Die bekannteste Passage der so genannten Bergpredigt neben den Seligpreisungen ist wohl die Aussage des Herrn Jesus Christus über das Reich Gottes in Matthäus 6, 33:
„Trachtet aber zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, und dies alles wird euch hinzugefügt werden.“
Bevor wir der Frage nachgehen können, was Teilhabe am Reich Gottes bedeutet und wie diese zu erlangen ist bzw., was es heißt nach dem Reich Gottes und seiner Gerechtigkeit zu trachten, müssen wir uns zuerst der Frage zuwenden, was das Reich Gottes überhaupt ist. Denn darüber bestehen z. T. sehr unterschiedliche, nicht immer mit den Aussagen der Heiligen Schrift in Einklang stehende, Vorstellungen.
A. Unterschieden von der Versammlung (= Gemeinde/Kirche)
Eine dieser Vorstellungen über das Reich Gottes ist, dass es gleichbedeutend mit der Versammlung (= Gemeinde/Kirche) sei. Das ist jedoch nicht der Fall, wie wir an einem Vergleich von wenigen Bibelstellen erkennen können:
1) Die Gläubigen, die zur Versammlung (= Gemeinde/Kirche) gehören, wurden in Christus vor Grundlegung der Welt auserwählt (vgl. Epheser 1, 4), wohingegen das Reich von (oder: seit) Grundlegung der Welt an bereitet wurde (vgl. Matthäus 25, 34).
2) Die Versammlung (= Gemeinde/Kirche) entstand am Tag der Pfingsten mit dem Kommen des Heiligen Geistes (vgl. Apostelgeschichte 2, 1 – 47). Das Reich Gottes nahm seinen Anfang schon davor mit seiner Verkündigung durch den König dieses Reiches, den Herrn Jesus Christus und zwar mit dem Beginn seines öffentlichen Dienstes (vgl. Matthäus 4, 17; Markus 1, 15).
3) Die Versammlung (= Gemeinde/Kirche) wird erst im Neuen Testament erwähnt und thematisiert (Matthäus 16, 13 – 19). Sie ist im Alten Testament unbekannt (so wird sie z.B. nicht unter den prophetisch vorhergesagten Dingen in 1. Petrus 1, 9 – 12 genannt). Vom Reich Gottes hingegen sprechen bereits die alttestamentarischen Propheten (vgl. Jesaja 9; 11; 60; 61; 62; 63; 64; 65; 66; Daniel 2; Daniel 7; Micha 5; Psalm 45; Psalm 72 u. a. m.)
4) Nach den alttestamentarischen Prophezeiungen wird das Reich Gottes auf dieser Erde errichtet werden und ein Ort irdischen, materiellen Segens sein (vgl. die unter Punkt 3 angegebenen alttestamentarischen Verheißungen, insbesondere bei Jesaja). Im Gegensatz dazu sind den Gläubigen der Versammlung (= Gemeinde/Kirche) vorrangig geistliche Segnungen verheißen und verliehen worden (vgl. Epheser 1, 3; Römer 8, 16 – 17; Hebräer 3, 1), ihr Glaubensziel ist nicht die Erde, sondern die ewige Gemeinschaft mit Gott im Haus des Vaters (Johannes 14, 1 – 3).
5) Zur Versammlung (= Gemeinde/Kirche) gehören all jene, die das Evangelium geglaubt, Buße getan, Jesus Christus als ihren Herrn und Erlöser angenommen (Apostelgeschichte 16, 31; Johannes 1, 12 – 13) und den Heiligen Geist empfangen haben (Epheser 1, 13; 1. Korinther 12, 13). Im Reich Gottes dagegen befinden sich auch solche, die nur äußerlich und mit dem Mund die Herrschaft Christi bekennen (vgl. Matthäus 13, 24 – 30), d.h. sich Christ nennen ohne in einer Glaubens- und Lebensbeziehung zu Jesus Christus zu stehen.
6) All‘ jene, die durch Glauben und Wiedergeburt aus dem Heiligen Geist (Apostelgeschichte 16, 31; Johannes 1, 12 – 13; Epheser 1, 13; 1. Korinther 12, 13) zur Versammlung (= Gemeinde/Kirche) gehören, haben auch Anteil am Reich Gottes (vgl. Kolosser 1, 13; Johannes 3, 1 – 6; 1. Thessalonicher 2, 12). Von jenen, die – rein äußerlich zum Reich Gottes gehören – wird nirgendwo in der Heiligen Schrift gesagt, dass sie auch Teil der Versammlung (= Gemeinde/Kirche) seien.
7) Die Versammlung (= Gemeinde/Kirche) wird als eine „neue Masse“ gesehen (1. Korinther 5, 7). Das Reich Gottes wird jedoch als „von Sauerteig durchsäuert“ beschrieben, d.h. in ihm sind Gutes (= reiner Teig) und Böses (= Sauerteig) miteinander vermischt (vgl. Matthäus 13, 33; Lukas 13, 20 – 21). „Sauerteig“ bezeichnet in der Heiligen Schrift nie etwas Gutes, sondern durchgängig etwas Böses (vgl. dazu meinen Artikel „Guter Sauerteig?“: Klick!)
8 ) Während im Reich Gottes bzw. im Reich der Himmel „Unkraut und Weizen“ bis zur Ernte nebeneinander wachsen sollen und es den Knechten des Herrn untersagt wird, das Unkraut vorher zu entfernen (vgl. Matthäus 13, 24 – 30), gibt der Apostel Paulus im Gegensatz dazu in 1. Korinther 5, 9 – 13 eine klare Anweisung zur Trennung von solchen, die sich „Brüder“, also „Gläubige“, nennen, aber durch ihren Wandel deutlich zeigen, dass sie Christus nicht wirklich angehören (vgl. zu „falschen Brüdern“ auch Galater 2, 4 und 2. Korinther 11, 26). Auch der Herr Jesus Selbst hat in Matthäus 18, 15 – 17 ähnliche Anweisungen gegeben.
9) Die Zeit der Versammlung (= Gemeinde/Kirche) auf dieser Erde dauert von ihrer Entstehung am Tag der Pfingsten (Apostelgeschichte 2, 1 – 47) bis zum Zeitpunkt der Entrückung (1. Thessalonicher 4, 17 – 18). Das Reich Gottes begann mit der öffentlichen Verkündigung desselben durch den Herrn Jesus Christus während Seines irdischen Dienstes (vgl. Matthäus 4, 17; Markus 1, 15). Es wird seinen vollen Ausdruck im Tausendjährigen Friedensreich, dem Millennium, finden und mit dem Gericht vor dem großen weißen Thron enden (vgl. 1. Korinther 15, 25 – 26; Offenbarung 20, 11 – 15).
10) Der Herr Jesus Christus ist der König des Reiches Gottes (vgl. Johannes 1, 49; Matthäus 18, 23 – 35; Matthäus 21, 5 i.V.m. Sacharja 9, 9; Matthäus 22, 2 – 14; Matthäus 25, 34 u. a. m.) Im Zusammenhang mit der Versammlung (= Gemeinde/Kirche) wird der Herr Jesus Christus nie als „König“ bezeichnet, sondern als „Herr“ oder „Haupt“ (vgl. „Herr“: Römer 1, 4 + 7; Römer 5, 1 + 11 + 21; 1. Korinther 1, 2 – 3 + 7 – 10; Epheser 4, 5; „Haupt“: Epheser 1, 10; + 22; Epheser 4, 15; Kolosser 1, 18; Kolosser 2, 19 u. a. m.).
In Teil 2 ff. werden wir die Lehre der Heiligen Schrift über das Reich Gottes chronologisch betrachten und dabei auch auf weitere Unterschiede bzw. Schnittmengen zwischen der Versammlung (= Gemeinde/Kirche) und dem Reich Gottes weiter eingehen.