Mehr als ein Lehrer
Am kommenden Sonntag soll ein Bibelwort, dem Johannesevangelium (zum Hintergrund des Johannesevangeliums siehe: Klick!) betrachtet werden. Wir lesen es hier in seinem größeren Zusammenhang:
„Es war aber ein Mensch unter den Pharisäern mit Namen Nikodemus, einer von den Oberen der Juden. Der kam zu Jesus bei Nacht und sprach zu ihm: Meister, wir wissen, du bist ein Lehrer, von Gott gekommen; denn niemand kann die Zeichen tun, die du tust, es sei denn Gott mit ihm. Jesus antwortete und sprach zu ihm: Wahrlich, wahrlich, ich sage dir: Es sei denn, dass jemand von neuem geboren werde, so kann er das Reich Gottes nicht sehen. Nikodemus spricht zu ihm: Wie kann ein Mensch geboren werden, wenn er alt ist? Kann er denn wieder in seiner Mutter Leib gehen und geboren werden? Jesus antwortete: Wahrlich, wahrlich, ich sage dir: Es sei denn, dass jemand geboren werde aus Wasser und Geist, so kann er nicht in das Reich Gottes kommen. Was vom Fleisch geboren ist, das ist Fleisch; und was vom Geist geboren ist, das ist Geist. Wundere dich nicht, dass ich dir gesagt habe: Ihr müsst von neuem geboren werden. Der Wind bläst, wo er will, und du hörst sein Sausen wohl; aber du weißt nicht, woher er kommt und wohin er fährt. So ist es bei jedem, der aus dem Geist geboren ist. Nikodemus antwortete und sprach zu ihm: Wie kann dies geschehen? Jesus antwortete und sprach zu ihm: Bist du Israels Lehrer und weißt das nicht?„
Anmerkungen zu Johannes 3, 1 – 10
Bereits in Johannes 2, 24 – 25 hatte der Evangelist darauf hingewiesen, dass der Herr Jesus Christus die Menschen, die Ihm begegneten, in einer Weise kannte, wie dies niemand anderes tat. Damit zeigt Johannes seinen Lesern, dass sie in der Person Jesu dem Sohn Gottes, Gott selbst, begegnen. Im Folgenden schildert der Evangelist dann eine Reihe von Begegnungen des Sohnes Gottes mit Einzelpersonen. Obwohl diese Personen aus ganz unterschiedlichen sozialen Hintergründen kommen, reagieren sie alle positiv auf die Person und die Botschaft Jesu.
Nikodemus, der nächtliche Besucher
* “Es war aber ein Mensch unter den Pharisäern mit Namen Nikodemus, einer von den Oberen der Juden.“ – Johannes 3, 1 – Die erste Person, der der Herr begegnet, ist ein Pharisäer. Nikodemus, dessen Name “(Be-)Sieger eines/des Volkes“ bedeutet, wird von Johannes als “Oberster“ der Juden bezeichnet. Wie wir aus Johannes 7, 50 – 51 wissen, war Nikodemus Mitglied des Sanhedrins. Die Pharisäer waren ursprünglich eine Erweckungsbewegung des Judentums, die großen Wert auf kultische Reinheit legte. Im Gegensatz zu der religiösen Partei der Sadduzäer glaubten die Pharisäer an alle 39 Schriften des Alten Testaments und sahen den Weg zur Erlösung darin, dass die Gläubigen die Gebote Gottes und die Traditionen der Ältesten beachteten. Die Sadduzäer hingegen erkannten nur die 5 Bücher Mose als Heilige Schrift an. Sie waren religiös weitaus liberaler als die Pharisäer. Eine Zusammenarbeit mit der heidnischen Besatzungsmacht der Römer war in den Augen der Sadduzäer weit weniger problematisch, als in denen der Pharisäer.
* “Der kam zu Jesus bei Nacht und sprach zu ihm: Meister, wir wissen, du bist ein Lehrer, von Gott gekommen; denn niemand kann die Zeichen tun, die du tust, es sei denn Gott mit ihm.“ – Johannes 3, 2 – Aus der Tatsache, dass Nikodemus den Herrn Jesus in der Nacht aufsucht, sind viele Schlüsse gezogen worden: Einige meinen, dass dies ein Hinweis darauf sei, dass Nikodemus bei diesem Besuch von anderen nicht gesehen werden wollte. Andere wiederum verweisen darauf, dass man im Nahen Osten häufig wichtige Gespräche am Abend, wenn die Hitze des Tages vergangen und Ruhe eingekehrt war, führte. Interessant ist, was der Evangelist mit dem Begriff der “Nacht“ verbindet. Wo immer Johannes diesen Begriff in seinem Evangelium gebraucht, ist er mit geistlicher oder moralischer “Finsternis“ verbunden (vgl. Johannes 9, 4; Johannes 11, 10 und Johannes 13, 30). Dieser Zusammenhang begegnet uns schon im Alten Testament: Als Jakob vor Esau aus seinem Elternhaus flieht, zieht er von Beerscheba nach Haran. Er kommt dann an einen Ort, wo “die Sonne untergeht“ und er sich schlafen legt (1. Mose 28, 11). Es wird zwar in den folgenden Kapiteln immer wieder von Morgenden und Tagen gesprochen, dass “die Sonne aufgeht“ wird explizit jedoch erst wieder nach der Gottesbegegnung Jakobs am Pniel, also seiner geistlichen Wiederherstellung, erwähnt (vgl. 1. Mose 32, 31). Ähnlich ist es bei Judas. Von ihm wird in Johannes 13, 30 gesagt, dass er, nachdem er den Bissen genommen hatte, den Kreis der Jünger verlies. Und Johannes fügt hinzu: “Es war aber Nacht.“ Im Gegensatz zu dem Betrüger Jakob, der sich in seinem Leben zu einem echten Anbeter Gottes wandelt, lesen wir bei dem Verräter Judas nicht, dass ihm noch einmal die Sonne aufging.
Wenn Johannes im Zusammenhang mit Nikodemus die Tatsache erwähnt, dass dessen Gespräch mit dem Herrn am späten Abend bzw. in der Nacht statt fand, dann kann das zum einen ganz natürliche Gründe gehabt haben. Andererseits wird aus dem dann folgenden Gespräch deutlich, dass sich auch Nikodemus in einer “geistlichen Dunkelheit“ befand. Wir werden das später noch genauer sehen.
Guter Meister? Lehrer? Herr!
Nikodemus sprach den Herrn Jesus Christus mit dem Titel eines jüdischen Lehrers, eines Rabbiners, an. Das ist zum einen eine respektvolle Anrede, zum anderen zeigt sie, dass Nikodemus dachte, dass hier ein Gespräch zwischen zwei jüdischen Lehrern, also quasi ein Gespräch auf gleicher Augenhöhe, statt fand.
Die Anrede zeigt auch, dass Nikodemus kein geistliches Verständnis darüber besaß, dass er in der Person Jesu dem von Gott durch die Propheten verheißenen Messias begegnete. Hier kontrastiert der Evangelist Johannes sehr eindrücklich die geistliche Dunkelheit, in der Nikodemus sich befand mit dem Licht der Erkenntnis Gottes, das in der Person des Herrn Jesus in diese Welt gekommen ist (Johannes 1, 4 – 5; Johannes 8, 12; 2. Korinther 4, 6). Nikodemus sah in Jesus Christus nicht mehr, als einen weiteren jüdischen Schriftgelehrten, wenn auch mit besonderen göttlichen Vollmachten ausgestattet. Doch vor Ihm stand der verheißene Messias, der Erlöser der Welt, der Sohn Gottes, Gott selbst.
Auch heute sehen vielen Menschen in dem Herrn Jesus Christus einen “guten Lehrer“. Angehörige nichtchristlicher Religionen bezeichnen Ihn manchmal sogar als “großen Weisheitslehrer“. Sie stellen Ihn dann oft in eine Reihe mit anderen “weisen“ Personen der Menschheitsgeschichte. Menschen, die so sprechen, machen deutlich, dass sie noch nicht zur wahren Erkenntnis der Person Jesu Christi durchgedrungen sind. Jesus Christus ist nicht ein weiterer “Erleuchteter“, Er ist das Licht der ganzen Welt:
“Nun redete Jesus wieder zu ihnen und sprach: Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, wird nicht in der Finsternis wandeln, sondern er wird das Licht des Lebens haben. “
Sogar Christen verfallen hin und wieder in einen Sprachgebrauch, in dem der Herr Jesus Christus als “Lehrer“ bezeichnet wird. Dabei scheinen solche Gläubigen nicht zu bemerken, dass sie auf diese Weise den auferstandenen und verherrlichten Sohn Gottes auf ein menschliches Niveau herunter ziehen. Nirgendwo im Neuen Testament wird uns gesagt, dass wir den Sohn Gottes als “Lehrer“ bezeichnen sollen.
In Matthäus 23, 8 untersagt der Herr den Jüngern, dass sie sich “Lehrer“ nennen lassen und zwar weil einer (nämlich Er) ihr Lehrer ist. In diesem Zusammenhang gebietet der Herr Seinen Jüngern jedoch nicht, Ihn so anzureden. Es geht Ihm vielmehr darum, dass die Jünger – im Gegensatz zu den Pharisäern und Schriftgelehrten – unter sich keine Rangordnung aufbauen sollten (siehe den ganzen Abschnitt von Matthäus 23, 1 – 11).
Das Neue Testament ist sehr eindeutig, wenn es darum geht, wie Gläubige ihren Herrn – entsprechend der verherrlichten Stellung, die der Auferstandene jetzt bei Gott dem Vater hat – ansprechen sollten. Der englische Bibelkommentator William J. Hocking hat in einer Fragenbeantwortung darauf hingewiesen, dass der Name ”Jesus” in den Evangelien ca. 588mal, in der Apostelgeschichte 17mal und in den apostolischen Briefen 30mal benutzt wird. Die Bezeichnung ”Herr” im Zusammenhang mit dem Herrn Jesus Christus wird in den Evangelien ca. 26mal, in der Apostelgeschichte 38mal und in den apostolischen Briefen 178mal gebraucht. Die Anrede ”Herr Jesus” kommt nach Hockings Ausführungen in den Evangelien 1mal, in der Apostelgeschichte 6mal und in den apostolischen Briefen 18mal vor. Die ganze Anrede ”Herr Jesus Christus” o. ä. findet sich so weder in den Evangelien noch in der Apostelgeschichte, dafür aber 90mal in den apostolischen Briefen. Hocking weist auch darauf hin, dass, obwohl die Evangelien den Namen ”Jesus” so häufig für sich allein gestellt benutzten, wir den Gebrauch Seines Namens bei den Jüngern/Aposteln niemals ohne den Titel ”Herr” finden. Das beginnt bereits in den ersten Worten, die der Apostel Petrus an die fragenden Israeliten am Pfingsttag richtet (vgl. Apostelgeschichte 2, 36).¹
Wir sollten bedenken, dass die Evangelien uns überwiegend die Zeit des irdischen Dienstes des Herrn Jesus Christus schildern, also jene Zeit, in der Er ”die Gestalt eines Knechtes annahm und den Menschen ähnlich wurde” (Philipper 2, 5 – 11). Heute leben wir in der Zeit nach Seinem wunderbaren Werk von Golgatha und Seiner siegreichen Auferstehung. Wir haben es jetzt mit dem verherrlichten und erhöhten Herrn zu tun (Apostelgeschichte 2, 33a; Apostelgeschichte 5, 31; Philipper 2, 9). Diesem verherrlichten und erhöhten Herrn sollten wir mit entsprechender Ehrfurcht, mit Dankbarkeit und Liebe begegnen und auch die Art unseres Redens über Ihn bzw. von Ihm sollte Seiner erhabenen Stellung entsprechen. Dabei ist zu beachten, dass wir hier nicht in irgendeine Gesetzlichkeit oder einen Formalismus verfallen. Echte Ehrfurcht kommt nicht dadurch, dass wir ad hoc unsere Wortwahl umstellen oder bestimmte neue Worte gebrauchen. Sie entspringt – wie wir bei den Propheten des Alten und den Aposteln des Neuen Testaments immer wieder sehen – der Begegnung mit Gott. Diese Begegnung mit Gott in Seinem Wort und im Gebet zu suchen, dass ist unsere Aufgabe. Nur aus der täglich neuen Begegnung mit Gott wird wahre Ehrfurcht gespeist und dadurch auch – wie wir es ebenfalls am Beispiel der Apostel sehen – ein Zeugnis für den Herrn Jesus Christus, das wirkliche Strahlkraft besitzt. So wird das neue Leben auch in unserem Reden und Zeugnis zu Ausdruck kommen, denn wir wurden errettet, weil wir ”den Namen des Herrn” angerufen haben (Römer 10, 9).
* “Jesus antwortete und sprach zu ihm: Wahrlich, wahrlich, ich sage dir: Es sei denn, dass jemand von neuem geboren werde, so kann er das Reich Gottes nicht sehen.“ – Johannes 3, 3 – Direkt und ohne Umschweife kommt der Herr Jesus Christus auf den Kern des geistlichen Problems zu sprechen: Niemand kann das Reich Gottes sehen, es sei denn, er sei von “neuem geboren“. Das hier von Johannes gebrauchte Wort “ἄνωθεν“ (“anothen“) hat sowohl die Bedeutung “von neuem“ als auch “von oben“.
Es war die Überzeugung der Pharisäer und Schriftgelehrten, dass – wenn das Reich Gottes manifest werden würde – alle Juden (mit Ausnahme jener, die sich besonders schwerer Sünden schuldig gemacht hatten) automatisch Teilhaber dieses Reiches werden würden. Können wir uns vorstellen, was für eine Überraschung es für Nikodemus, einen auf äußerste kultische Reinheit bedachten, gläubigen Pharisäer, gewesen sein muss, als er durch den Herrn Jesus Christus erfuhr, dass alle seine “guten“ Werke, alles Einhalten der alttestamentarischen Gebote, alles Beachten der Traditionen der Ältesten, ihm nicht die Teilhabe am Reich Gottes garantieren konnten?
In Matthäus 19, 28 sagt der Herr Seinen Jüngern, dass das kommende Reich Gottes die Erneuerung (manche Bibelübersetzungen sagen “die Wiedergeburt“) der Welt darstellt. Auf diesem Hintergrund ist es nur zu verständlich, dass in dieses Reich ausschließlich Menschen eingehen können, die “von neuem“ bzw. “von oben“ geboren wurden.
Wenn der Herr davon spricht, dass jeder, der in dieses Reich eingehen möchte, von “neuem“ bzw. “von oben“ geboren werden muss, dann stellt Er damit auch klar, dass eine teilweise Veränderung des Menschen, seines Denkens oder seines Lebensstils, dafür nicht ausreichend ist. Es geht nicht um ein geistliches Make-up, das wir über alles, was Gottes Willen in unserem Leben nicht entspricht, “drüberkleistern“, es geht nicht um die Reparatur einiger “kleiner Makel“. An uns ist – gemessen an dem Maßstab Gottes – nichts Gutes (Römer 3, 12; Römer 7, 18). Darum benötigen wir eine grundlegende Erneuerung.
* “Nikodemus spricht zu ihm: Wie kann ein Mensch geboren werden, wenn er alt ist? Kann er denn wieder in seiner Mutter Leib gehen und geboren werden? Jesus antwortete: Wahrlich, wahrlich, ich sage dir: Es sei denn, dass jemand geboren werde aus Wasser und Geist, so kann er nicht in das Reich Gottes kommen.“ – Johannes 3, 4 – 5 –Die Antwort Jesu auf die Nachfrage des Nikodemus macht deutlich, dass es bei der “neuen Geburt“ bzw. der “Geburt von oben“ nicht um eine Wiedergeburt oder Reinkarnation im Sinne der buddhistischen oder hinduistischen Lehre handelt. Ein nochmaliges Geborenwerden in einer anderen menschlichen Hülle kann das Problem der Sünde und der damit verbundenen Trennung von Gott nicht lösen. Ein Mensch, der in das Reich Gottes eingehen möchte, benötigt Vergebung der Sünden und neues Leben aus Gott (Epheser 1, 7; 2. Petrus 1, 4), er muss “von neuem“geboren werden.
Ein Schriftgelehrter, der die Schrift nicht kennt
In Johannes 3, 10 kritisiert der Herr, dass Nikodemus als jüdischer Schriftgelehrter nicht weiß, worum es bei dieser “neuen Geburt“ geht. Damit weist Er darauf hin, dass das, was Er über die “neue Geburt“ lehrt, seine Quelle bereits im Alten Testament hatte. Sonst wäre diese Kritik an Nikodemus nicht gerechtfertigt gewesen. Im Alten Testament finden wir viele Schriftstellen, in denen Wasser als Metapher für geistliche Reinigung und Erneuerung gebraucht werden (vgl. 4. Mose 19, 17 – 19; Psalm 51, 10; Jesaja 55, 1 – 3; Jeremia 2, 13; Jeremia 17, 13; Sacharja 14, 8). Der Geist Gottes (der Heilige Geist) repräsentiert im Alten Testament auch das Leben aus Gott (vgl. 1. Mose 1, 2; 1. Mose 2, 7; 1. Mose 6, 3 und Hiob 34, 14 – 15). In Jesaja 32, 15 – 16 und Joel 2, 28 – 29 (sowie an anderen Stellen) verhieß Gott Seinem Volk, dass Er Seinen Geist wie Wasser auf es ausgießen werde, um es zu erneuern. Das Ergebnis dieser geistlichen Erneuerung wäre ein neues Herz (Jeremia 31, 31 – 34). Diese Zusammenhänge hätten Nikodemus als jüdischem Schriftgelehrten bekannt sein müssen und genau deshalb bezog der Herr Jesus Christus sich jetzt darauf.
* “Was vom Fleisch geboren ist, das ist Fleisch; und was vom Geist geboren ist, das ist Geist.“ – Johannes 6, 6 – Hier wird noch einmal deutlich, dass es sich bei der von Jesus Christus gelehrten “neue Geburt“ nicht um ein Geschehen im Sinne einer Reinkarnation o.ä. handeln kann.
Der Begriff “Fleisch“ wird im Neuen Testament häufig benutzt, wenn es um die menschliche Natur geht (Römer 1, 3; Römer 3, 20 u.a.m.) Nur durch den Geist Gottes kann der Mensch neues Leben aus Gott empfangen und in seinem Wesen von Grund auf erneuert werden. Solange ein Mensch nicht durch den Geist Gottes erneuert ist, ist er “tot in Sünden und Übertretungen“ (vgl. Epheser 2, 1). Da diese geistliche Erneuerung, diese neue Geburt, bereits im Alten Testament gelehrt wird (z.B. in Psalm 87, 5 – 6; Hesekiel 36, 25 – 28) hätte Nikodemus nicht verwundert sein dürfen.
Die Worte Jesu zeigen aber auch, dass die Teilhabe am Reich Gottes kein Ergebnis menschlicher Errungenschaften oder menschlicher Abstammung war. Beides hatte in den Augen des Judentums eine hohe Bedeutung. Die Erkenntnis, dass weder seine Abstammung noch seine Werke eine Teilhabe an Gottes Reich sicher stellen konnten, muss Nikodemus erschüttert haben.
* “Wundere dich nicht, dass ich dir gesagt habe: Ihr müsst von neuem geboren werden.“ – Johannes 3, 7 – Als Nikodemus zu dem Herrn Jesus Christus kam sagte er: “Meister, wir wissen, (…)“ Es wird im Rahmen des Gesprächs nicht deutlich, wen er mit “wir“ meint. Vielleicht deutet er damit eine größere Anzahl von Pharisäern oder Mitgliedern des Sanhedrin an. Doch das lässt sich nicht belegen. Egal wen Nikodemus mit “wir“ meinte, jetzt kommt der Herr darauf zurück und sagt: “Ihr“. Nicht nur Nikodemus, sondern jeder Mensch, muss von neuem geboren werden, sonst kann er nicht in das Reich Gottes eingehen. Wer in Jesus Christus nur “einen guten Menschen“, einen “guten Lehrer“, einen “Weisheitslehrer“ sieht, der zeigt dadurch, dass Er noch keine Erkenntnis der Person des Sohnes Gottes hat und dass er/sie noch nicht von neuem geboren ist:
“Deshalb tue ich euch kund, dass niemand, der im Geist Gottes redet, sagt: Fluch über Jesus!, und niemand sagen kann: Jesus ist Herr!, außer im Heiligen Geist.“
(1. Korinther 12, 3; ELB’2006)
* “Der Wind weht, wo er will, und du hörst sein Sausen, aber du weißt nicht, woher er kommt und wohin er geht; so ist jeder, der aus dem Geist geboren ist.“ – Johannes 6, 8 – Hier benutzt der Herr den Vergleich des Heiligen Geistes mit dem Wind, um aufzuzeigen, wie der Heiligen Geistes wirkt:
- 1) Der Geist Gottes ist – wie der Wind – völlig souverän und kann vom Menschen nicht kontrolliert oder gelenkt werden.
- 2) Die Gegenwart des Geistes Gottes bemerken wir – wie den Wind – an ihren Auswirkungen.
- 3) Weder das Wirken des Geist Gottes – noch den Wind – können Menschen vollkommen erklären, da beides aus einer für sie nicht sichtbaren Quelle kommt.
Der aus Gott geborene Mensch, d.h., der von Gottes Geist erneuerte Mensch, wird auf ganz ähnliche Weise gekennzeichnet: Der Ungläubige wird den Gläubigen nie wirklich verstehen, geschweigedenn beherrschen können. Zahlreiche Beispiele aus der Heiligen Schrift und aus der Kirchengeschichte bezeugen dies. Der Ungläubige kann auch nicht nachvollziehen, woher der Gläubige seine Kraft, seine Wegweisung und seine Zielrichtung erhält. Nikodemus hätte das alles jedoch verstehen können, ja verstehen müssen, da das souveräne, wunderbare und mit nichts zu vergleichende Wirken des Geistes Gottes schon im Alten Testament an vielen Stellen offenbart wurde (vgl. z.B. auch Hesekiel 36 – 37).
* “Nikodemus antwortete und sprach zu ihm: Wie kann dies geschehen? Jesus antwortete und sprach zu ihm: Du bist der Lehrer Israels und weißt das nicht?“ – Johannes 3, 9 – 10 – Die noch einmal wiederholte Frage des Nikodemus zeigt, dass dieser Pharisäer – so demütig und fragend er auch war – zu diesem Zeitpunkt noch keine geistliche Erkenntnis besaß. (Später sollte sich das ändern. In Johannes 19, 39 finden wir ihn unter den Gläubigen, die sich beim Grab des Herrn einfinden.) Die Antwort Jesu in den Versen 11 – 12: “Wahrlich, wahrlich, ich sage dir: Wir reden, was wir wissen, und bezeugen, was wir gesehen haben, und unser Zeugnis nehmt ihr nicht an. Wenn ich euch das Irdische gesagt habe, und ihr glaubt nicht, wie werdet ihr glauben, wenn ich euch das Himmlische sage?“ weist darauf hin, dass dem Herrn sehr bewusst war, dass Nikodemus Seinen Worten nicht glaubte. Nach einer ersten Lektüre dieses Berichts könnte man meinen, es sei “vergebene Liebesmüh“ gewesen, mit der der Sohn Gottes diesem Pharisäer diese so heilsentscheidende Dinge erläutert hat. Doch wie schon gesagt, finden wir Nikodemus später unter den Gläubigen. Die Saat, die der Herr in diesem gespräch gesät hatte, war also aufgegaangen. Das kann uns ermutigen, den Samen des Wortes Gottes (Lukas 8, 11 u.a.) auch dann weiter auszutreuen, wenn wir nicht gleich Frucht im Leben derer sehen, die Gottes Wort empfangen.
Fußnoten:
¹= vgl. W. J. Hocking: ”Fragen und Antworten” in ”Ermunterung und Ermahnung”, Jahrgang 1987, Seite 149, CSV-Verlag Hückeswagen