Wüste Juda * Foto: udi Steinwell [CC BY 2.5 (http://creativecommons.org/licenses/by/2.5)%5D, via Wikimedia Commons
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Der Wortverkündigung am kommenden Sonntag liegt ein Vers aus dem 4. Kapitel des Matthäusevangeliums (zum Hintergrund des Matthäusevangeliums siehe: Klick!) zugrunde. Wir betrachten diesen Vers in seinem Kontext:
“Dann wurde Jesus von dem Geist in die Wüste hinaufgeführt, um von dem Teufel versucht zu werden; und als er vierzig Tage und vierzig Nächte gefastet hatte, hungerte ihn schließlich. Und der Versucher trat zu ihm hin und sprach: Wenn du Gottes Sohn bist, so sprich, dass diese Steine zu Broten werden. Er aber antwortete und sprach: Es steht geschrieben: Nicht von Brot allein soll der Mensch leben, sondern von jedem Wort, das durch den Mund Gottes ausgeht. Dann nimmt der Teufel ihn mit in die heilige Stadt und stellte ihn auf die Zinne des Tempels und spricht zu ihm: Wenn du Gottes Sohn bist, so wirf dich hinab; denn es steht geschrieben: Er wird seinen Engeln deinetwegen befehlen, und sie werden dich auf Händen tragen, damit du nicht etwa deinen Fuß an einen Stein stoßest. Jesus sprach zu ihm: Wiederum steht geschrieben: Du sollst den Herrn, deinen Gott, nicht versuchen. Wiederum nimmt der Teufel ihn mit auf einen sehr hohen Berg und zeigt ihm alle Reiche der Welt und ihre Herrlichkeit und sprach zu ihm: Dies alles will ich dir geben, wenn du niederfällst und mich anbetest.
Da spricht Jesus zu ihm: Geh hinweg, Satan! Denn es steht geschrieben: Den Herrn, deinen Gott, sollst du anbeten und ihm allein dienen. Dann verlässt ihn der Teufel, und siehe, Engel kamen herzu und dienten ihm.„(Matthäus 4, 1 – 11 ELBEDHÜ; z. Vgl. LUTH’84)
Einige grundlegende Anmerkungen zu Matthäus 4, 1 – 11
Bevor wir uns dem Text von Matthäus 4, 1 – 11 zuwenden, sollten wir uns ins Gedächtnis rufen, für welche Zielgruppe das Matthäusevangelium geschrieben wurde und in welchem Kontext der von uns zu betrachtende Text steht:
Matthäus wendet sich mit seinem Evangelium besonders an jüdische Leser (zur Zielgruppe des Matthäusevangeliums siehe: Klick!) Sein Wunsch ist es, diesen Lesern Jesus Christus als den von Gott verheißenen und vom jüdischen Volk erwarteten Messias, Erlöser, vorzustellen. Aus diesem Grund konzentriert er sich auch ganz auf die Geschehnisse im Leben Jesu, in denen Seine Messianität deutlich hervortritt. Ereignisse im Leben des Herrn, die von den drei anderen Evangelisten berichtet werden, diesem Ziel aber nicht dienen, lässt Matthäus deshalb auch bewusst aus.
In jedem der ersten drei Kapitel seines Evangeliums, die unserem heutigen Textabschnitt vorausgingen, konzentrierte sich Matthäus auf diesen Punkt: In Matthäus 1 zeigte der Evangelist anhand des Stammbaumes Jesu und in Matthäus 2 anhand der Jungfrauengeburt auf, dass der von ihm verkündete Erlöser alle Bedingungen erfüllte, um der verheißene König Israels zu sein. In Matthäus 3, 1 – 12 stellte der Evangelist seinen Lesern dann zuerst den (ebenfalls bereits im Alten Testament angekündigten) Herold des Messias vor, um anschließend in Matthäus 3, 13 – 17 die Taufe des Herrn und Seine Beglaubigung durch Gott, den Vater, zu schildern. Dabei wird zum einen in dem Herabkommen des Geistes auf den Erlöser (Matthäus 3, 16) Seine Messianität deutlich (vgl. Jesaja 42, 1; Lukas 4, 14; Lukas 5, 17; Lukas 24, 49), zum anderen markiert das eindrückliche Reden Gottes (Matthäus 3, 17) den Beginn eines neuen Abschnitts der Heilsgeschichte. Denn zum letzten Mal hatte Gott 400 Jahre zuvor zu Seinem Volk gesprochen und zwar durch den Propheten Maleachi. Dieser aber hatte in seinen letzten prophetischen Äußerungen das Kommen des Vorläufers des Messias angekündigt (Maleachi 3, 23 – 24), welches nun in der Person Johannes des Täufers seine Erfüllung gefunden hatte (vgl. Matthäus 11, 14; Matthäus 17, 11 – 13).
In Kapitel 4 wendet sich der Evangelist dann den Geschehnissen rund um die Versuchung Jesu zu. Auch dies tut er, wie wir noch sehen werden, mit der Zielrichtung, seinen Lesern Beweise dafür zu liefern, dass der “Sohn des Zimmermanns“ (Matthäus 13, 55) der von Gott verheißene Messias ist.
Anmerkungen zu Matthäus 4, 1 – 11
* “Dann wurde Jesus von dem Geist in die Wüste hinaufgeführt, um von dem Teufel versucht zu werden; und als er vierzig Tage und vierzig Nächte gefastet hatte, hungerte ihn schließlich.“ – Matthäus 4, 1 – 2 – In Matthäus 3, 13 – 17 lesen wir den Bericht über die Taufe des Herrn im Jordan durch Johannes den Täufer. In diesem Zusammenhang bezeugte Gott Sein Wohlgefallen bzgl. Seines Sohnes auf zweifache Weise:
- Gott sandte den Heiligen Geist sichtbar auf Ihn hernieder und bestätigte damit, dass Jesus Christus der von Ihm verheißene Messias ist (vgl. Jesaja 42, 1; Lukas 4, 14; Lukas 5, 17; Lukas 24, 49)
- Gott gab Seinem Sohn ein ausdrückliches und hörbares Zeugnis Seines Wohlgefallens (Matthäus 3, 17)
All‘ jenen, die Zeugen dieses Handelns Gottes waren, aber auch all‘ jenen, die davon im Evangelium des Matthäus lasen, stellte sich die Frage, ob sich der so Beglaubigte diesen Zeugnissen Gottes würdig erweisen konnte. Den Beweis dafür erbrachte der Messias, indem Er der dreifachen Versuchung des Satans widerstand und diesen überwandt.
W. D. Davies und D. C. Allison haben in ihrem Kommentar zum Matthäusevangelium darauf hingewiesen, dass Matthäus mit der ausdrücklichen Nennung des Geistes Gottes nicht nur an die Berichte über die göttliche Herkunft des Messias anschließt (Matthäus 1, 20; Matthäus 3, 17), sondern auch an die Führung des Volkes Israels aus Ägypten durch die tiefen Wasser in die Wüste (4. Mose 20, 5; Psalm 80, 1)¹ erinnert.
Die Wüste, von der in Matthäus 4, 1 – 2 die Rede ist, ist die Wüste Juda, ein Landstreifen, der sich von Jericho im Norden, entlang des Toten Meeres bis in den Negev zieht. Das Volk Israel hingegen war 40 Jahre durch die Wüste Sinai, die den größten Teil der Sinaihalbinsel zwischen Ägypten und Israel bedeckt, gezogen.
Wie jedem aufmerksamen Bibelleser bekannt sein dürfte, kommt die Zahl 40 bereits im Alten Testament im Zusammenhang mit Sünde und Versuchung bzw. Prüfung häufig vor (vgl. 1. Mose 7, 4 + 17; 1. Mose 8, 6; 2. Mose 16, 35; 2. Mose 24, 18; 2. Mose 34, 28; 4. Mose 14, 33; 4. Mose 32, 13; 5. Mose 9, 9 + 11 + 18 + 25; 5. Mose, 2, 7; 5. Mose 8, 2; 5. Mose 25, 3; Psalm 95, 10; Jona 3, 4). Auch diese Prüfung des Herrn steht mit der Zahl 40 in Zusammenhang. So fastete der Herr Jesus vierzig Tage und vierzig Nächte und wurde im Anschluss daran versucht.
Fasten ist sowohl im Alten wie auch im Neuen Testament eine oft praktizierte geistliche Disziplin, deren Zweck es war bzw. ist, einem geistlichen Anliegen oder einer besonderen Not mehr Aufmerksamkeit zu widmen, als der Pflege des eigenen Körpers (vgl. Matthäus 6, 16 – 17; Matthäus 9, 15; Markus 2, 19; Lukas 5, 35). In der Regel nahm der Fastende nur Flüssigkeit in Form von Wasser zu sich (vgl. Lukas 4, 2). Dass es bei einem Gott wohlgefälligen Fasten nicht nur um das Enthalten von Nahrung geht, macht Jesaja 58 deutlich. Auch die Apostel und die ersten christlichen Versammlungen (= Gemeinden) maßen der Praxis des Fastens eine entsprechende Bedeutung bei (vgl. Apostelgeschichte 13, 2 – 3; Apostelgeschichte 14, 23; 2. Korinther 6, 5; 2. Korinther 11, 27).
Von zwei weiteren Menschen berichtet uns die Heilige Schrift, dass sie vierzig Tage und vierzig Nächte fasteten: Mose und Elia (2. Mose 34, 28; 5. Mose 9, 9; 1. Könige 19, 8). Die Tatsache, dass Gott Seinen Sohn in die Wüste führte und Ihn dort ebenfalls vierzig Tage und vierzig Nächte fasten lies, führte jedem jüdischen Leser vor Augen, dass er es hier mit dem Messias zu tun hatte, denn dieser war als ein “Prophet wie Mose“ angekündigt worden (5. Mose 18, 15; 5. Mose 18, 18 – 19) und ihm sollte ein Herold wie Elia vorausgehen (vgl. Matthäus 11, 14; Matthäus 17, 11 – 13).
Die Aussage des Matthäus, dass “Jesus von dem Geist in die Wüste hinaufgeführt (wurde), um von dem Teufel versucht zu werden“ mag vielleicht einige Leser verwirren. Lehrt uns Jakobus 1, 13 nicht, dass “Gott nicht versucht werden (kann) vom Bösen, Er selbst aber (auch niemanden) versucht“? Doch und diese Aussage entspricht auch der Wahrheit. Gott Selbst kann nicht versucht werden und Er Selbst versucht auch niemanden. Das schließt aber nicht aus, dass Gott Seinen Sohn bzw. Menschen der Versuchung durch andere aussetzt und auf diese Weise prüft. Dazu finden sich in der Heiligen Schrift zahlreiche Beispiele. (Auch Gläubige werden während ihres Lebens auf dieser Erde geprüft und zwar in den Versuchungen durch das Fleisch, die Welt und den Satan [1, Johannes 2, 15 – 17; 1. Petrus 5, 8]).
Der Herr Jesus Christus musste sich nach dem 40-tägigen Fasten einer dreifachen Versuchung durch den Satan stellen, in der Sein Charakter und Sein Gehorsam Gott dem Vater gegenüber geprüft wurde. Dieser Versuchung widerstand der Sohn Gottes, wie uns Matthäus 4, 1 – 11 berichtet. Jedem Juden, der diesen Bericht las, wurde dadurch aber auch deutlich, dass hier noch weit mehr geschah als “nur“ die Bestätigung der göttlichen Beglaubigung Christi in Matthäus 3, 16 – 17. Während das Volk Israel, das von Gott ebenfalls als “Sohn“ bezeichnet wurde, in der Wüste versagt hatte und ungehorsam geworden war (2. Mose 4, 22; 5. Mose 8, 3 + 5), widerstand der Mensch gewordene Sohn Gottes – ebenfalls in der Wüste – der Versuchung und blieb Gott, dem Vater, treu und gehorsam. Spätestens jetzt musste jedem jüdischen Leser klar geworden sein, dass er es hier mit dem Messias Israels zu tun hatte.
* “Und der Versucher trat zu ihm hin und sprach: Wenn du Gottes Sohn bist, so sprich, dass diese Steine zu Broten werden. Er aber antwortete und sprach: Es steht geschrieben: Nicht von Brot allein soll der Mensch leben, sondern von jedem Wort, das durch den Mund Gottes ausgeht.“ – Matthäus 4, 3 – 4 – Wie der Herr und der Versucher sich in der Wüste begegneten, wird uns nicht geschildert. Darum tun wir gut daran, wenn wir uns an die bekannte Regel halten, die da lautet: “Wo die Heilige Schrift redet, reden auch wir. Wo die Heilige Schrift schweigt, haben auch wir zu schweigen.“
Die Aussage “Wenn du Gottes Sohn bist, so ….“ stellt im griechischen Text keine Infragestellung der Gottessohnschaft Christi dar. Ganz im Gegenteil. Der Versucher war sich der Gottessohnschaft des Herrn Jesus Christus bewusst und genau an diesem Punkt wollte er Ihn herausfordern. Die Versuchung lag jedoch nicht darin, dass der Herr Seine Gottessohnschaft leugnen oder unter Beweis stellen sollte. Vielmehr bestand die Versuchung darin, die mit der Gottessohnschaft verbundene Vollmacht unabhängig von Gott dem Vater zu gebrauchen. Auf diese Weise sollte der Herr Jesus Christus dazu versucht werden, Seine Vollmacht als Gott der Sohn auf eine Weise zu gebrauchen, die nicht in Übereinstimmung mit dem Auftrag war, den Er von Gott, dem Vater, empfangen hatte (vgl. Johannes 10, 18; Matthäus 26, 53 – 54; Matthäus 27, 40).
Auch Israel war in der Wüste einer Prüfungssituation ausgesetzt gewesen, in der das Volk kein Brot hatte (5. Mose 8, 3!). Doch anstatt Gott zu vertrauen, dass Er es mit allem versorgen konnte und wollte, begann es zu murren und nach Fleisch zu verlangen. Was folgte, war das Gericht Gottes über den Unglauben des Volkes (2. Mose 16; 4. Mose 11; Psalm 78, 18). Auf genau diese Weise versuchte nun der Satan den Herrn. Er wollte Ihn dazu verleiten, dass Er Sein Vertrauen im Gott aufgab und Seine Vollmacht dazu missbrauchte, sich selbst mit Brot zu versorgen. Doch der Herr widerstand der Versuchung und antwortete dem Versucher mit genau jenem Vers, in dem die Prüfung Israels angesprochen wird. Doch dieser Vers enthält nicht nur eine Aussage zu der Prüfung Israels, sondern auch einen Hinweis, wie Israel diese Prüfung hätte bestehen können:
“Er demütigte dich und ließ dich hungern und speiste dich mit Manna, das du und deine Väter nie gekannt hatten, auf dass er dir kundtäte, dass der Mensch nicht lebt vom Brot allein, sondern von allem, was aus dem Mund des HERRN geht.„
“Er aber antwortete und sprach: Es steht geschrieben (5.Mose 8,3): »Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von einem jeden Wort, das aus dem Mund Gottes geht.«„
Der Herr Jesus Christus wies darauf hin, dass “der Mensch“ nicht von Brot allein lebt, sondern “von jedem Wort, das aus dem Mund Gottes geht“. Als Mensch überwandt Er auch den Versucher, weil Er sich nicht Seiner göttlichen Vollmacht bediente. Stattdessen gebrauchte Er jenes wichtige Instrument, das jedem Menschen zur Verfügung stand und steht: das Wort Gottes. Die Heilige Schrift, das Wort Gottes, ist, wie der Apostel Paulus uns im Epheserbrief belehrt, “das Schwert des Geistes“ und unsere einzige Verteidigungswaffe gegen die Versuchungen des Satans (Epheser 6, 17). Darum ist es im wahrsten Sinne des Wortes für jeden Gläubigen überlebenswichtig, dass er/sie das Wort Gottes gründlich und genau kennt. Mit einem oberflächlichen Wissen, das sich auf “Lieblingsbibelverse“ beschränkt, wird kein Christ dem Satan widerstehen können. Der biblische Analphabetismus und das Misstrauen dem Wort Gottes gegenüber, sind zwei von vielen Gründen, warum wir es in Westeuropa heute mehrheitlich mit einem “Christentümchen“ und nicht mit einen lebens- und weltverändernden christlichen Glauben zu tun haben. Jeder wahrhaft aus Wasser und Geist Wiedergeborene (Johannes 3, 1 – 6) muss sich neu der Tatsache bewusst werden, dass er/sie völlig von Gott und Seinem Willen abhängig ist. Nur so ist er/sie ein wahrer Nachfolger des Herrn, der von sich sagte:
“Jesus spricht zu ihnen: Meine Speise ist die, dass ich tue den Willen dessen, der mich gesandt hat, und vollende sein Werk.“
Und nur auf diese Weise werden auch Christen den Bösen und das Böse überwinden können.
* “Dann nimmt der Teufel ihn mit in die heilige Stadt und stellte ihn auf die Zinne des Tempels und spricht zu ihm: Wenn du Gottes Sohn bist, so wirf dich hinab; denn es steht geschrieben: Er wird seinen Engeln deinetwegen befehlen, und sie werden dich auf Händen tragen, damit du nicht etwa deinen Fuß an einen Stein stoßest. Jesus sprach zu ihm: Wiederum steht geschrieben: Du sollst den Herrn, deinen Gott, nicht versuchen.“ – Matthäus 4, 5 – 7 – Dass es sich bei der “heiligen Stadt“ um Jerusalem handelt, ist unzweifelhaft, denn genau so wird diese Stadt im Alten wie im Neuen Testament immer wieder bezeichnet (vgl. Nehemia 11, 1; Matthäus 4, 5; Matthäus 27, 53). Diese Stadt wurde von den Juden nicht nur als Zentrum ihres Landes, sondern als das Zentrum der Welt (Hesekiel 38, 12) betrachtet. Als das Zentrum Jerusalems galt wiederum der Tempel. Im Gegensatz zu den prophetischen Aussagen des Alten Testaments (z.B. Sacharja 14, 4), die das Kommen des Messias auf dem Ölberg erwarten, verorteten darum auch einige Rabbiner mit Bezug auf Maleachi 3, 1, das Erscheinen des Messias zuerst auf oder bei dem Tempel.
Durch einen spektakulären Sturz von einer der hohen Zinnen des Tempels, den normalerweise kein Mensch überleben konnte, sollte sich der Herr auf Geheiß des Versuchers als der Messias Israels offenbaren. Doch eine solche Art der Offenbarung war in den Plänen Gottes des Vaters für Seinen Sohn nicht vorgesehen. Wäre der Herr Jesus Christus auf diese Versuchung eingegangen, dann hätte Er im Ungehorsam gegenüber den Plänen Gottes gehandelt. Satan versuchte sogar seine Verführung mit einem Zitat aus dem Wort Gottes zu kaschieren. Er zitierte Psalm 91, 11 – 12:
“Denn er hat seinen Engeln befohlen, dass sie dich behüten auf allen deinen Wegen, dass sie dich auf den Händen tragen und du deinen Fuß nicht an einen Stein stoßest.“
Und gewiss – in diesem Psalm verheißt Gott Seine Fürsorge und Sein wunderbares, bewahrendes Eingreifen all‘ jenen Menschen, die Ihm vertrauen und sich bei Ihm bergen. Aber dieser Psalm enthält keine Verheißung für jene, die nicht “im Schatten des Allmächtigen bleiben“, sondern entgegen den Weisungen Gottes handeln und gleichzeitig erwarten, Gott habe ihnen dennoch zu dienen bzw. zu helfen. Genau das aber hätte der Herr Jesus getan, wenn Er entgegen dem Willen Gottes der Versuchung Satans nachgegeben und von der Zinne des Tempels gesprungen wäre. Es wäre kein Beweis Seines Vertrauens in Gott, sondern eine Herausforderung des Allmächtigen gewesen. Doch auch dieser zweiten Versuchung widerstand der Herr mit dem Wort Gottes. Er zitierte den ersten Teil von 5. Mose 6, 16:
“Ihr sollt den HERRN, euren Gott, nicht versuchen, wie ihr ihn versucht habt in Massa, (…)“
Mit diesem Vers nahm der Herr auch Bezug auf ein weiteres Ereignis während der Wüstenwanderung des Volkes Israel. In Rephidim (2. Mose 17, 1 – 7) fanden die Israeliten kein Wasser und in ihrem Unglauben murrten sie wiederum gegen Gott, der ihnen zugesagt hatte, dass Er sie mit allem versorgen wollte, was sie benötigten. Doch sie wollten nicht darauf warten, dass Er sie wie verheißen versorgte. Sie stellten bei dieser Gelegenheit nicht nur Forderungen, sondern sie stellten die Gegenwart Gottes in ihrer Mitte selbst in Frage. Aus diesem Grund musste Mose den Ort dann auch in Massa und Meriba umbenennen. “Massa“ bedeutet “Prüfung“ und Meriba bedeutet “Streit“ bzw. “Provokation“. So hatte Israel also ein zweites Mal während der Wüstenreise versagt und dieses Versagen wog schwerer als das erste. Denn Gott hatte zu diesem Zeitpunkt bereits unter Beweis gestellt, dass Er Sein Volk mit Wasser versorgen konnte (vgl. 2. Mose 15, 25).
In genau den Bereichen, in denen Israel zweimal versagt hatte, widerstand der Sohn Gottes indem Er erneut das Wort Gottes der Versuchung des Satans entgegensetzte. Wenn uns schon der Bericht über die erste Versuchung deutlich vor Augen führte, wie wichtig eine genaue Kenntnis des Wortes Gottes für den einzelnen Gläubigen ist, so macht dieser zweite Bericht diese Tatsache umso deutlicher: Manche Versuchungen werden uns mit einen Bibelwort garniert serviert und sind dennoch nichts anderes als eine Verführung, die uns zum Ungehorsam gegenüber Gott verleiten soll. Umso wichtiger ist es, dass wir jeden Vers in seinem Zusammenhang betrachten und auf seine genaue Bedeutung hin untersuchen.
* “Wiederum nimmt der Teufel ihn mit auf einen sehr hohen Berg und zeigt ihm alle Reiche der Welt und ihre Herrlichkeit und sprach zu ihm: Dies alles will ich dir geben, wenn du niederfällst und mich anbetest. Da spricht Jesus zu ihm: Geh hinweg, Satan! Denn es steht geschrieben: Den Herrn, deinen Gott, sollst du anbeten und ihm allein dienen.“ – Matthäus 4, 8 – 10 – Der Name des Berges wird uns nicht genannt. Es könnte sich dabei um einen der zahlreichen Berge in der Wüste Juda gehandelt haben. Auch wird uns nicht gesagt, wie wir die Aussage zu verstehen haben, dass der Satan dem Herrn “alle Reiche der Welt“ zeigte. Aber diese Dinge stehen auch nicht im Mittelpunkt dieses Berichtes. In dieser dritten Versuchung versprach der Satan dem Herrn die Macht über alle Reiche der Welt, wenn Er niederfallen und ihn anbeten würde. Die Herrschaft über “alle Reiche der Welt“ war dem Sohn Gottes bereits prophetisch verheißen worden (Psalm 2). Warum also nicht einfach zugreifen? Weil der Weg dahin nach Gottes Willen ein anderer sein sollte. Der Weg zu Seiner Verherrlichung sollte Ihn, das war dem Herrn Jesus Christus bekannt, zuerst zu dem Kreuz von Golgatha führen. Seiner Erhöhung musste Seine vollkommene Selbstdemütigung voraus gehen. Hier bot der Satan dem Sohn Gottes nun einen Weg an, auf dem Er das Kreuz hätte umgehen können. Zu einem späteren Zeitpunkt sollte Petrus, vom Satan verführt, noch einmal diese “Alternative“, die mit Götzendienst einhergehen würde und daher nichts anderes als Ungehorsam gegen den allmächtigen Gott war, ins Spiel bringen (vgl. Matthäus 16, 23). Doch der Sohn Gottes widerstand sowohl der Versuchung durch den Satan, als auch später der Versuchung durch Seinen fehlgeleiteten Jünger.
Während die Israeliten den schweren Weg der Eroberung des verheißenen Landes aus Unglauben scheuten (vgl. 4. Mose 13 – 14) und darum in dieser Prüfung versagten, zog der Herr Jesus Christus den schweren Weg Gottes der leichten Alternative des Satans vor. Er tat dies, indem Er zum dritten Mal der Versuchung mit dem Wort Gottes widerstand und dem Versucher das Wort aus 5. Mose 6, 13 entgegenhielt:
“Den HERRN, deinen Gott, sollst du fürchten und ihm dienen (…)“
Der Versucher wäre in der Lage gewesen, dem Herrn die gezeigten Reiche der Welt zu übergeben, übte er doch zugelassener Weise darüber bis zu diesem Zeitpunkt Autorität aus (Johannes 12, 31). Doch indem der Herr Jesus Christus dieser Versuchung widerstand, gehorchte Er dem Willen Gottes und wurde infolge dessen nicht nur mit Macht über die Reiche dieser Welt, sondern mit “alle(r) Gewalt im Himmel und auf Erden“ (Matthäus 28, 18) ausgestattet. Dass dies eine Folge Seines Gehorsams Gott gegenüber war/ist, lehrt auch der Apostel Paulus, wenn er in Philipper 2, 6 – 11 schreibt:
“[Denn] diese Gesinnung sei in euch, die auch in Christus Jesus war, der, da er in Gestalt Gottes war, es nicht für einen Raub achtete, Gott gleich zu sein, sondern sich selbst zu nichts machte und Knechtsgestalt annahm, indem er in Gleichheit der Menschen geworden ist, und, in seiner Gestalt wie ein Mensch erfunden, sich selbst erniedrigte, indem er gehorsam wurde bis zum Tod, ja, zum Tod am Kreuz. Darum hat Gott ihn auch hoch erhoben und ihm den Namen gegeben, der über jeden Namen ist, damit in dem Namen Jesu jedes Knie sich beuge, der Himmlischen und Irdischen und Unterirdischen, und jede Zunge bekenne, dass Jesus Christus Herr ist, zur Verherrlichung Gottes, des Vaters.“
Indem der Herr Jesus Christus als Mensch im Gehorsam gegen Gott den Versuchungen des Satans widerstand, zeigte Er zum einen, dass Er sich der Beglaubigung Gottes als Sohn Gottes (Matthäus 3, 17) würdig erwies. Auf diese Weise zeigte Er auch, dass sich in Ihm die Verheißungen über den Messias Israels erfüllt hatten und zwar auf dreifache Weise: legal aufgrund Seiner Abstammung und Geburt (Matthäus 1 + 2), nach der Verheißung und aufgrund der Beglaubigung Gottes (Matthäus 3) und drittens im moralischem Sinn aufgrund Seines vollkommenen Gehorsams Gott gegenüber (Matthäus 4). Darüber hinaus erwies sich der Herr Jesus Christus damit auch als fähig und würdig, unser vollkommener Hoherpriester vor Gott zu werden:
“Denn es geziemte ihm, um dessentwillen alle Dinge und durch den alle Dinge sind, indem er viele Söhne zur Herrlichkeit brachte, den Urheber ihrer Errettung durch Leiden vollkommen zu machen. (…) Weil nun die Kinder Blutes und Fleisches teilhaftig sind, hat auch er in gleicher Weise daran teilgenommen, damit er durch den Tod den zunichte machte, der die Macht des Todes hat, das ist den Teufel, und alle die befreite, die durch Todesfurcht das ganze Leben hindurch der Knechtschaft unterworfen waren. Denn er nimmt sich fürwahr nicht der Engel an, sondern der Nachkommen Abrahams nimmt er sich an. Daher musste er in allem den Brüdern gleich werden, damit er in den Sachen mit Gott ein barmherziger und treuer Hoherpriester werde, um die Sünden des Volkes zu sühnen; denn worin er selbst gelitten hat, als er versucht wurde, vermag er denen zu helfen, die versucht werden.„
(Hebräer 2, 10 + 14 – 18; ELBEDHÜ)
Unsere Aufgabe ist es, Ihn beständig zu betrachten, und mit Seiner Hilfe Gottes Willen an den ersten Platz in unserem Leben zu stellen:
“Daher, heilige Brüder, Genossen der himmlischen Berufung, betrachtet den Apostel und Hohenpriester unseres Bekenntnisses, Jesus, der treu ist dem, der ihn bestellt hat, wie es auch Mose war in seinem ganzen Haus.“
(Hebräer 3, 1 – 2; ELBEDHÜ)
“Deshalb nun, da wir eine so große Wolke von Zeugen um uns haben, lasst auch uns, indem wir jede Bürde und die leicht umstrickende Sünde ablegen, mit Ausharren laufen den vor uns liegenden Wettlauf, hinschauend auf Jesus, den Anfänger und Vollender des Glaubens, der, die Schande nicht achtend, für die vor ihm liegende Freude das Kreuz erduldete und sich gesetzt hat zur Rechten des Thrones Gottes. Denn betrachtet den, der so großen Widerspruch von den Sündern gegen sich erduldet hat, damit ihr nicht ermüdet, indem ihr in euren Seelen ermattet.„
(Hebräer 12, 1 – 3; ELBEDHÜ)
* “Dann verlässt ihn der Teufel, und siehe, Engel kamen herzu und dienten ihm.“ – Matthäus 4, 11 – In den Berichten über die Versuchungen des Herr Jesus Christus wird uns Sein endgültiger Sieg bereits angedeutet. Obwohl Er erst durch die Auferstehung als Sohn Gottes in Kraft (Römer 1, 4) erwiesen wurde, sehen wir bereits hier, wie Er in der Kraft Gottes den Satan überwindet und Gottes Willen gehorsam ausführt. Als Folge davon muss der Satan weichen, wenn auch vorerst nur zeitweise. (Auch uns ist dies verheißen, wenn wir dem Feind Gottes und der Menschen widerstehen [Jakobus 4, 7]). Gott der Vater konnte daraufhin Seinen Sohn mit dem Dienst von Engeln ausstatten. Das Ziel dieser Versuchungen/Prüfung war erreicht worden. Der Sohn Gottes war Seinem Vater treu geblieben. Er überwand, indem Er den demütigen Weg des Dienstes und des Leidens beschritt (vgl. auch Matthäus 20, 26 – 28).
Fußnoten:
¹= W. D. Davies & D. C. Allison: International Critical Commentary, Matthew 1 – 7, T&T Clark 2004, Seite 352 ff.