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Das Textwort für den kommenden Sonntag stammt aus dem vierten Kapitel des Römerbriefes (zum Hintergrund des Römerbriefes: Klick!). Dort schreibt der Apostel Paulus:
“Dem aber, der nicht mit Werken umgeht, glaubt aber an den, der die Gottlosen gerecht macht, dem wird sein Glaube gerechnet zur Gerechtigkeit.“
Worum es geht
Dieser Vers ist ein Kernvers der biblischen Rechtfertigungslehre, denn er erläutert uns, wie ein Mensch von Gott gerechtfertigt wird. Bei der Rechtfertigungslehre geht es um die Antwort auf die Frage, wie Gott die durch Sünde zerstörte Beziehung des Menschen zu Ihm wiederherstellt. Paulus hat seine Leser Schritt für Schritt an dieses Thema herangeführt:
Nach der einleitenden Begrüßung (Kapitel 1, 1 – 15) und einer grundsätzlichen Bemerkung über den Inhalt des Evangeliums (Kapitel 1, 16 – 17) belehrt der Apostel die Versammlung (= Gemeinde) über die Notwendigkeit der Erlösung, d.h. der Rechtfertigung, für alle Menschen (Kapitel 1, 18 – Kapitel 3, 20).
In den Kapiteln 3, 21 – 5, 11 erläutert der Apostel dann, wie der Mensch Erlösung empfängt („allein aus Gnade, mittels des Glaubens“) und welche Folgen die Erlösung für den Menschen hat („Frieden mit Gott“).
Warum der Mensch Erlösung braucht und wie sie möglich wird
Das Wort, das im griechischen Neuen Testament für “Sünde“ gebraucht wird, ist “ἁμαρτία“ (= “hamartia“) und bedeutet “Zielverfehlung“. Seitdem die ersten von Gott geschaffenen Menschen das Ziel des Auftrages Gottes verfehlten, Gottes Gebot übertraten und aus der direkten Gegenwart Gottes entfernt wurden (1. Mose 3, 1), kommt jeder Mensch ohne eine Lebensbeziehung zu Gott auf diese Welt. Weil ihm diese Gottesbeziehung und die daraus fließende Kraft für ein Leben nach Gottes Maßstäben fehlen, ist jeder Mensch ein Sünder. Denn Sinn und Ziel allen menschlichen Lebens ist es nach Gottes Plan, in einer Beziehung zu Ihm zu leben und Ihn durch dieses Leben zu verherrlichen (Römer 3, 23; Johannes 14, 13; 15, 8; 2. Thessalonicher 3, 1; 1. Petrus 4, 11).
Der Mensch ist also “Sünder von Natur aus“, er hat – weil von Gott getrennt – eine sündige Natur. Die Sünde wirkt als ein alles bestimmendes Prinzip in ihm (Römer 7, 20; 3, 23; 5, 12 – 14). Weil der Mensch ein Sünder ist, sündigt er. Die grundsätzliche Sünde (Einzahl), d.h. der Zustand der Entfremdung von Gott, führt zu den vielfältigen Sünden (Mehrzahl), die der Mensch immer wieder begeht (Epheser 2, 3; Römer 6, 20). Die Folge (“der Lohn“) der Sünde ist der Tod (Römer 6, 23). D. h., dass der Sünder (aufgrund seiner Trennung von Gott) bereits in seinem irdischen Leben geistlich tot ist (Epheser 2, 1 – 3) und – wenn er keine Erlösung erfährt – nach diesem Leben den “zweiten Tod“ (Offenbarung 20, 1 – 15), also die ewige Trennung von Gott, erleidet.
Doch das ist nicht Gottes Wille. Bereits im Alten Testament machte Gott auf vielfältige Weise deutlich, dass Er den Tod des Sünders nicht wünscht (Hesekiel 18, 23 + 31 – 32; 33, 10 – 11).
Doch der Mensch kann selbst nichts tun, um sich von der Sünde und ihren Folgen zu befreien. Darum hat Gott in Seiner Gnade und Liebe ein Mittel geschaffen, durch das der Menschen die notwendige Befreiung von der sündigen Natur und die Vergebung seiner Sünden empfangen kann: Gott sandte seinen Sohn, der als Sühnopfer für die Sünde am Kreuz von Golgatha starb (Johannes 3, 16; Römer 5, 8). Als Christus am Kreuz starb, vollstreckte Gott Sein gerechtes Gericht, das uns, die Sünder, hätte treffen müssen, stellvertretend an Seinem Sohn. Alles, was zum Sünder (“dem alten Menschen“) gehörte, wurde mit Christus gekreuzigt. Da Tod immer Trennung bedeutet, trennt der Tod Christi alle, die an Ihn glauben, von der Herrschaft und den Folgen der Sünde.¹ Wer das Erlösungswerk Christi im Glauben annimmt, indem er Gott seine Sünde bekennt und Ihn um Vergebung bittet, der wird von neuem geboren (Johannes 3, 1 – 6) und empfängt “neues Leben in Christus“ (Römer 6, 18; 8, 1). Durch dieses neue Leben, die neue Natur (2. Petrus 1, 4), die Gott dem Glaubenden schenkt, muss dieser nicht mehr sündigen. Das bedeutet nicht, dass der Glaubende nicht mehr sündigen kann. Die Möglichkeit zum Sündigen besteht weiterhin auch für den Gläubigen. Aber er ist von dem Prinzip der Sünde, ihrer Herrschaft, befreit und muss ihr nicht mehr dienen. Durch die Kraft des Heiligen Geistes, den der Gläubige empfangen hat, wird er befähigt, “in der Neuheit des Lebens“ (Römer 6, 4; 8, 2) zu wandeln, d.h. gemäß Gottes Willen und Maßstab zu leben.
Wie der Mensch in den Genuss der Erlösung gelangt
Die Erlösung mit ihren weitreichenden, positiven Folgen ist also durch Christus am Kreuz von Golgatha bereits ein für allemal vollbracht worden. Diese Frage hat Paulus bereits im dritten Kapitel des Römerbriefes beantwortet:
„Nun aber ist ohne Zutun des Gesetzes die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, offenbart, bezeugt durch das Gesetz und die Propheten. Ich rede aber von der Gerechtigkeit vor Gott, die da kommt durch den Glauben an Jesus Christus zu allen, die glauben. Denn es ist hier kein Unterschied: sie sind allesamt Sünder und ermangeln des Ruhmes, den sie bei Gott haben sollten, und werden ohne Verdienst gerecht aus seiner Gnade durch die Erlösung, die durch Christus Jesus geschehen ist. Den hat Gott für den Glauben hingestellt als Sühne in seinem Blut zum Erweis seiner Gerechtigkeit, indem er die Sünden vergibt, die früher begangen wurden in der Zeit seiner Geduld, um nun in dieser Zeit seine Gerechtigkeit zu erweisen, dass er selbst gerecht ist und gerecht macht den, der da ist aus dem Glauben an Jesus.“
Warum greift Paulus diesen Punkt dann noch einmal in Römer 4, 5 auf? Nun, unter seinen Lesern befanden sich auch Gläubige, die aus dem Judentum kamen. Da Paulus in den Kapiteln zuvor den Glauben und das Gesetz so stark voneinander abgrenzt, hätte bei diesen Lesern der Eindruck entstehen können, dass der Glaube, den Paulus lehrte, ein neuer Weg sei, auf dem man das Heil, die Erlösung, erlangen könnte. Am Beispiel von Abraham zeigt Paulus darum auf, dass Gott Menschen schon immer nur aufgrund des Glaubens gerechtfertigt hat. Es gibt nicht verschiedene Wege zum Heil, etwa einen für die Menschen des Alten Testaments und einen anderen für die Menschen, die nach dem Tod und der Auferstehung Christi in den Genuss der Erlösung kommen. Glaube war und ist zu allen Zeiten der einzige Weg, auf dem der Mensch Zugang zum Heil bekommt.
Als Paulus diesen Brief schrieb, gab es jüdische Rabbiner, die behaupteten, dass Abraham aufgrund seines Gehorsams Gott gegenüber gerechtfertigt worden sei. Sein Gehorsam und die daraus resultierenden Werke, so sagten sie, seinen also das Mittel gewesen, durch das Abraham bei Gott angenommen wurde.² Diese Rabbiner lehrten ferner, dass Abraham mit seinem Gehorsam auch für seine Nachkommen eine Art “Verdienst bei Gott“ erworben hätte, durch das sie bei Gott angenommen würden. Um diese Lehren zu widerlegen, nimmt Paulus Bezug auf 1. Mose 15, 6, wo es heißt:
“Abram glaubte dem HERRN, und das rechnete er ihm zur Gerechtigkeit.“
Es ist wichtig, dass wir hier beachten, dass Abraham Gott glaubte. Gott hatte ihm eine Verheißung gegeben (1. Mose 15, 2 – 6) und Abraham vertraute darauf, dass Gott Seine Verheißung erfüllen würde. Abraham glaubte nicht in erster Linie an die Verheißung, sondern an den Gott, der die Verheißung gegeben hatte und der sie auch erfüllen würde. Die Verheißungen, die Gott den Menschen zu verschiedenen Zeiten gab, unterscheiden sich. Aber der Gegenstand des Glaubens, die Person Gottes, bleibt immer gleich. Gottes Verheißung an uns ist, dass Christus für unsere Sünden starb und wir dadurch erlöst werden können. Wenn wir Ihm glauben, werden wir gerechtfertigt. Unser Glaube ist nicht die Rechtfertigung, sondern er ist der Weg, auf dem wir Gottes Gerechtigkeit empfangen können. Unser Glaube ist auch keine Leistung, mit der wir die Rechtfertigung erlangen könnten. Er ist der Kanal, durch den uns die Rechtfertigung zugänglich gemacht wird.
Wie erwähnt gab es, als Paulus den Römerbrief schrieb, jüdische Rabbiner, die darauf beharrten, dass Abraham nicht aufgrund des Glaubens allein, sondern aufgrund seiner Werke von Gott gerechtfertigt wurde. Paulus widerlegt diese Behauptungen in Römer 4 mit Bezug auf 1. Mose 15. Wir könnten uns nun fragen. ob diese Widerlegung für uns als Christen heute überhaupt eine Relevanz hat? Ich glaube, dass die paulinische Beweisführung, dass der Mensch immer nur durch Glauben gerechtfertigt wird, eine nicht zu überschätzende Bedeutung auch und gerade für die christlichen Gläubigen hat. Denn bis heute sind auch immer wieder Christen der irrigen Meinung, Menschen könnten durch das Halten der Gebote oder andere, so genannte “gute Werke“ in den Genuss der Erlösung gelangen. Damit sagen diese Christen, dass das Opfer Jesu am Kreuz von Golgatha im Grunde genommen nicht ausreichend ist und dass der sündige Mensch (!) diesem Opfer noch irgendetwas hinzufügen könne/müsse. Was könnte blasphemischer sein?! Der Sohn Gottes hat an Seinem Kreuz ein einmaliges, vollgültiges Opfer vollbracht:
“Denn mit einem Opfer hat er in Ewigkeit vollendet die geheiligt werden.“
“Nun aber ist er einmal gegen das Ende der Weltzeiten hin erschienen zur Aufhebung der Sünde durch das Opfer seiner selbst.“
Darum konnte Er auch am Kreuz ausrufen:
“Es ist vollbracht!“
Aber weil es auch unter Christen immer wieder Tendenzen gibt, diesem einzigartigen, vollkommenen Werk Christi etwas hinzuzufügen und es dadurch zu schmälern, darum ist es wichtig, dass wir heute und in Zukunft mit Paulus betonen:
“Dem aber, der nicht mit Werken umgeht, glaubt aber an den, der die Gottlosen gerecht macht, dem wird sein Glaube gerechnet zur Gerechtigkeit.“
Fußnoten:
¹= vgl. Charles C. Ryrie: „Die Bibel verstehen“, CV Dillenburg, 1999, S. 257
²= vgl. Frank E. Gaebelein, James Dixon Douglas „The Expositor’s Bible Commentary: Romans-Galatians“, Zondervan Publishing House, 1991, S. 48 f.