaben, so werden die Nationen ihren Reichtum nach Jerusalem bringen (vgl. 2. Mose 3, 21 – 22; 2. Mose 11, 2 – 3; 2. Mose 12, 35 – 36; Jesaja 60, 5 + 7 + 13; Sacharja 14, 14).
Einige Ausleger gehen davon aus, dass es sich bei diesem Tempel um den Tempel im Tausendjährigen Friedensreich handeln muss, dessen Plan wir im Buch des Propheten Hesekiel (Hesekiel 40 – 48) finden. Wenn dem so sein sollte, wäre “das Ersehnte aller Nationen“ der Reichtum, den die Nationen nach Jerusalem bringen werden.
* “Mein ist das Silber und mein das Gold, spricht der HERR der Heerscharen.“ – Haggai 2, 8 – Dieser Vers scheint die Annahme zu unterstützen, dass es sich bei “dem Ersehnten der Völker“ um den materiellen Reichtum der Nationen handelt, den sie nach Jerusalem bringen werden. Mit dieser Aussage erinnerte Gott Sein Volk insbesondere daran, dass Er allein die Kontrolle über alle Güter der Erde, einschließlich der wertvollsten, besitzt. Das bedeutete in der konkreten Situation im Jerusalem des Jahres 520 v. Chr. auch, dass Er für alles Sorge tragen würde, was die Israeliten zum Bau des neuen Tempels benötigten. Wir müssen bedenken, dass dieses Volk erst 19 Jahre zuvor aus dem Babylonischen Exil zurückgekehrt war. Außerdem waren es hauptsächlich Israeliten aus den ärmeren Bevölkerungsschichten, die das Angebot des Königs Kyros II. angenommen hatten und das Land ihrer Väter nun erneut besiedelten. Jene, die in Babylon zu wirtschaftlichem Wohlstand gekommen waren, hatten sich dort so sehr verwurzelt, dass sie weiterhin freiwillig im Land ihrer Gefangenschaft blieben. Wir haben es also bei den Zurückgekehrten mit einem vergleichsweise armen Volk zu tun. Woher sollten diese Menschen die kostbaren Materialien nehmen, die zum Bau des Tempels Gottes notwendig waren? Nun, zum einen hatte Gott Seine Verheißung bereits einmal erfüllt. Aus Esra 1, 1 – 4 wissen wir, dass Kyros II. die reichen, in Babylon verbliebenen Israeliten dazu aufrief, den Tempelbau in Jerusalem materiell zu unterstützen. Außerdem stellte er selbst Mittel zum Bau des Tempels (vgl. Esra 6, 4) zur Verfügung und gab auch die von Nebukadnezar bei der Zerstörung des Salomonischen Tempels erbeuteten Tempelgeräte wieder heraus. So verfügten die Israeliten dann auch, wie wir aus Esra 3, 7 erfahren über die Mittel, mit denen sie Steinmetzarbeiten finanzieren und Zedernholz aus dem Libanon kaufen konnten. Anschließend war der Tempelbau, wie wir aus den Büchern Esra, Sacharja und Haggai wissen, für 16 Jahre zum Erliegen gekommen. Als nun Sacharja und Haggai im Auftrag Gottes das Volk ermahnten und ermutigten, mit dem Bau des Tempels fortzufahren (Esra 5, 1 – 2), da gab der nun regierende medo-persische König Darius I. einen Erlass heraus, der die ursprünglichen Befehle Kyros II. zur Unterstützung des Tempelbaus bestätigte. Dadurch wurden dann auch die nötigen Mittel für den Weiterbau bereit gestellt (vgl. Esra 6, 1 – 12). Gott hatte Seinem Volk buchstäblich vor Augen geführt, dass Er über den Reichtum der Erde verfügte und kein heidnischer König in der Lage war, sich Seinem Gebot und Wirken zu widersetzen.
* “Die letzte Herrlichkeit dieses Hauses wird größer sein als die erste, spricht der HERR der Heerscharen; und an diesem Ort will ich Frieden geben, spricht der HERR der Heerscharen.“ – Haggai 2, 9 – Obwohl der Tempel, der unter Serubbabel erbaut werden sollte, an die Herrlichkeit des Salomonischen Tempels nicht heranreichen würde, verhieß Gott doch, dass eine Zeit kommen sollte, in der die Herrlichkeit dieses zweiten Tempels größer sein würde, als die des ersten. Der erste Teil dieser Verheißung hat sich m.E. erfüllt: Unter König Herodes wurde der Tempel in Jerusalem umgebaut und mit einer unvorstellbaren Pracht versehen. Doch dies war nur eine äußere, materielle Herrlichkeit. Die wahre Herrlichkeit des Herrn erfüllte in diesen Tempel, als der Sohn Gottes dorthin kam. Simeon sprach, als er den Erlöser dort sah, prophetisch von “der Herrlichkeit deines Volkes Israel“ (Lukas 2, 32). Das war die größte Herrlichkeit Gottes, die diesen zweiten Tempel in Jerusalem jemals erfüllte. Es war aber zugleich auch ein Hinweis darauf, dass in dem Tempel des zukünftigen Friedensreiches Gottes Seine Herrlichkeit und Sein Friede dauerhaft gegenwärtig sein werden. Denn wirklicher Friede wird nur herrschen, wenn der Friedefürst – Jesus Christus – (Jesaja 9, 5) wiedergekommen wird, um Seine Friedensherrschaft aufzurichten (vgl. Jesaja 2, 4; Jesaja 9, 6; Sacharja 9, 9 – 10).
Gott sprach durch Haggai zu Seinem Volk in Jerusalem während des Laubhütten-Festes im Jahr 520 v. Chr., um es neu zum Bau des Tempels zu motivieren. Er wählte diesen Zeitpunkt, weil die Israeliten anlässlich dieses Festes auf den Auszug aus Ägypten, die Wüstenwanderung und die anschließende Einnahme des verheißenen Landes zurückblickten. Die Erinnerung an die Wunder Gottes, die Er während dieser ganzen Zeit für Sein Volk getan hatte, sollten es jetzt wieder ermutigen, Ihm trotz aller Schwierigkeiten der Gegenwart, denen sie sich im Zusammenhang mit dem Bau des neuen Tempels ausgesetzt sahen, erneut zu vertrauen. Wenn sie das taten, sollten sie als Sein Volk in der Zukunft noch eine weitaus größere Herrlichkeit “an diesem Ort“ – also in Jerusalem – sehen.
Aufsehen und anpacken
Aus den Geschehnissen im Jerusalem des Jahres 520 v. Chr. können wir einige wichtige Dinge für unser Leben als Christen lernen:
- Wie Gott die Israeliten in dieser schwierigen Zeit an das Wunder der Befreiung aus Ägypten (und aus Babylon!) erinnerte, so dürfen auch wir uns immer wieder von Ihm an das Wunder unserer Befreiung aus der Macht der Sünde und des Todes durch unseren Erlöser Jesus Christus erinnern lassen (Römer 8, 2). Diese Befreiung ist von ewiger Dauer und geht damit weit über die Befreiung der Israeliten aus Ägypten bzw. Babylon hinaus.
- Wie die Israeliten unter Serubbabel, so sollten auch wir uns daran erinnern, dass Gott mit unserer Befreiung aus der Macht der Sünde und des Todes einen ganz bestimmten Zweck verfolgt: Er hat uns eine Berufung geschenkt, die es nun zu erfüllen gilt (siehe 1. Petrus 2, 9 ff.)
- Wenn Gott uns mit einer bestimmten Aufgabe betraut hat und sich im Zusammenhang damit Probleme ergeben, dann sollten wir nicht den Fehler machen, unsere gegenwärtige Zeit mit angeblich “besseren Zeiten“ zu vergleichen. Das wird uns nur entmutigen und den Blick für die Lösungen der gegenwärtigen Probleme verstellen. Wir sollten vielmehr unseren Blick auf Gott richten und von Ihm die Hilfe erwarten, die wir zur Erfüllung Seiner Pläne brauchen. Ihm gehört alles Silber und Gold der Erde, denn Er hat sie geschaffen. Sollte Er nicht in der Lage und Willens sein, uns mit allem zu versorgen, was wir für die Erfüllung Seiner Pläne benötigen? Dazu ist es jedoch wichtig, dass wir das Studium Seines Wortes, der Heiligen Schrift zu unserer Priorität machen. Denn nur so werden wir davor bewahrt, in Unglauben und Apathie zu verfallen. Der feste Glaube, den wir brauchen, kommt allein durch das Wort Gottes (Römer 10, 17). Wenn wir in dieser Weise immer wieder neu zu dem allmächtigen Gott aufschauen, empfangen wir auch die Kraft, neu anzupacken, um Seinen Willen zu erfüllen.
Fußnoten:
¹= Wir haben es hier mit einem Fall des doppelten Bezugs bzw. der doppelten Erfüllung zu tun, vgl. dazu: Dr. D. J. Pentecost in ”Bibel und Zukunft”, CV Dillenburg 1993, Kapitel 4, Seite 70: “Das Gesetz des doppelten Bezugs – Es gibt bei der Auslegung der prophetischen Schriften nur wenige Gesetze, die wichtiger sind als das Gesetz des doppelten Bezugs. Diese Regel besagt, dass zwei Ereignisse in einer Prophezeiung erwähnt werden können, obwohl sie, was die Zeit ihrer Erfüllung anbelangt, weit auseinander liegen. Diese zweifache Bedeutung findet sich dann, wenn der Prophet eine Botschaft sowohl für die damalige als auch für eine zukünftige Zeit verkündete. Indem er zwei weit auseinanderliegende Ereignisse in einer Prophezeiung erwähnte, konnte er zwei unterschiedliche Empfängergruppen mit einer Prophezeiung erreichen. Dazu Horne: ‘Prophezeiungen haben oft eine doppelte Bedeutung und beziehen sich auf verschiedene Ereignisse, von denen z.B. das eine in der nahen und das andere in der fernen Zukunft liegt bzw. das eine weltlich und das andere geistlich oder ewig ist. Die Propheten haben somit unterschiedliche Ereignisse vor Augen, wobei ihre Formulierungen teilweise auf das eine und zum Teil auf das andere anwendbar sind. Oft ist es nicht leicht, hier richtig zu unterscheiden. Was nicht durch das erste Ereignis erfüllt wurde, muß auf das zweite bezogen werden. Was bereits in Erfüllung gegangen ist, kann man als kennzeichnend für das ansehen, was noch nicht geschehen ist.’ (Thomas Hartwell Horne, Introduction to the Critical Study and Knowledge of the Holy Scriptures, New York: Robert Carter and Brothers, 1859, Vol. I, S. 390) Es war die Absicht Gottes, einen Blick in die nahe und ferne Zukunft zu ermöglichen, um mit dem Eintritt des ersten Ereignisses die Gewähr für die Erfüllung des zweiten zu geben. Dies hebt Girdlestone hervor, wenn er sagt ‘Und doch wurde noch eine weitere Vorkehrung getroffen, um die Menschen in ihrem Glauben an die Aussprüche, die sich auf die ferne Zukunft bezogen, zu bestärken. Oft war es so, daß ein Prophet, der über solche künftigen Dinge zu weissagen hatte, zugleich den Auftrag bekam, Ereignisse vorherzusagen, die in Kürze geschehen würden. Das Eintreten dieser Vorhersagen erlaubte es dann den Menschen, auch an die Aussprüche zu glauben, die sich auf die ferne Zukunft bezogen. Die erste Prophezeiung war praktisch ein ”Zeichen” für die zweite; wenn sich die eine bewahrheitete, war auch die andere vertrauenswürdig. So half die Geburt Isaaks, die aufgrund der Umstände äußerst unwahrscheinlich war, Abraham zu glauben, daß in seinem Namen alle Geschlechter der Erde gesegnet werden sollen.’ (R. B. Girdlestone, The Grammar of Prophecy, London: Eyre and Spottiswoode, 1901, Seite 21).” – Zur Diskussion der doppelten Erfüllung bzw. des doppelten Bezugs biblischer Prophetien siehe auch: Dr. David Jeremiah: ”The Principle of double fulfillment in interpreting prophecy” in: Grace Journal, Grace Theological Seminary, Winona Lake, IN, Spring 1972, Seite 13 – 29