Ausdauertraining des Glaubens – Anmerkungen zu Matthäus 14, 22 – 33

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Der See Genezareth * Foto: מוחמד מוסא שהואן [CC BY 2.5 (http://creativecommons.org/licenses/by/2.5)%5D, via Wikimedia Commons

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Der Wortverkündigung am kommenden Sonntag sollen Verse aus dem 14. Kapitel des Matthäusevangeliums (zum Hintergrund des Matthäusevangeliums siehe: Klick!) zugrunde liegen. Wir betrachten diese Verse in ihrem Kontext:

“Und sogleich nötigte er die Jünger, in das Schiff zu steigen und ihm an das jenseitige Ufer vorauszufahren, bis er die Volksmengen entlassen habe. Und als er die Volksmengen entlassen hatte, stieg er auf den Berg für sich allein, um zu beten. Als es aber Abend geworden war, war er dort allein.
Das Schiff aber war schon mitten auf dem See und litt Not von den Wellen, denn der Wind war ihnen entgegen.  Aber in der vierten Nachtwache kam er zu ihnen, gehend auf dem See. Als aber die Jünger ihn auf dem See gehen sahen, wurden sie bestürzt und sprachen: Es ist ein Gespenst! Und sie schrien vor Furcht. Sogleich aber redete Jesus zu ihnen und sprach: Seid guten Mutes, ich bin es; fürchtet euch nicht! Petrus aber antwortete ihm und sprach: Herr, wenn du es bist, so befiehl mir, zu dir zu kommen auf den Wassern. Er aber sprach: Komm! Und Petrus stieg aus dem Schiff und ging auf den Wassern und kam zu Jesus. Als er aber den starken Wind sah, fürchtete er sich; und als er anfing zu sinken, schrie er und sprach: Herr, rette mich!  Sogleich aber streckte Jesus die Hand aus, ergriff ihn und spricht zu ihm: Kleingläubiger, warum hast du gezweifelt? Und als sie in das Schiff gestiegen waren, legte sich der Wind. Die aber in dem Schiff waren, warfen sich vor ihm nieder und sprachen: Wahrhaftig, du bist Gottes Sohn!

(Matthäus 14, 22 – 33  ELBEDHÜ; z. Vgl. LUTH’84)


Einige grundlegende Gedanken zu Matthäus 14, 22 – 33

Wie wir aus vorausgegangenen Betrachtungen wissen, richtet Matthäus sich mit seinem Evangelium insbesondere an jüdische Leser (zur Zielgruppe des Matthäusevangeliums siehe: Klick!) Sein Wunsch ist es, diesen Lesern Jesus Christus als den von Gott verheißenen und vom jüdischen Volk erwarteten Messias, Erlöser, vorzustellen. Aus diesem Grund konzentriert er sich auch ganz auf die Geschehnisse im Leben Jesu, in denen Seine Messianität deutlich hervortritt. Ereignisse im Leben des Herrn, die von den drei anderen Evangelisten berichtet werden, diesem Ziel aber nicht dienen, lässt Matthäus deshalb auch bewusst aus. Eines dieser Ereignisse, durch das die Messianität Jesu in sehr eindrücklicher Weise zum Ausdruck kommt, ist das Wandeln des Herrn über das Wasser des Sees Genezareth während eines schweren Sturmes. Doch der Bericht über dieses Wunder bezeugt nicht nur die Messianität Jesu Christi, es enthält auch eine wichtige Lehre für die Jünger des Herrn und damit für alle Gläubigen.
Der Evangelist Matthäus schildert uns in diesem Abschnitt, wie der Herr Jesus Christus Seinen Jüngern während des Sturms auf dem See Genezareth begegnet (vgl. auch Markus 6, 45 – 52; Johannes  6, 14 – 21). Dieses Wunder folgte direkt auf ein anderes bekanntes Wunder Jesu – die Speisung der 5.000 (vgl. Markus 6, 30 – 44; Lukas  9, 10 – 17; Johannes 6, 1 – 13).  Bei Letzterem hatte sich der Herr Jesus Christus durch die wunderbare Brotvermehrung als der Schöpfer geoffenbart. Auf diese Weise hatte Er Israel, aber auch Seinen Jüngern, zweierlei bewiesen:

  • zum einen, dass Er in einer Linie mit den großen Propheten Israels – Mose und Elia –  stand (vgl. 5. Mose 18, 15; 2. Könige 4, 42 – 44),
  • zum anderen, dass Er in der Lage und auch willens war, für ihre Bedürfnisse zu sorgen. Letzteres war eine lang gehegte Erwartung, die mit dem Kommen des Messias verbunden wurde (vgl. Psalm 132, 15)

Neben dem Beweis der Messianität des Herrn dienten alle Seine Wunder noch einem anderen Ziel: Seine Jünger sollten dadurch in ihrem Glauben wachsen. Sie sollten lernen, Ihm noch tiefer zu vertrauen und mit Seinem Eingreifen auch in Zukunft zu rechnen.

 

Anmerkungen zu Matthäus 14, 22 – 33

* “Und sogleich nötigte er die Jünger, in das Schiff zu steigen und ihm an das jenseitige Ufer vorauszufahren, bis er die Volksmengen entlassen habe.“ Matthäus 14, 22 – “Und sogleich …“ – also gleich im Anschluss an die Speisung der 5.000 – “nötigte“ der Herr Seine Jünger dazu, aufzubrechen und über den See zu fahren.  In Markus 6, 45  sagt der Evangelist, dass der Herr Seine Jünger  dazu ”trieb” in das Boot einzusteigen.  Es war anscheinend so, dass sie von sich aus keine Initiative zum Aufbruch ergriffen hätten. Gerade war ein großes Wunder geschehen, Tausende waren durch den Herrn gesättigt worden. Vielleicht dachten die Jünger, dass damit die Aufgaben des Tages erledigt wären und sie sich jetzt endlich einmal ausruhen könnten (vgl. Matthäus 17, 1 – 4). Doch nun schickt der Herr sie nicht nur eine Ortschaft weiter, sondern nötigte sie, den See zu überqueren. Sie sollen, wie wir aus den anderen Evangelien erfahren, nach Bethsaida übersetzen (vgl. Lukas 17, 7 – 9). Mit dem erwähnten Boot waren sie bereits früher an diesem Tag unterwegs gewesen (vgl. Markus 6, 32).
Es scheint verschiedene Gründe für dieses Drängen des Herrn gegeben zu haben:

  • Wie wir aus Matthäus 14, 23 ersehen können, wollte der Herr sich zum Gebet zurückziehen.
  • Kommentatoren haben außerdem vermutet, dass der Herr Seine Jünger vor einer Versuchung bewahren wollte. Das Wunder der Brotvermehrung hatte bei den Volksmengen dazu geführt, dass sie Ihn als König Israels, also als einen “politischen Messias“ proklamieren wollten (vgl. Johannes 6, 15). Von dieser Versuchung hätten sich auch die Jünger mitreißen lassen können.
  • Ein  dritter Grund ist aber mit Sicherheit darin zu sehen, dass der Herr Seinen Jüngern durch dieses Erlebnis eine weitere wichtige Belehrung geben wollte.

* “Und als er die Volksmengen entlassen hatte, stieg er auf den Berg für sich allein, um zu beten. Als es aber Abend geworden war, war er dort allein. Das Schiff aber war schon mitten auf dem See und litt Not von den Wellen, denn der Wind war ihnen entgegen.“ Matthäus 14, 23 – 24  Die Jünger besteigen das Boot, um nach Bethsaida zu fahren, der Herr besteigt den Berg, um zu beten.
Auf der Überfahrt nach Bethsaida werden die Jünger mit einem starken Gegenwind konfrontiert. Es scheint, dass sie ihr Ziel nicht erreichen können.
See- bzw. Meeres-Stürme begegnen uns auch an anderen Stellen in der Bibel. So gerät das Schiff, mit dem Jona vor dem Auftrag Gottes flieht, in einen schweren Sturm. Grund dafür ist der Ungehorsam des Propheten (vgl. Jona 1, 4; Jona 1, 12). Auch Paulus erlebte einen schweren Sturm, durch den das Schiff, mit dem er reiste, kenterte. Es war der Ungehorsam der Seeleute, der diesen Schiffbruch verursachte. Dennoch bewahrte Gott alle Reisenden, weil es zum einen Sein Wille war, dass Paulus diese Reise vollendete und weil Er zum anderen das Gebet des Apostels um die Rettung aller Reisenden  erhörte (vgl. Apostelgeschichte 27, 6 – 44).
Als die Jünger nun nach der Speisung der 5.000 mit dem Boot nach Bethsaida übersetzen, handeln sie in völliger Übereinstimmung mit dem Willen ihres Herrn. Und doch: Obwohl sie dem Auftrag ihres Herrn gehorsam Folge leisten, obwohl sie sich nicht auf einem falschen Weg befinden, geraten sie in eine nahezu lebensbedrohliche Bedrängnis.
Die Tatsache, dass man sich mit dem, was man tut, im Willen Gottes befindet, schließt also Bedrängnisse, Schwierigkeiten und Widerstand nicht aus. Dafür kann es verschiedene Gründe geben:
Zum einen ist es ganz natürlich, dass wir, solange wir auf dieser Erde leben, auch mit und unter  dieser – noch unerlösten – Schöpfung leiden (Römer 8, 22). Zweitens aber ist es auch eine Grunderfahrung christlichen Lebens, dass uns diese Welt und die sie bestimmende Mächte entgegenstehen (Matthäus 10, 24 – 25; Lukas 6, 40; Johannes 13, 16; Johannes 15, 20; Hebräer 12, 3). An diese Wahrheit sollte Petrus später auch die Christen erinnern, denen er schrieb (vgl. 1. Petrus  4, 12!). Und drittens sollten wir bedenken, dass unser Herr zu gewissen Zeiten in unseren Leben solche Stürme auch zulässt, um zu sehen, wie ernst wir es mit unserer Nachfolge meinen. Geben wir bei der ersten Schwierigkeit auf? Sind uns unser eigenes Wohlbefinden, unser Ansehen, unser Wohlstand wichtiger, als die Erfüllung des göttlichen Auftrags? Dem Apostel Paulus standen während seines ganzen Lebens im Verkündigungsdienst des Herrn viele “Stürme“ entgegen. Doch er ließ sich von ihnen nicht entmutigen, sondern sah sie als “logische Begleiterscheinungen“ seines Dienstes an, als eine Prüfung, die es zu bestehen galt (Apostelgeschichte 14, 22; 1. Korinther 16, 9; Philipper 3, 8).  Der Herr ließ diese Erfahrungen im Leben Seiner Jünger zu und Er lässt sie auch in unserem Leben zu. Das Ziel, dass Er damit verfolgt, ist, dass wir Ihn inmitten dieser Dinge besser kennenlernen und so unser Glaube gestärkt wird. Wir sollen lernen, unser Augenmerk dauerhaft auf Ihn und nicht auf unsere Umstände zu richten (vgl. 1. Petrus 1, 21). Wenn wir so handeln, dann werden aus bekehrten Christen (1. Thessalonicher 1, 9), bewährte Christen (1. Petrus 1, 6 – 7).

* “Aber in der vierten Nachtwache kam er zu ihnen, gehend auf dem See. Als aber die Jünger ihn auf dem See gehen sahen, wurden sie bestürzt und sprachen: Es ist ein Gespenst! Und sie schrien vor Furcht. Sogleich aber redete Jesus zu ihnen und sprach: Seid guten Mutes, ich bin es; fürchtet euch nicht!“ Matthäus 14, 25 – 27 – Wenn der Evangelist hier von der vierten Nachtwache spricht, dann benutzt er dabei die römische Stundenzählung. Die vierte Nachtwache war die letzte Nachtwache (vgl. Markus 13, 35) und sie lag ungefähr zwischen 3.00 Uhr und 6.00 Uhr am Morgen. Am Abend hatte der Herr die Jünger genötigt aufzubrechen, als sie dann mitten auf dem See waren, kamen sie in einen schweren Sturm. Stunden später, in der vierten Nachtwache, kämpfen die Jünger noch immer gegen diesen Sturm an. Erst jetzt kam   ihnen Ihr Herr zur Hilfe.
Ist das nicht eine Erfahrung, die wir als Christen der Gegenwart mit den Jüngern zur Zeit Jesu (wenn auch in anderen Zusammenhängen) teilen? Wir suchen Gottes Willen, hören auf Sein Wort, gehorchen dem Gehörten – und geraten dann in einen schweren Sturm?!  Und dann vergeht auch noch eine – zumindest aus unserer Sicht – (viel zu) lange Zeit, ehe unser Herr und Meister eingreift und uns hilft. Wie die Jünger, denken auch wir, dass wir auf dem stürmenden See allein seien. Wie die Jünger setzen wir all‘ unsere eigene Kraft ein, um uns Rettung zu verschaffen. Wir widerstehen dem Sturm mit aller Kraft, die wir aufbringen können. Wir rudern und rudern und doch ist buchstäblich “kein Land in Sicht“!
Der Evangelist Matthäus berichtet uns, dass die Jünger, als sie den Herrn sahen, “bestürzt (wurden) und sprachen: Es ist ein Gespenst!“ Weil die Jünger so auf sich und ihre Probleme fixiert waren, darum erwarteten sie weder das wunderbare Eingreifen des Herrn, noch Seine Erscheinung. Genau aus diesem Grund steigerte sich dann ihre schon vorhandene Angst noch mehr, als der Herr ihnen plötzlich auf dem See begegnete. Als sie Ihn nun sahen, da konnten sie nicht glauben, dass Er es war. ”Ihr” Jesus war doch auf dem Berg und betete dort. Wie sollte Er ihnen hier mitten auf dem See begegnen? In ihrer begrenzten Vorstellung war nur Platz für einen ebenso begrenzten ”Jesus” und dementsprechend konnte es sich bei der Person, die ihnen jetzt begegnete nur um ein  ”Gespenst” (Luther-Übersetzung) bzw. eine Täuschung  (im griechischen Text wird das Wort ”φάντασμα” [”phantasma”], das Erscheinung, aber auch Lichtspiegelung bedeuten kann, benutzt) handeln.
Wie verhalten wir uns, wenn unser Herr uns inmitten der Stürme unseres Lebens begegnet? Erkennen wir Ihn? Haben wir genügend Zeit in der Gemeinschaft mit Ihm verbracht, um Seine Stimme zu erkennen? Oder halten auch wir Ihn für “ein Gespenst“, weil unser begrenzter Glaube nur einen “begrenzten Jesus“ zulässt?
Obwohl sie zahlreiche wunderbare Erfahrungen mit Ihrem Herrn gemacht hatten, die eindeutig darauf hinwiesen, wer Er war, hatten die Jünger noch immer nicht begriffen, dass ihr Meister nicht ein weiterer, wundertätiger Rabbi in einer langen Reihe jüdischer Schriftgelehrter, sondern Gott Selbst war! Wenige Stunden vorher hatte Er Tausende mit Brot gespeist, wie einst Gott Sein Volk in der Wüste. Doch sie hatten Ihn noch immer nicht erkannt, als den, der Er war (vgl. Markus 6, 51 – 52!). Wie viel Grund hätte der Herr gehabt, Seine Jünger zu tadeln. Doch Er tat es nicht. Er begegnete ihnen und sprach ihnen Mut zu. Er versicherte sie Seiner helfenden Gegenwart. Auch diese Reaktion ihres Herrn hätte Ihnen deutlich machen können, mit wem sie es hier zu tun haben (vgl. Jesaja 41, 10; Jesaja 41, 13 – 14; Jesaja 43, 1; Jesaja 44, 2 u.a.m). Verschiedene Kommentatoren gehen davon aus, dass es sich bei der Aussage Jesu in Vers 50: ”Ich bin (es)” um eine Offenbarung Seiner Gottheit gehandelt hat (vgl. auch 2. Mose 3, 14; Jesaja 41, 4; Jesaja 43, 10; Jesaja 51, 12; Jesaja 52, 6 u.a.m). ”Ich bin” – hebr.  אֶהְיֶה אֲשֶר אֶהְיֶה” (ehyeh aser ehyeh) – mit diesem Namen stellte sich Gott Seinem Volk vor. In der griechischen Übersetzung des Alten Testaments, der Septuaginta, wurde diese  Aussage mit den Worten ἐγώ εἰμι ὁ ὤν” (”ego eimi ho on”) wiedergegeben. Genau diese zwei ersten griechischen Worte ἐγώ εἰμιleiten nicht nur jedes der so genannten  sieben ”Ich-bin-Worte” Jesu ein, sondern sie begleiten in Markus 6, 50 den Zuspruch des Herrn an Seine Jünger. Neben diesen Worten wird die Gottheit Jesu deutlich durch Seine Taten offenbart:

”Hiob antwortete und sprach: Ja, ich weiß gar wohl, daß es also ist und daß ein Mensch nicht recht behalten mag gegen Gott. (…) Er spricht zur Sonne, so geht sie nicht auf, und versiegelt die Sterne. Er breitet den Himmel aus allein und geht auf den Wogen des Meeres. Er macht den Wagen am Himmel und Orion und die Plejaden und die Sterne gegen Mittag. Er tut große Dinge, die nicht zu erforschen sind, und Wunder, deren keine Zahl ist.”

(Hiob 9, 1 – 10)

”Dein Weg führte mitten durch das Meer, deine Pfade verliefen durch die Wassermassen. Doch Fußspuren von dir sah man nicht.

(Psalm 77, 20; NGÜ)

”So spricht der HERR, der im Meer einen Weg und in starken Wassern Bahn macht, (…)”

(Jesaja 43, 16)

Indem der Herr Jesus Christus Seinen Fuß dorthin setzt, wo nur Gott wandeln kann, wird deutlich, wer Er ist – Gott ins Fleisch gekommen – Gott mit uns. Indem der Herr Jesus Christus  die Worte ”Ich bin (es)” spricht, wird deutlich, wer Er ist – der allmächtige Gott, der Sein Volk durch alle Jahrhunderte begleitete, der allmächtige Gott, der als Schöpfer der Himmel und der Erde auch Macht über alle Naturgewalten hat.

* “Petrus aber antwortete ihm und sprach: Herr, wenn du es bist, so befiehl mir, zu dir zu kommen auf den Wassern.“ Matthäus 14, 28 – Der Wunsch des Petrus und das sich anschließende Geschehen, ist vielfältig kommentiert worden. Häufig wurde der Wunsch des Petrus, ebenfalls auf dem Wasser zu wandeln, als unüberlegte Vermessenheit eines emotional instabilen Jüngers betrachtet. Auch mancher von uns mag beim ersten Lesen dieses Textes gedacht haben: „Na, das ist wieder so eine Spontan-Aktion von Petrus!“ – Doch auf diese Weise tun wir Petrus Unrecht. Denn aus dem griechischen Text wird deutlich, dass es bei den Worten des Petrus nicht um eine Frage i.S.v. “Solltest wirklich du es sein, Herr ….?“ geht. Wir können hier übersetzen: “Weil/Da du es bist, Herr …!“  – Weil es der Herr ist, darum möchte Petrus zu Ihm gerufen werden!
Nein, hier haben wir es nicht mit “kecker Vermessenheit“ zu tun, wie Keil, Weiss zitierend, sagt¹. Hier drückt ein Mensch, ein Jünger, sein tiefes Bedürfnis nach enger Gemeinschaft mit seinem Herrn und Meister aus. Das war der Wunsch, die große Sehnsucht des Petrus. Inmitten des Sturms verlangt er nicht danach,  dass der Herr sein größtes Problem löst, d.h. den Sturm stillt. Angesichts seines Meisters tritt der Sturm völlig in den Hintergrund. Denn Petrus weiß: Egal wie stark der Sturm auch wüten mag, nirgendwo kann er sicherer sein, als in der Nähe Jesu.
Dass der Gläubige inmitten der Stürme des Lebens seine Sicherheit allein in Gott findet, ist eine Erfahrung, die uns bereits im Alten Testament bezeugt wird:

“Der Name des HERRN ist ein starker Turm; der Gerechte läuft dahin und ist in Sicherheit.“

(Sprüche 18, 10)

“Jene rühmen sich der Wagen und diese der Rosse; wir aber des Namens des HERRN, unsres Gottes.“

(Psalm 20, 7)

“Unsre Hilfe steht im Namen des HERRN, der Himmel und Erde gemacht hat. „

(Psalm 124, 8)

Wie verhalten wir uns in den Stürmen unseres Lebens? Rudern wir weiter, bis unsere Kräfte nachlassen und wir im Sturm untergehen? Oder suchen wir unsere Zuflucht bei unserem Herrn und Erlöser?

* “Er aber sprach: Komm! Und Petrus stieg aus dem Schiff und ging auf den Wassern und kam zu Jesus. Als er aber den starken Wind sah, fürchtete er sich; und als er anfing zu sinken, schrie er und sprach: Herr, rette mich! Sogleich aber streckte Jesus die Hand aus, ergriff ihn und spricht zu ihm: Kleingläubiger, warum hast du gezweifelt?“Matthäus 14, 29 – 31  Entsprechend dieser, nach der Nähe des Herrn verlangenden  Herzenseinstellung des Petrus, weist der Herr den Wunsch Seines Jüngers auch nicht zurück, sondern ermuntert ihn, Seine Nähe zu suchen.  Petrus reagiert sogleich und geht seinem Herrn entgegen. Doch dann blickt er auf den starken Wind und was er dort sieht, flößt ihm große Furcht ein und er beginnt zu sinken.
Es waren diese besorgniserregenden Umstände, die die Aufmerksamkeit des Petrus auf sich und damit von seinem Herrn und Meister abzogen. Sein Blick hatte sich verlagert. Nun ist es aber eine nicht zu leugnende Tatsache, dass ein Mensch von dem bestimmt wird, was er betrachtet (vgl. 2. Korinther 3, 12 – 18). Dementsprechend war es nur zu verständlich, dass das Herz des Petrus durch den Blick auf den Sturm wieder mit Furcht und in deren Folge auch mit Unglauben erfüllt werden musste. Doch auch in diesem Moment des Zweifels ist der Herr für Seinen Jünger da, streckt Seine Hand aus, ergreift und rettet ihn. Erst jetzt rügt der Herr Seinen Jünger für dessen Kleinglauben.
Beachten wir: Der Herr Jesus rügt Petrus nicht für dessen Wunsch, über das stürmende Meer zu Ihm zu kommen. Er rügt ihn dafür, dass er seinen Blick nicht fest auf Ihn, Seinen Herrn, gerichtet hielt.  Das ist eine Lektion, die Sie und ich nie vergessen sollten: Niemals wird unser Herr uns dafür tadeln, dass wir Seine Nähe suchen, egal wie unkonventionell oder  gar “unfromm“ die Wege, die wir aus diesem Grund beschreiten, unserer Umwelt erscheinen mögen. Niemand war je auf dem Wasser gewandelt – außer dem Herrn Jesus Christus und jetzt Petrus.
Wie verwegen muss die Bitte des Petrus an seinen Herrn auf die anderen Jünger gewirkt haben! Und wie mag es sie erstaunt oder gar erschrocken haben, als Petrus dann ohne Zögern aus dem Boot stieg! Ich höre fast, wie sie dem Petrus hinterher rufen:
Nathanael: “Lass das! So etwas kann man doch nicht tun!“
Andreas: “Niemals zuvor hat jemand so etwas getan!“
Jakobus: “So etwas darf man gar nicht tun, da gibt es sicher irgendwo im Gesetz des Mose einen Paragraphen, der das verbietet!“
Judas: “Petrus! Sofort zurück ins Boot! Wenn dein Beispiel Schule macht, dann laufen ab jetzt alle über den See und Bootsleute hier sind finanziell ruiniert!“
Thomas: “Oh weh, wenn dem das gelingt, dann müssen wir das ab morgen auch alle tun! Kommt, wie gehen lieber hier unter.“
Aber niemals darf uns das, was andere meinen oder denken, aufhalten, wenn es um unsere Beziehung zu dem Herrn Jesus Christus und um Seinen Ruf an uns geht. Niemals.
Der Herr Jesus Christus tadelt seinen Jünger nicht für dessen Wunsch und Er wird auch uns nicht tadeln. Aber er tadelt Petrus, weil dieser das, was an Überzeugung in seinem Herzen war, nicht aufrecht erhielt. Hatte er mit seinem Wunsch, dem Herrn über das Wasser entgegen zu gehen, nicht zum Ausdruck gebracht, dass es seinem Meister möglich war, dieses Wunder geschehen zu lassen? Hatte er mit seinem Wunsch nicht zum Ausdruck gebracht, dass es für ihn keinen sichereren Ort gab als nahe bei seinem Herrn, auch wenn das bedeutete, über den aufgewühlten See gehen zu müssen? Warum versinkt der Jünger dann? Weil er zweifelt. Das deutsche Wort “Zweifel“ bedeutet  doppelt“, “gespalten“, “zweifach“, “zwiefältig“². Wer zweifelt, blickt also in zwei Richtungen, ohne sich ganz für eine entscheiden zu können. Wir alle kennen das bekannte Wort des Apostels Jakobus:

“Wenn aber jemand von euch Weisheit mangelt, so erbitte er sie von Gott, der allen willig gibt und nichts vorwirft, und sie wird ihm gegeben werden. Er bitte aber im Glauben, ohne irgend zu zweifeln; denn der Zweifelnde gleicht einer Meereswoge, die vom Wind bewegt und hin und her getrieben wird. Denn jener Mensch denke nicht, dass er etwas von dem Herrn empfangen wird; er ist ein wankelmütiger Mann, unstet in allen seinen Wegen.”

(Jakobus 1, 5 – 8 ELBEDHÜ)

Was bedeutet das? Meereswogen bestimmen nicht selbst ihren Weg, sie werden vom Wind angetrieben. Das Leben eines Zweiflers wird – wie die Meereswogen – weder von Gott noch von ihm selbst, sondern von den äußeren Lebensumständen. Und weil er sein Leben durch die äußeren Umstände bestimmen lässt, ist ein solches Leben auch ”unstet”, d.h. unbeständig. Jakobus bezeichnet eine solche Person als ”wankelmütig”. Ein wankelmütiger Mensch ist ein Mensch, der unentschlossen zwischen zwei oder mehr Möglichkeiten hin- und her schwankt. Das von Jakobus gebrauchte griechische Wort ”δίψυχος” (”dipsychos”) bedeutet genau das: ein Mensch mit zwei Seelen, d.h. schwankend.
Stabilität, Beständigkeit und Festigkeit werden sich dagegen im Leben eines Gläubigen zeigen, der sich grundsätzlich entschieden hat, mit Gottes Hilfe Seinen Willen zu tun und Seinen Weg zu gehen. Ein solcher Mensch hält – im Gegensatz zu Petrus – an der einmal getroffenen Entscheidung, dem Herrn Jesus Christus zu vertrauen, fest und richtet sein Augenmerk dauerhaft auf Ihn.

* ‚‚Und als sie in das Schiff gestiegen waren, legte sich der Wind. Die aber in dem Schiff waren, warfen sich vor ihm nieder und sprachen: Wahrhaftig, du bist Gottes Sohn!“ Matthäus 14, 31 – 33 – Nachdem der Herr in der Rettung des Petrus und in der Stillung des Sturms Seine Vollmacht erneut unter Beweis gestellt hatte, reagieren die Jünger, indem sie niederfallen und anbeten. Man könnte meinen, sie hätten nun verstanden, worauf es ihrem Herrn ankam. Aber täuschen wir uns nicht. Wenn wir das Evangelium bis zum Ende lesen, dann stellen wir fest, dass die Reaktion der Jünger einzig dem beeindruckenden Erlebnis geschuldet war. Angesichts ihres vielfältigen Versagens in der Zeit danach, ist klar, dass Petrus und auch die anderen Jünger noch durch viele andere “Trainingseinheiten“ gehen mussten, ehe sie wirklich fest im Glauben an ihren Herrn stehen konnten.
Und genau darum geht es in diesem Textabschnitt. Weder die wunderbare Erscheinung des Herrn auf dem See, noch das Erlebnis des Petrus steht im Vordergrund. Der Herr wollte Seine Jünger – und damit auch uns – lehren, welche immense Bedeutung Ausdauer für unseren Glauben besitzt. Jeder Sturm im Leben eines Gläubigen, ganz gleich, aus welcher Richtung er kommt, ist nichts anderes als ein Ausdauertraining des Glaubens.
Dabei sollten wir unbedingt beachten, dass Glaube, also das Vertrauen zu Gott, niemals aus uns selbst kommt! Niemand von uns kann Glauben “machen“. Glaube “kommt“ zu uns und zwar indem wir Gottes Wort vertrauensvoll aufnehmen und auf diese Weise Gott immer besser kennenlernen (Römer 10, 17). Das kann durch eine Predigt geschehen. Am häufigsten geschieht dies jedoch durch unsere persönliche Bibellese und in dem wir auf das Gelesene im Gebet Gott eine Antwort geben. Je mehr wir unseren Gott kennenlernen, desto mehr können wir Ihm auch vertrauen. Je mehr wir lernen, unseren Blick entschieden auf den Herrn zur richten, dem alle Macht im Himmel und auf Erden gegeben ist, desto weniger werden uns die Wellen unter unseren Füßen anhaben können.

 

Fußnoten:

¹= Carl Friedrich Keil: “Über das Evangelium des Matthäus“, Verlag Dörffling & Franke, Leipzig 1877,  Seite 332

²= http://de.wikipedia.org/wiki/Zweifel


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