Gary Witherall: Total Abandon (Buchbesprechung)

Sidon (48708030)

Sidon/Libanon * Foto: By upyernoz from Haverford, USA (Sidon Uploaded by AlbertHerring) [CC BY 2.0 (http://creativecommons.org/licenses/by/2.0)%5D, via Wikimedia Commons

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Das Buch “Total Abandon“ (in deutscher Sprache unter dem Titel “Das Beste gegeben“ erschienen) erzählt die Lebensgeschichte von Bonnie Witherall, die am 21. November 2002 in den Nachwehen des Anschlags vom 11. September 2001 und des danach beginnenden Afghanistan-Krieges bei einem Terroranschlag auf eine christliche Gemeinde und die ihr angeschlossene Frauenklinik in Sidon/Libanon getötet wurde. Damit war Bonnie Witherall eine der ersten christlichen Märtyrerinnen des 21. Jahrhunderts. Doch dieses Buch ist kein Buch über eine “christliche Heldin“, auch wenn ihr Ehemann seine Frau darin liebevoll als “Princess of the Kingdom“ bezeichnet.
Gary Witherall berichtet zuerst von seinem und Bonnies Weg zum Glauben an Jesus Christus. Dabei spart er Zeiten des Zweifels und der Schwierigkeiten nicht aus. Der Leser erfährt, wie sich das Paar während des Studiums am Moody Bible Institute in Chicago kennenlernte, heiratete und anschließend eine Phase der Orientierung durchlief, ehe die Witheralls 2001 den Missionsdienst im Libanon aufnahmen. Während Gary sich in zwei christlichen Gemeinden einbrachte, war Bonnie an zwei Tagen pro Woche in einer Frauenklinik tätig. Dort wurden hauptsächlich schwangere Frauen aus einem palästinensischen Flüchtlingslager medizinisch versorgt. Auch libanesischen Frauen, die sich sonst keine ärztliche Betreuung leisten konnten, stand die Klinik offen. Dieser und andere Teile des Buches sind durchzogen von persönlichen Tagebuchaufzeichnungen, durch die immer wieder deutlich wird, wie wichtig das Fragen nach dem Willen und Plan Gottes für unser Leben ist und wie glücklich wir werden können, wenn Gott uns Seinen Plan offenbart und wir ihm folgen. Auch in diesem Punkt spart der Autor  Zeiten voller Fragen und Schwierigkeiten, die Teil des Lebens in wahrer Jüngerschaft und Nachfolge Christi sind, nicht aus. Nachdem der Leser erfahren hat, wie die Witheralls die Entscheidung trafen, dem Ruf Gottes in den Libanon zu folgen, macht Gary uns in einem kurzen Abschnitt mit der jüngeren Geschichte dieses Landes bekannt. Persönlich hätte ich mir gewünscht, dass er auf den historischen und politischen Hintergrund des Landes etwas ausführlicher eingegangen wäre. Denn durch diesen sehr kurzen Abriss bekommt man als Leser nur wenig Zugang zu diesem Land. Doch der Fokus von Gary ist ein anderer. Ihm geht es um die schwierige Situation der Menschen in diesem durch jahrzehntelangen Bürgerkrieg geschundenen Land. Auf das Leben der Libanesen unter oftmals schwierigsten Umständen geht er darum an verschieden Stellen auch wesentlich ausführlicher ein. Obwohl die Menschen im Libanon Anfang des 21. Jahrhunderts relativ viele Freiheiten besaßen, war das Land in Wahrheit ohne Hoffnung und ohne wirklichen Frieden. Und es wird deutlich: Es war die schwierige Situation der Menschen, die Gary und Bonnie Witherall bewog, in dieses Land zu gehen. Ihnen wollten sie durch ihr Leben und die Verkündigung des Evangeliums die Hoffnung und den Frieden nahebringen,  die/der nur durch Jesus Christus erlebt werden kann. Als großes Geschenk empfand das junge Ehepaar die Gastfreundschaft und Offenheit der Libanesen, die zu Freundschaften mit vielen Einheimischen führten.
Diese hoffnungsvollen Anfänge ihres Dienstes fanden ein abruptes Ende, als ein Terrorist am 21. November 2002 in die kleine christliche Frauenklinik stürmte und Bonnie Witherall erschoss. Sehr ehrlich berichtet Gary von den Ereignissen um Bonnies Tod und von seinen Gefühlen in diesem Zusammenhang. Eine ganze Maschinerie von Polizeiarbeit beginnt, man bringt ihn in die für ihn zuständige Botschaft und fliegt ihn nur wenig später nach Amerika aus. Kurz zuvor findet ein Gedenkgottesdienst für Bonnie statt, an dem auch die Schwester des (später ebenfalls ermordeten) libanesischen Ministerpräsidenten Hariri teilnimmt und bei dem Gary von vielen Seiten der libanesischen Gesellschaft nicht nur ehrliche Anteilnahme am Tod seiner Frau, sondern auch die Abscheu der Libanesen gegen dieses Verbrechen bekundet wird. Für Gary ist es vorerst die letzte Gelegenheit, zu den Menschen im Libanon zu sprechen und – nachdem er zuvor Zeit im Gebet verbracht hat – nutzt er diese Gelegenheit, um dem Täter zu öffentlich zu vergeben. Denn die immer noch untereinander verfeindete libanesische Gesellschaft braucht nichts dringender als Frieden und Frieden zwischen Feinden wird nur möglich durch Vergebung. Das, wovon Gary Witherall schon die ganze Zeit in Bezug auf den Libanon als Land überzeugt ist, muss er nun in seinem eigenen Leben ganz praktisch ausleben. Dem Mörder seiner Frau zu vergeben, ist nicht einfach, aber durch Gottes Gnade und Kraft möglich. Damit steht Gary Witherall in einer Reihe mit Gladys Staines, deren Mann Dr. Graham Staines mit ihren zwei minderjährigen Söhnen 1999 von Hindu-Nationalisten in Indien aufgrund ihres christlichen Glaubens umgebracht wurden und die im indischen Fernsehen öffentlich den Mördern vergab. Damit steht er auch in einer Reihe mit Susanne Geske und Şemse Aydın, deren Männer bei einem Anschlag auf den christlichen Zirve-Verlag in Malatya/Türkei von muslimischen Extremisten wegen ihres christlichen Glaubens brutal ermordet wurden. Auch sie vergaben den Mördern ihrer Männer öffentlich.
Im Anschluß an diesen Gedenkgottesdienst beginnt das, was Gary in seinem Buch “eine lange Reise“ nennt. Er kehrt zurück nach Amerika, wo er Bonnie beerdigt und Zeit mit seinen Schwiegereltern verbringt. Er nimmt Seelsorge in Anspruch und kann sich  langsam neu orientieren. Auch dieser Abschnitt des Buches ist überzeugend ehrlich. Gary lässt den Leser an seinen Fragen, Nöten und Schmerzen, aber auch an dem Prozess der inneren Heilung und der Führung Gottes, die er nach dieser dunklen Zeit erlebt, teilhaben. 2004 kehrt er für einen Besuch in den Libanon zurück und kann mit dem Geschehenen ein Stück weit abschließen. Er empfindet, dass dieser Teil seines Lebens vergangen ist und Gott Neues für ihn vorbereitet. Dieses Neue kommt in der Person von Helena auf ihn zu, die er kennenlernt, als er am Moody Bible Institute, seiner Alma Mater, nach der Rückkehr aus dem Libanon vor Studenten spricht. Silvester 2004 heiraten sie.
Eine Frage, die in “Total Abandon“ nicht gestellt wird, ist die Frage nach dem “Warum?“. “Warum lässt Gott so etwas zu?“ Und trotzdem wird diese Frage beantwortet. Denn Gottes Wort, die Bibel, sagt uns, dass wir als Nachfolger Jesu Christi in einer Welt leben, die unserem Erlöser – und damit auch uns – oftmals feindlich gesonnen ist. Mit dem Wissen um diese Realität müssen wir leben und – notfalls – auch sterben. Unser Herr und Erlöser hat uns nie verheißen, dass unser Leben für Ihn in dieser Welt immer problem- und schmerzlos sein wird. Seine eigenen Worte (Johannes 15, 20 + 24; Markus 10, 30), das Leben Seiner Jünger (1. Korinther 4, 12; 2. Korinther 4, 9; 2. Timotheus 3, 11) und das der ersten Christen (Apostelgeschichte 8, 1; 2. Thessalonicher 1, 4; 2. Timotheus 3, 12) zeigen deutlich, dass Christsein in dieser Welt gefährlich sein kann. Oft werden wir durch Gottes Gnade bewahrt. Doch Gott lässt auch Zeiten des Schmerzes und des Leidens zu, in denen wir dieser verlorenen Welt durch die Kraft Seiner Gnade Seine Liebe umso deutlicher zeigen können. Am Ende dient dies alles Seiner Verherrlichung und unserem Wachstum in Ihn (Epheser 3, 10; 2. Thessalonicher 1, 3 – 4). Gary Witheralls Buch “Total Abandon“ (“Das Beste geben“) macht Mut zu einem solchen Leben in der Nachfolge Jesu Christi.

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