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In Johannes 5, 1 – 9 wird uns von der Heilung eines Schwachen¹ berichtet:
“Danach war ein Fest der Juden, und Jesus ging hinauf nach Jerusalem. Es ist aber in Jerusalem bei dem Schaftor ein Teich, der auf Hebräisch Bethesda genannt wird und fünf Säulenhallen hat. In diesen lag eine Menge Kranker, Blinder, Lahmer, Dürrer, [die auf die Bewegung des Wassers warteten. Denn zu gewissen Zeiten stieg ein Engel in den Teich herab und bewegte das Wasser. Wer nun nach der Bewegung des Wassers zuerst hineinstieg, wurde gesund, mit welcher Krankheit irgend er behaftet war.] Es war aber ein gewisser Mensch dort, der achtunddreißig Jahre mit seiner Krankheit behaftet war. Als Jesus diesen daliegen sah und wusste, dass es schon lange Zeit so mit ihm war, spricht er zu ihm: Willst du gesund werden? Der Kranke antwortete ihm: Herr, ich habe keinen Menschen, dass er mich, wenn das Wasser bewegt worden ist, in den Teich wirft; während ich aber komme, steigt ein anderer vor mir hinab. Jesus spricht zu ihm: Steh auf, nimm dein Bett auf und geh umher! Und sogleich wurde der Mensch gesund und nahm sein Bett auf und ging umher. Es war aber an jenem Tag Sabbat.“
Lesen wir das Johannesevangelium bis zu diesem Bericht, dann wird deutlich, dass diese Heilung – nach der Verwandlung des Wassers zu Wein auf der Hochzeit zu Kana (Johannes 2, 1 – 12) und der Heilung des Sohnes des königlichen Beamten (Johannes 4, 46 – 54) – das dritte Wunder ist, das Johannes in seinem Evangelium für die Leser aufzeichnet (Zur Zielgruppe des Johannesevangeliums, siehe hier: Klick!). Aber ein Blick in die Evangeliensynopse macht deutlich, dass dies nicht das dritte Wunder in der Chronologie der Wunder des Herrn Jesus ist. Vergleicht man die Evangelien, so stellt man fest, dass es sich bei der Heilung des Schwachen am Teich Bethesda um das 10 Wunder Jesu (und um das dritte Wunder, dass Er an einem Sabbat tat) gehandelt hat. Voraus gegangen waren chronologisch: Das erwähnte Wunder der Verwandlung von Wasser in Wein (Johannes 2, 1 – 2), das von Johannes explizit als das erste Wunder der Tätigkeit Jesu bezeichnet wird, die Heilung des königlichen Beamten (Johannes 4, 46 – 54), danach folgt in Lukas 3, 16 – 30 das Wunder, dass der Herr ohne angetastet zu werden durch eine Menge hindurch geht, die die Absicht hat, Ihn zu töten. Das vierte Wunder, das zugleich das erste Wunder ist, das der Herr an einem Sabbat vollbrachte, wird uns in Markus 1, 21 – 28 (bzw. in Lukas 4, 31 – 37) berichtet, es ist die Austreibung eines unreinen Geistes in Kapernaum. Es folgen die Heilung der Schwiegermutter des Petrus (5. Wunder) und anderer Kranker (6. Wunder), wovon wir in Markus 1, 29 – 34 (bzw. Lukas 4, 32 – 42) lesen. Die Heilung der Schwiegermutter des Petrus ist das zweite Wunder, dass der Herr an einem Sabbat vollbrachte. Chronologisch folgt dann in Lukas 5, 1 – 11 mit dem überreichen Fischfang das siebte Wunder. Die Heilung eines Aussätzigen (Matthäus 8, 2 – 4; Markus 1, 40 – 45 und Lukas 5, 12 – 16) ist das achte Wunder. Wunder Nr. 9 ist die Heilung eines Gelähmten in Kapernaum (Matthäus 9, 1 – 8; Markus 2, 1 – 12; Lukas 5, 17 – 26). Danach erst folgt die Heilung des Kranken, von dem wir in Johannes 5, 1 – 9 gelesen haben. Sie ist das zehnte Wunder des Herrn und das dritte Wunder, das Er an einem Sabbat vollbrachte.
Bereits in Markus 1, 28 (also direkt im Anschluss an die Austreibung eines unreinen Geistes in Kapernaum, das vierte Wunder) berichtet der Evangelist:
“Und die Kunde von ihm ging sogleich aus in das ganze Gebiet von Galiläa.“
Wir können davon ausgehen, dass sich bis zum zehnten Wunder des Herrn am Teich Bethesda die Nachricht von Seinem Auftreten, seiner Vollmacht und Seinen Taten „die Runde gemacht“ hatte und auch den Menschen in Jerusalem bekannt geworden war. Wir sollten auch beachten, dass im jüdischen Volk zu dieser Zeit das Kommen des Messias ernsthaft herbei gesehnt wurde. Simon und Hanna, die im Tempel auf das Erscheinen des Heilandes warteten (Lukas 2, 22 – 39) sind ein Beleg dafür. Ebenso deutlich wird diese ernsthafte Erwartung in den Fragen, die die Juden an Johannes den Täufer stellen und bei denen es gleich zu Beginn darum geht, herauszufinden, ob er der Christus, der Messias, sei (Johannes 1, 19 – 28). Dass der Messias die Kranken heilen würden, war eine im Alten Testament fest verankerte Verheißung (siehe Jesaja 35, 5 – 6; Jesaja 53, 1 – 12; Jesaja 61, 1), also ebenfalls durch die regelmäßige Verlesung des Alten Testaments in den wöchentlichen Synagogengottesdiensten allseits bekannt.
Doch hier am Teich Bethesda finden wir einen Menschen, der trotz der biblischen Belehrung des Alten Testaments (von der er mit Sicherheit wenigstens durch seine Eltern etwas erfahren hatte), trotz der knisternden Messiaserwartung im Volk Israel (die offensichtlich war) und trotz der Berichte über die vollmächtigen Wunder Jesu (die im ganzen Land die Runde machten), seltsam unbeteiligt war. Auf die Frage des Herrn Jesus, ob er gesund werden wolle, antwortet dieser Schwache:
„Herr, ich habe keinen Menschen, der mich in den Teich bringt, wenn das Wasser sich bewegt; wenn ich aber hinkomme, so steigt ein anderer vor mir hinein.“
Dieser Mann hatte ganz offensichtlich eine bestimmte Vorstellung, wie seine Heilung sich vollziehen sollte. Irgendjemand würde ihn bei einer besonderen Gelegenheit in das Wasser bringen und dann würde er geheilt werden. Aber auf diesen Augenblick wartete er nun schon 38 (!) lange Jahre!
Nichts neues unter Gottes Leuten
Wann immer ich diesen Bericht lese, muss ich an zwei weitere, bekannte biblische Personen denken: Zacharias, den Vater von Johannes dem Täufer und an den Apostel Petrus. Sie und dieser namenlose Schwache am Teich Bethesda sind durch ein- und dieselbe Denkart verbunden: Von Zacharias und seiner Frau Elisabeth lesen wir, dass sie gottesfürchtig waren. Sie waren aber auch kinderlos. Ein Umstand, der im Israel jener Tage mit großer Schmach verbunden war. Wir können sicher sein, dass so gottesfürchtige Menschen wie Elisabeth und Zacharias, der zudem noch ein Priester war, Gott oft im Gebet um Nachkommenschaft gebeten haben. Aber dann heißt es in Lukas 1, 8 – 20:
“Es geschah aber, als er in der Ordnung seiner Abteilung den priesterlichen Dienst vor Gott erfüllte, dass ihn nach der Gewohnheit des Priestertums das Los traf, in den Tempel des Herrn zu gehen, um zu räuchern. Und die ganze Menge des Volkes war betend draußen zur Stunde des Räucheropfers. Es erschien ihm aber ein Engel des Herrn, der zur Rechten des Räucheraltars stand. Und als Zacharias ihn sah, wurde er bestürzt, und Furcht befiel ihn. Der Engel aber sprach zu ihm: Fürchte dich nicht, Zacharias, denn dein Flehen ist erhört, und deine Frau Elisabeth wird dir einen Sohn gebären, und du sollst seinen Namen Johannes nennen. Und er wird dir zur Freude und zum Jubel sein, und viele werden sich über seine Geburt freuen. Denn er wird groß sein vor dem Herrn; weder Wein noch starkes Getränk wird er trinken und schon von Mutterleib an mit Heiligem Geist erfüllt werden. Und viele der Söhne Israels wird er zu dem Herrn, ihrem Gott, bekehren. Und er wird vor ihm hergehen in dem Geist und der Kraft Elias, um die Herzen der Väter zu den Kindern zu bekehren und Ungehorsame zur Einsicht von Gerechten, um dem Herrn ein zugerüstetes Volk zu bereiten. Und Zacharias sprach zu dem Engel: Woran soll ich dies erkennen? Denn ich bin ein alter Mann, und meine Frau ist weit vorgerückt in ihren Tagen. Und der Engel antwortete und sprach zu ihm: Ich bin Gabriel, der vor Gott steht, und ich bin gesandt worden, zu dir zu reden und dir diese gute Botschaft zu verkündigen. Und siehe, du wirst stumm sein und nicht sprechen können bis zu dem Tag, an dem dies geschieht, weil du meinen Worten nicht geglaubt hast, die sich zu ihrer Zeit erfüllen werden.“
Nach der Gewohnheit traf ihn das Los und ganz offensichtlich tat Zacharias auch – nach Gewohnheit – seinen Dienst. Doch dann passiert plötzlich ganz Ungewohntes, ja Ungewöhnliches! Ein Engel erscheint und verkündet die Erhörung seiner Gebete! Was könnte es für einen Mann wie Zacharias Schöneres geben? Aber nein, Zacharias glaubt nicht. Jahrelang gebetet und jetzt das!
Denken wir an Petrus. Drei Jahre lang zieht er mit dem Herrn Jesus durch das Land, wird Zeuge größter Wunder und zwar nicht nur an Juden, sondern auch an Heiden (z. B. die Heilung der Tochter der Frau aus Syrophönizien, Matthäus 15, 21 – 28; Markus 7, 24 – 30 u. a. m.) Er war dabei, als der Herr Seinen Jüngern gebot, das Evangelium in alle Welt, also zu allen Menschen, zu tragen (Matthäus 28, 16 – 20). Doch als er in das Haus des Kornelius (also zu einem Heiden!) gerufen wird, da bedarf es eines dreimaligen Redens Gottes (Apostelgeschichte 10, 1 – 34), damit er sich auf den Weg macht und eines zusätzlichen Wunders im Haus des Kornelius (Apostelgeschichte 10, 44 – 48), ehe auch er glauben kann, dass nicht nur Juden, sondern auch Heiden Erlösung von Gott empfangen können.
Nicht nur an Gott glauben, sondern Gott glauben!
Es nützt uns nichts, über das Verhalten des Schwachen am Teich Bethesda, den Unglauben des Zacharias und des Petrus zu diskutieren. Wir müssen uns selbst fragen, ob nicht auch wir in derselben Gefahr stehen wie sie. Wir können ganz bestimmte Vorstellungen davon haben, wie Gott in unserem Fall wirken sollte und diese Vorstellungen verstellen uns den Blick auf das, was Gott für uns tun möchte! Dann sind wir 38 Jahre schwach, anstatt gestärkt durch Gott durchs Leben zu gehen. Wie Zacharias können wir Gott glauben und dienen, aber unser Glaube wird zur Gewohnheit. Wie er können wir Jahre lang beten und dennoch nicht wirklich glauben, dass Gott unsere Gebete auch erhört. Wie Petrus können auch wir viele Erfahrungen mit Gott machen und dann doch versagen, wenn Gott einmal außerhalb unserer bisherigen Erfahrungen handelt. Es ist wichtig, dass wir eines begreifen: Es gilt nicht nur an Gott zu glauben – das tun auch die Dämonen (Jakobus 2, 19) -, sondern wir müssen Ihm auch glauben, was Er uns sagt! Dazu ist es unabdingbar, in enger Gemeinschaft mit Gott zu leben, Sein Wort zu lesen und das lebendige Gespräch im Gebet mit Ihm zu pflegen. Nur so erfahren wir z.B., welche unserer Gebete in Übereinstimmung mit Seinem Willen und sind und darum auch die Verheißung Seiner Erhörung haben (1. Johannes 5, 14). Nur so wird unser Denken erneuert (Römer 12, 2). Das aber ist unabdingbar. Denn wir müssen unser altes Denken, das Denken in unseren begrenzten (traditionellen) Vorstellungen, hinter uns lassen, damit wir Gottes (neue) Wege in unserem Leben erkennen und gehen können. Gott segne Sie dazu.
Fußnoten:
¹= Der biblische Text sagt nur, dass der Betreffende „krank“ war, welche Art von Krankheit bei ihm vorlag, wird nicht gesagt. Aufgrund der Aussage des Kranken, dass ihn niemand ins Wasser tragen würde, ist die Schlußfolgerung gezogen worden, dass bei ihm eine Lähmung vorlag. Doch das steht, wie gesagt, so nicht im Text.