Die Fußwaschung – Anmerkungen zu Johannes 13, 1 – 20

 Das Glasfenster Nummer 23 (Mitte, Detail) in der Sint Janskerk in Gouda/Niederlande:

Das Glasfenster Nummer 23 (Mitte, Detail) in der Sint Janskerk in Gouda/Niederlande: „Die Fußwaschung“ * Foto: Joachim Köhler via Wikimedia commons

Verse aus dem Kontext der Fußwaschung stehen im Fokus der Wortverkündigung am morgigen Sonntag. Sie wurden dem 13. Kapitel des Johannesevangeliums  (zum Hintergrund des Johannesevangeliums siehe: Klick!) entnommen und sollen nachfolgend in ihrem Zusammenhang betrachtet werden:

“Vor dem Fest des Passah aber, als Jesus wusste, dass seine Stunde gekommen war, dass er aus dieser Welt zu dem Vater hingehen sollte – da er die Seinen, die in der Welt waren, geliebt hatte, liebte er sie bis ans Ende. Und während des Abendessens, als der Teufel schon dem Judas, Simons Sohn, dem Iskariot, ins Herz gegeben hatte, ihn zu überliefern, steht [Jesus], wissend, dass der Vater ihm alles in die Hände gegeben hatte und dass er von Gott ausgegangen war und zu Gott hingehe, von dem Abendessen auf und legt die Oberkleider ab; und er nahm ein leinenes Tuch und umgürtete sich. Dann gießt er Wasser in das Waschbecken und fing an, den Jüngern die Füße zu waschen und mit dem leinenen Tuch abzutrocknen, mit dem er umgürtet war. Er kommt nun zu Simon Petrus, [und] der spricht zu ihm: Herr, du wäschst mir die Füße? Jesus antwortete und sprach zu ihm: Was ich tue, weißt du jetzt nicht, du wirst es aber nachher verstehen. Petrus spricht zu ihm: Niemals sollst du mir die Füße waschen! Jesus antwortete ihm: Wenn ich dich nicht wasche, hast du kein Teil mit mir. Simon Petrus spricht zu ihm: Herr, nicht meine Füße allein, sondern auch die Hände und das Haupt!  Jesus spricht zu ihm: Wer gebadet ist, hat nicht nötig, sich zu waschen, ausgenommen die Füße, sondern ist ganz rein; und ihr seid rein, aber nicht alle. Denn er kannte den, der ihn überliefern würde; darum sagte er: Ihr seid nicht alle rein. Als er ihnen nun die Füße gewaschen und seine Oberkleider genommen hatte, legte er sich wieder zu Tisch und sprach zu ihnen: Versteht ihr, was ich euch getan habe? Ihr nennt mich Lehrer und Herr, und ihr sagt es zu Recht, denn ich bin es. Wenn nun ich, der Herr und der Lehrer, euch die Füße gewaschen habe, so seid auch ihr schuldig, einander die Füße zu waschen.
Denn ich habe euch ein Beispiel gegeben, damit, wie ich euch getan habe, auch ihr tut. Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Ein Knecht ist nicht größer als sein Herr, noch ein Gesandter größer als der, der ihn gesandt hat. Wenn ihr dies wisst, glückselig seid ihr, wenn ihr es tut. Ich rede nicht von euch allen, ich weiß, welche ich auserwählt habe; aber damit die Schrift erfüllt würde: „Der mit mir das Brot isst, hat seine Ferse gegen mich erhoben.“ Von jetzt an sage ich es euch, ehe es geschieht, damit ihr, wenn es geschieht, glaubt, dass ich es bin. Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wer aufnimmt, wen irgend ich senden werde, nimmt mich auf; wer aber mich aufnimmt, nimmt den auf, der mich gesandt hat.“

(Johannes 13,  1- 20 ELBEDHÜ; z. Vgl. LUTH’84)

Zum Hintergrund von Johannes 13, 1 ff.

In den synoptischen Evangelien (Matthäus, Markus und Lukas) finden wir die Berichte über den Umgang des Herrn mit Seinen Jüngern und Ihre Belehrung durch Ihn inmitten der Berichte über Seinen Dienst für die manchmal sehr großen Menschenmengen. Im Johannesevangelium finden wir eine stärkere Trennung dieser beiden Bereiche des Dienstes Jesu (auch wenn es zeitweise Überschneidungen gibt). Besonders deutlich wird dies in den Kapiteln 1317, die sich ganz auf den letzten Dienst des Herrn an Seinen Jüngern konzentrieren. Die in diesen Kapiteln niedergelegte Belehrung, das wird bei ihrer Lektüre deutlich, sollte die Zwölf für ihre Hirtenaufgabe innerhalb der Versammlung (= Gemeinde/Kirche) vorbereiten. Der Zeitpunkt, an dem der Herr diese Belehrungen gab, ist heilsgeschichtlich bedeutsam. Kurz zuvor hatten die religiösen Führer Israels Jesus Christus als den verheißenen Messias Gottes endgültig verworfen (Matthäus 12, 23 – 43). Das aber führte dazu, dass das Reich Gottes von ihnen genommen und seine Aufrichtung zeitlich verschoben wurde (vgl. Matthäus 8, 12; Matthäus 21, 43; Apostelgeschichte 1, 6 – 7).
Während der Evangelist Johannes den Herrn Jesus Christus im ersten großen Abschnitt seines Evangeliums als einen Lehrer zeigt, der zuerst ein Wunder tut und die Bedeutung dieses Wunders anschließend Seinen Zuhörern erklärt, ist dies im zweiten großen Abschnitt genau umgekehrt: Der Herr belehrt Seine Jünger über die Bedeutung Seines Todes, bevor Er zum Kreuz geht und anschließend aufersteht.

Anmerkungen zu Johannes 13, 1 – 20

* “Vor dem Fest des Passah aber, als Jesus wusste, dass seine Stunde gekommen war, dass er aus dieser Welt zu dem Vater hingehen sollte – da er die Seinen, die in der Welt waren, geliebt hatte, liebte er sie bis ans Ende.“ – Johannes 13, 1 – Wie wir bereits bei anderen biblischen Betrachtungen festgestellt haben, sind Abschiedsreden vor dem Tod einer Person in der Heiligen Schrift von großer Bedeutung (vgl. 5. Mose 31 – 33; Josua 23 – 24; Apostelgeschichte 20). Keine dieser Abschiedsreden hat jedoch ein solches Gewicht, wie jene, die uns Johannes in den Kapiteln  1317 überliefert.  Unser Herr stellte vor Seine Abschiedsreden eine sehr praktische Lektion, die Er im Anschluss daran mit einer Belehrung verband: die Fußwaschung (Johannes 13, 1, – 11).
Johannes betont, dass das nun folgende Geschehen während des Passah-Festes statt fand. Mit dem ersten Passah-Mahl wurde die Befreiung der Israeliten aus der Sklaverei in Ägypten, die am Morgen danach statt fand, eingeleitet. In ähnlicher Weise stellt das im Folgenden von Johannes geschilderte Mahl die Hinführung zu der Befreiung bußfertiger Menschen von der Macht der Sünde und des Todes  (Römer 8, 2) durch die am Kreuz von Golgatha kurz darauf vollbrachte Erlösung dar. Doch diesmal sollte sich diese Befreiung und Erlösung nicht nur auf ein einzelnes Volk beschränken, sondern allen Menschen  die Möglichkeit der Rückkehr zu Gott eröffnen. Verschiedene Kommentatoren weisen darauf hin, dass das Wort “κόσμος“ (“kosmos“) in diesem Abschnitt des Johannesevangeliums besonders häufig gebraucht wird (ca. 40-mal). Wenn Johannes hier von “Welt“ spricht, ist damit die Erde mit allen ihren Bewohnern gemeint. Aus der großen Zahl aller Verloren, hatte der Herr zuerst Seine Jünger erwählt. Diese Jünger, die an Ihn glaubten, sollten nach Seinem Tod, Seiner Auferstehung und Himmelfahrt in dieser Welt bleiben, um Sein Evangelium zu verkündigen. Obwohl Gottes Liebe allen Menschen gilt (Johannes 3, 16), spricht Johannes hier von der besonderen Liebe, die der Herr zu Seinen Jüngern hatte: Er liebte sie “bis ans Ende“. Die Worte “bis ans Ende“ (“εις τελος“; “eis telos“)  können auch mit “bis zum Äußersten“ übersetzt werden. Wir können sie so verstehen, dass der Herr Jesus Christus Seinen Jüngern mit Seinem herannahenden Tod am Kreuz das ganze Maß Seiner Liebe offenbaren würde (vgl. Johannes 15, 13!)
Da unser Herr wusste, dass Seine Stunde nun gekommen war (vgl. Johannes 12, 23 f.), bereitete Er Seine Jünger darauf noch intensiver vor, als Er dies bereits in den vorausgehenden Wochen getan hatte.

* “Und während des Abendessens, als der Teufel schon dem Judas, Simons Sohn, dem Iskariot, ins Herz gegeben hatte, ihn zu überliefern, (…)“ – Johannes 13, 2 – Das Abendessen, von dem Johannes hier spricht, war das bereits erwähnte Passah-Mahl. Offenbar wusch der Herr die Füße Seiner Jünger nachdem dieses Passah-Mahl aufgetragen worden war (vgl. Johannes 13, 4 + 26). Johannes macht deutlich, dass der Herr Judas die Füße wusch, obwohl dieser bereits beschlossen hatte, seinen Herrn und Meister zu verraten. Diese Tatsache führt dem Leser noch einmal die Größe der Liebe Jesu vor Augen.


* “(…) steht [Jesus], wissend, dass der Vater ihm alles in die Hände gegeben hatte und dass er von Gott ausgegangen war und zu Gott hingehe, von dem Abendessen auf und legt die Oberkleider ab; und er nahm ein leinenes Tuch und umgürtete sich. Dann gießt er Wasser in das Waschbecken und fing an, den Jüngern die Füße zu waschen und mit dem leinenen Tuch abzutrocknen, mit dem er umgürtet war.“ – Johannes 13, 3 – 5 – Im völligen Bewusstsein Seiner Ihm von Gott übertragenen Autorität, wäscht der Herr Jesus Christus nun die Füße Seiner Jünger. Wie wir wissen, war dies der Dienst, den normalerweise der niedrigste Knecht in einem Haus versah (vgl. dazu auch Johannes 1, 27).  Indem sich der Sohn Gottes so weit erniedrigt,  wird erneut das ganze Ausmaß, die Größe Seiner Liebe, deutlich. Er, der Größte unter ihnen, übernimmt die Aufgabe des niedrigsten Knechtes. Anstatt den herausgehobenen Platz eines Pharisäers oder Schriftgelehrten zu beanspruchen (vgl. Matthäus 23, 2), nimmt Er den Platz eines Dieners ein. Damit zeigt Er Seinen Jüngern aber nicht nur Seine Liebe, Er gibt Ihnen auch ein Beispiel, dem sie folgen sollten. Indem der Herr Sein Oberkleid ablegte und sich mit einem leinenen Tuch umgürtete, kleidete er sich wie ein Haussklave (vgl. Philipper 2, 6 – 7).  Seine demütige Haltung des Dienens würde sich von der Fußwaschung bis zu Seinem Tod am Kreuz fortsetzen (vgl. Philipper 2, 8).
Normalerweise fand eine solche Fußwaschung beim Betreten des Hauses des Gastgebers eines solchen Mahles statt. Dabei wurden den Gästen die Füße von einem Hausknecht gewaschen. Doch hier war alles anders. Neben den Jüngern und ihrem Herrn  war kein Hausknecht anwesend und die Jünger hatten es ganz offensichtlich nicht für notwendig gehalten, sich die Füße zu waschen. Dazu waren sie auch viel zu sehr mit sich selbst und der Frage, wer unter ihnen der Größte sei (vgl. Lukas 22, 24) beschäftigt. – Was für ein Beispiel der Liebe: Während Seine Jünger nur an sich selbst und ihre “Größe“ denken, nimmt Ihr Herr, der Sohn Gottes, der Schöpfer der Welt (Hebräer 1, 2; Kolosser 1,16), die Stellung eines Knechtes ein und wäscht ihnen die Füße!

* “Er kommt nun zu Simon Petrus, [und] der spricht zu ihm: Herr, du wäschst mir die Füße? Jesus antwortete und sprach zu ihm: Was ich tue, weißt du jetzt nicht, du wirst es aber nachher verstehen.“ – Johannes 13, 6 – 7 – Es scheint, dass alle Jünger, mit Ausnahme von Petrus, diese Fußwaschung ohne Einwände an sich vollziehen ließen. Ihm war wohl klar geworden, dass hier die Rollen völlig vertauscht worden waren. Doch der Herr weist ihn zurecht. Petrus soll sich dem Handeln Seines Meisters unterordnen, eine Belehrung, durch die er diese Handlung verstehen würde, sollte folgen. So war es mit vielen Dingen, die die Jünger nicht verstanden, als der Herr sie tat. Die Erklärung bzw. das Verständnis folgten oft erst später, insbesondere aber nachdem der Heilige Geist zu Pfingsten ausgegossen wurde und sie in alle Wahrheit führte (Johannes 16, 13).

* “Petrus spricht zu ihm: Niemals sollst du mir die Füße waschen! Jesus antwortete ihm: Wenn ich dich nicht wasche, hast du kein Teil mit mir. Simon Petrus spricht zu ihm: Herr, nicht meine Füße allein, sondern auch die Hände und das Haupt!“ – Johannes 13, 8 – 9 – Doch Petrus will nicht auf die Weisung Seines Meisters hören, zu ungewohnt, ja zu unannehmbar  ist ihm diese auf den Kopf gestellte Rollenverteilung. Der Herr antwortet ihm, indem Er auf die geistliche Bedeutung dieser Handlung verweist: Nur wenn Petrus seine Füße von Ihm waschen ließe, hätte er auch Anteil an dem Dienst Seines Meisters. Aus dem Zusammenhang wird deutlich, dass der Herr Jesus hier von einer geistlichen Reinigung sprach. Doch Petrus verstand den geistlichen Hintergrund dieser Handlung nicht. Darum zog er den falschen Schluss: Wenn die Reinigung durch den Herrn Jesus über den Grad seiner Beziehung zu seinem Meister entschied, dann wollte er noch mehr gereinigt werden! Der Wunsch des Petrus lässt eine  große Zuneigung zu seinem Meister erkennen. Gleichzeitig wird jedoch deutlich, dass dieser Jünger sich damit mehr in den Fokus stellt, als den Willen seines Herrn. Die wahre Bedeutung des Handelns Jesu hatte er zu diesem Zeitpunkt noch nicht erkannt.

* “Jesus spricht zu ihm: Wer gebadet ist, hat nicht nötig, sich zu waschen, ausgenommen die Füße, sondern ist ganz rein; und ihr seid rein, aber nicht alle. Denn er kannte den, der ihn überliefern würde; darum sagte er: Ihr seid nicht alle rein.“ – Johannes 13, 10 – 11 – Mit diesen Worten belehrt der Herr Seine Jünger über die geistliche Bedeutung, die der symbolischen Handlung der Fußwaschung zugrunde liegt: Er unterscheidet zwischen zwei Arten der geistlichen Reinigung: der grundsätzlichen, einmaligen Reinigung und der  täglichen Reinigung. Der Apostel Paulus erläutert diesen Unterschied im Brief an die Römer: Kommt ein Mensch zum Glauben an den Herrn Jesus Christus als seinen Erlöser, so empfängt dieser Mensch eine grundsätzliche geistliche Reinigung. Gott vergibt dem Betreffenden alle seine Sünden (Römer 5, 1; Römer 8, 1). Diese grundsätzliche Reinigung bezeichnete der Herr  Seinen Jüngern gegenüber als “(Voll-)bad“ (Johannes 13, 10). Das hier gebrauchte griechische Wort “λούω“ (“louo“) bezeichnet das Bad einer ganzen Person. Nachdem ein Mensch diese  grundsätzliche, einmalige Reinigung erfahren hat, ist er jedoch weiterhin in der Lage zu sündigen. Solche Sünden werfen den Gläubigen zwar nicht mehr in den Zustand vor seiner Gotteskindschaft zurück, sie beeinträchtigen jedoch die Gemeinschaft mit Gott (vgl. 1. Johannes 1, 5 – 7). Die Reinigung, die nötig ist, um die Gemeinschaft mit Gott von dieser Beeinträchtigung zu befreien, vergleicht der Herr Jesus mit dem Waschen der Füße, grch. “νίπτω“ (“nipto“). So, wie diese durch das tägliche Gehen verschmutzt werden und vor dem Essen (einem Symbol für Gemeinschaft) gereinigt werden müssen, so benötigen die Gläubigen auf ihrem Weg durch diese Welt ebenso eine tägliche Reinigung. Der Apostel Johannes erläutert diese Reinigung in seinem ersten Brief. Er macht deutlich, dass wir diese Reinigung durch das Bekenntnis unserer Sünden Gott gegenüber vollziehen (vgl. 1. Johannes 1, 7 – 9;  1. Johannes 2, 24; 1. Johannes 5, 13). Beide Arten der Reinigung, d.h. der Vergebung, haben jedoch nur eine einzige Grundlage und das ist das vollbrachte Werk Jesu Christi am Kreuz von Golgatha. 

* “Als er ihnen nun die Füße gewaschen und seine Oberkleider genommen hatte, legte er sich wieder zu Tisch und sprach zu ihnen: Versteht ihr, was ich euch getan habe?“ – Johannes 13, 12 – Nachdem der Herr Jesus Christus Seine praktische Lektion vollendet hatte, beginnt Er damit Seine Jünger zu belehren. Dieser Wechsel in der Art des Unterrichts wird durch den Wechsel der Kleidung unterstrichen. 

* “Ihr nennt mich Lehrer und Herr, und ihr sagt es zu Recht, denn ich bin es.“ – Johannes 13, 13 – Als “Lehrer“ hebr. “Rabbi“ war der Herr Jesus Christus den Volksmengen bekannt, für Seine Jünger war Er aber auch “der Herr“. Die Bedeutung dieses Titels bzw. seine Auswirkungen, sollten die Jünger aber erst nach der Auferstehung des Herrn begreifen (vgl. Johannes 20, 28; Apostelgeschichte 2, 36; Philipper 2, 9 -11).

* “Wenn nun ich, der Herr und der Lehrer, euch die Füße gewaschen habe, so seid auch ihr schuldig, einander die Füße zu waschen. Denn ich habe euch ein Beispiel gegeben, damit, wie ich euch getan habe, auch ihr tut.“ – Johannes 13, 14 – 15 – Die grundlegende Lektion, die der Herr Jesus Christus Seinen Jüngern durch das Waschen ihrer Füße gegeben hat, ist die eines gegenseitigen demütigen Dienstes. Wie Er sollten die Jünger die Rolle des Dieners einnehmen, um dem Anderen Gutes zu tun (vgl. Philipper 2, 1 – 11). Ihre Motivation sollte dem Inhalt des bekannten Sprichwortes “Gemeinnutz geht vor Eigennutz“, das erst 17. Jahrhunderte später so formuliert wurde, entsprechen.
Während einige Konfessionen und Denominationen davon überzeugt sind, dass Christen die Handlung der Fußwaschung buchstäblich im Zusammenhang mit dem Mahl des Herrn praktizieren sollen (z.B. verschiedene mennonitische Bewegungen), betrachtet die Mehrheit der Christen die Fußwaschung als ein Beispiel demütigen Dienstes, das der Herr Seinen Jüngern geben wollte. Diese Sicht wird durch die Tatsache unterstützt, dass wir an keiner anderen Stelle  im ganzen Neuen Testament einen weiteren Hinweis auf die Fußwaschung finden. Weder wird sie noch einmal in den Evangelien erwähnt, noch geben die apostolischen Briefe uns einen Hinweis in diese Richtung. In 1. Timotheus 5, 9 – 10 heißt es zwar:

“Als Witwe werde nur eine solche in die Liste eingetragen, welche nicht weniger als sechzig Jahre alt ist, eines Mannes Frau war  und ein Zeugnis guter Werke hat; wenn sie Kinder auferzogen, Gastfreundschaft geübt, der Heiligen die Füße gewaschen, Bedrängten ausgeholfen hat, jedem guten Werk nachgekommen ist.“

Aus dem Zusammenhang geht jedoch hervor, dass es sich hier um einen Dienst an anderen und nicht um eine regelmäßig zu wiederholende Verordnung des Herrn Jesus Christus handelt. Außerdem bezeichnet der Herr selbst die Fußwaschung als ein “Beispiel“, “ὑπόδειγμα“ (“hupodeigma“), also als ein Muster, eine Vorlage für ein Verhalten, zur Nachahmung, bezeichnete.

* “Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Ein Knecht ist nicht größer als sein Herr, noch ein Gesandter größer als der, der ihn gesandt hat.“ – Johannes 13, 16 – Wo immer der Herr Jesus Christus eine Belehrung mit den Worten “wahrlich, wahrlich“ einleitet, deutet diese Einleitung die Wichtigkeit dieser Belehrung an. Seine Belehrung im Zusammenhang mit der vorausgegangenen Fußwaschung fasst der Herr dann in einem Sinnspruch zusammen: “Ein Knecht ist nicht größer als sein Herr, noch ein Gesandter größer als der, der ihn gesandt hat.“ Diese Aussage ist nur auf dem Hintergrund des Beispiels verständlich, das der Herr Seinen Jüngern mit der gerade geschehenen Fußwaschung gegeben  hatte: Wenn Er, ihr Herr, bereit war, einen so niedrigen Dienst auszuführen, dann sollten auch Seine Jünger einen solchen Dienst bzw. jeden demütigen Dienst anderen gegenüber niemals als “unter ihrer Würde“ betrachten. Denn würden Seine Jünger sich als “zu fein“ für einen solchen Dienst ansehen, dann würden sie sich mit dieser Geisteshaltung über ihren Herrn und Meister erheben. Was für die Jünger Jesu galt, gilt auch heute noch für jeden Gläubigen.

* “Wenn ihr dies wisst, glückselig seid ihr, wenn ihr es tut.“ – Johannes 13, 17 – Der Herr belässt es jedoch nicht bei der theoretischen Belehrung. Er fordert von Seinen Jüngern (und damit auch von uns) die praktische Umsetzung Seiner Lehre ein. Für Ihn zählt das Ergebnis, das erst der Praxistest erbringen kann. Wir treffen hier wieder auf den in Jakobus 1, 22 so präzise zusammengefassten Grundsatz: “Seid aber Täter des Worts und nicht Hörer allein; sonst betrügt ihr euch selbst.“ Ein Leben, in dem dieser demütige Dienst sichtbar wird, ist ein Leben mit göttlicher Verheißung (vgl. Johannes 8, 31; Jakobus 4, 6 + 10; 1. Petrus 3, 8 – 9; 1. Petrus 5, 5 – 6). 

* “Ich rede nicht von euch allen, ich weiß, welche ich auserwählt habe; aber damit die Schrift erfüllt würde: „Der mit mir das Brot isst, hat seine Ferse gegen mich erhoben.“ Von jetzt an sage ich es euch, ehe es geschieht, damit ihr, wenn es geschieht, glaubt, dass ich es bin.“ – Johannes 13, 18 – 19 – Das Passah-Mahl (das dem zeitlich später folgenden Mahl des Herrn vorausging und mit diesem nicht verwechselt bzw. gleichgesetzt werden darf), tritt nun in eine andere Phase. Der Herr zeigt zum einen auf, dass sich Seine Belehrung nur auf jene Jünger bezieht, die wirklich an Ihn glauben, zum anderen offenbart Er Seinen Verräter. Seine Jünger sollten sich später an Seine Worte erinnern und den Verrat durch Judas richtig einordnen. Trotz des nun bevorstehenden Verrats und der darauf folgenden Kreuzigung sollten die Jünger erkennen, “dass ich es bin“. Die Worte, die der Herr Jesus Christus in diesem Zusammenhang benutzt, sind von großer Bedeutung: ”Ich bin” – hebr.  אֶהְיֶה אֲשֶר אֶהְיֶה” (ehyeh aser ehyeh) – mit diesem Namen stellte sich Gott Seinem Volk vor (vgl. auch 2. Mose 3, 14; 2. Mose 33, 19 + 22; 1. Könige 19, 11 ff.; Jesaja 41, 4; Jesaja 43, 10; Jesaja 51, 12; Jesaja 52, 6 u.a.m). In der griechischen Übersetzung des Alten Testaments, der Septuaginta, wurde diese  Aussage mit den Worten ἐγώ εἰμι ὁ ὤν” (”ego eimi ho on”) wiedergegeben. Genau diese zwei ersten griechischen Worte ἐγώ εἰμιleiten nicht nur jedes der so genannten  sieben ”Ich-bin-Worte” Jesu ein, sondern sie sollen hier in Johannes 13, 19 (wie an vielen anderen Stellen im Neuen Testament) Seine Gottheit hervorheben.  Daran sollten sich die Jünger erinnern, wenn sie  nun das Leiden und den Tod, später aber auch die Auferstehung ihres Herrn (mit-)erleben sollten.
Im Zusammenhang mit der Ankündigung des Verrats zitiert der Herr Psalm 41, 9. In diesem Psalm beschreibt König David den Verrat, den er durch einen vormals engen Freund erleben musste. Einige Kommentatoren haben vermutet, dass es sich bei diesem Freund Davids um  Ahithophel gehandelt hat, weil dieser, wie Judas später, nach seinem Verrat Selbstmord begangen hatte (vgl. 2. Samuel 15, 12; 2. Samuel 16, 15 – 23; 2. Samuel 17, 3 – 4; 2. Samuel 17, 14 + 23). Auf dem Hintergrund der großen Bedeutung, die Gastfreundschaft und das gemeinsame Essen in der Kultur des Nahen Ostens besitzen,  wiegt der Verrat nach einem solchen Essen umso schwerer.

* “Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wer aufnimmt, wen irgend ich senden werde, nimmt mich auf; wer aber mich aufnimmt, nimmt den auf, der mich gesandt hat.“ – Johannes 13, 20 – Auch diese Bemerkung leitet der Herr mit dieser doppelten Versicherung ein. Wir sollten beachten, dass die nun folgende Aussage des Herrn sofort nach Seiner Bemerkung über den Verräter Judas erfolgt. Ein Kommentator hat dazu angemerkt: „Judas war nicht rein; er war nicht wiedergeboren. Weil er aber vom Herrn ausgesandt war, so hatten die, welche ihn aufnahmen, gleichwohl Christum aufgenommen; und dies ist auch hinsichtlich derer wahr, die Er durch Seinen Geist aussendet.“¹ Auch heute ist es möglich, dass Christen mit der schmerzlichen Erfahrung eines Verrats durch andere Menschen, die sich als Mitgläubige ausgeben, konfrontiert werden können. Vielleicht haben wir solche Menschen als von Gott gesandt auf- und angenommen. Dann sollten wir zum einen wissen, dass jene, die uns verraten, zuvor auch Gott verraten haben. Andererseits dürfen wir jedoch gleichzeitig auch gewiss sein, dass Gott Seine  Beziehung zu uns durch diesen Verrat nicht in Frage stellen lässt.

Fußnoten:

¹= J. N. Darby: „Betrachtungen über das Wort Gottes“, Band IV (Matthäus – Johannes), Seite 541, Ernst-Paulus-Verlag Neustadt, o.J.

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