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Einer der wohl bekanntesten Bibelverse, die im Zusammenhang mit dem Tod und der Auferstehung Jesu Christi genannt werden, ist Johannes 19, 30:
„Als nun Jesus den Essig genommen hatte, sprach er:
Es ist vollbracht!
und er neigte das Haupt und übergab den Geist.“
Ein Bibelkommentator hat über diesen Vers geschrieben:
„Johannes war es vorbehalten, den Tod Dessen vorzustellen, der Gott war, und zwar auch, als Er Mensch war. Der Schöpfer, aber wirklicher Mensch, von der Erde erhöht, konnte sagen, als Er für die Sünde zur Verherrlichung Gottes starb: „Es ist vollbracht!“ Das unendliche Werk, das Werk zur Abschaffung der Sünde durch Sein Opfer, war getan. Von diesem Werk hängt alles ab, nicht nur die Segnung jeder Seele, die durch den Glauben gerechtfertigt werden soll, sondern auch die neuen Himmel und die neue Erde, in denen Gerechtigkeit wohnt. „Es ist vollbracht!“, tetelestai: ein Wort! Doch welches Wort enthielt je so viel?“¹
Wie umfassend, ja wie vollkommen, das Werk ist, das durch diese wenigen Worte „Es ist vollbracht“ bzw. in der griechischen Sprache mit nur einem Wort („τετέλεσται“, „tetelestai“²) zum Ausdruck gebracht wird, werden wir ein wenig besser verstehen, wenn wir den ganzen Vers etwas genauer betrachten:
Der Vers beginnt mit dem Hinweis: „Als nun Jesus den Essig genommen hatte ….“. Warum ist diese Begebenheit dem Apostel Johannes so wichtig, dass er sie uns mitteilt? Schon auf dem Weg zum Kreuz hatte man dem Herrn „Essig mit Galle vermischt“ gereicht (vgl. Matthäus 27, 34). Dieses Getränk, dem Myrrhe beigegeben war (vgl. Markus 15, 23), wodurch es einen bitteren Geschmack ähnlich der bitteren Galle, bekam, sollte eine betäubende Wirkung haben. Doch der Herr lehnte diesen Trank ab. Er ging, wie wir auch später noch sehen werden, in vollem Bewusstsein an das Kreuz. Diese zweite Erwähnung des Essigs (ohne Myrrhe) weist uns darauf hin, dass der Herr Jesus hier die letzte alttestamentarische Prophetie bzgl. Seiner Leiden erfüllte. In Psalm 69, 22 spricht David prophetisch über den kommenden Erlöser uns sagt von ihm:
„Und sie taten Galle in meine Speise und tränkten mich mit Essig in meinem Durst.“
Das Alte Testament enthält 330 Prophetien über den leidenden Messias. Sie alle hat der Herr Jesus in Seiner Zeit auf dieser Erde erfüllt und damit unter Beweis gestellt, dass Er der verheißene Messias Israels und der Erlöser der Welt ist. Es ist hier nicht Zeit und Raum, alle messianischen Prophetien zu betrachten. Dazu gibt es gute Literatur.³ Ich möchte mich auf einige wenige prophetische Aussagen beschränken, deren Betrachtung in besonderer Weise Licht auf das vollbrachte Werk des Herrn Jesus am Kreuz wirft:
In diesen Versen werden uns der leidende Messias und das Werk, das er vollbringen sollte, geschildert:
Verse 1 – 3: „Aber wer glaubt unsrer Predigt, und wem wird der Arm des HErrn offenbart? Denn er schoss auf vor ihm wie ein Reis und wie eine Wurzel aus dürrem Erdreich. Er hatte keine Gestalt noch Schöne; wir sahen ihn, aber da war keine Gestalt, die uns gefallen hätte. Er war der Allerverachtetste und Unwerteste, voller Schmerzen und Krankheit. Er war so verachtet, dass man das Angesicht vor ihm verbarg; darum haben wir ihn für nichts geachtet.“
Heute, wo der Name Christi zu den so genannten „hohen Feiertagen“ in aller Munde ist, mag uns das gar nicht mehr bewusst sein, doch der Herr Jesus war der Allerverachteste und Unwerteste. Zwar folgten Ihm oft große Volksmassen und viele bejubelten Ihn auch, als er am Palmsonntag in Jerusalem auf einem Eselsfüllen einzog. Aber nur wenige Tage skandierten eben diese Volksmassen: „Kreuzige ihn!“
Für eine Zeit war Christus sogar niedriger als die Engel (Hebräer 2, 9), „damit er durch Gottes Gnade für jeden den Tod schmeckte.“ Er erniedrigte sich, trug die Sünde aller Menschen und starb stellvertretend für alle Sünder, damit wir – Sie und ich – Vergebung der Schuld und ewiges Leben haben können.
Die jüdischen Religionsführer drückten ihre Verachtung für ihn auch darin aus, dass sie Judas nur den bezeichnenden Betrag von 30 Silberlingen für seinen Verrat gaben. Judas, der Jünger, verkaufte seinen Meister für den Preis, den man sonst für einen Sklaven (!) zahlte (vgl. 2. Mose 21, 32). Wahrlich ein „Judaslohn“. Mehr war Er ihnen nicht wert. Fragen wir uns angesichts dieser Tatsache einmal: Was ist der Herr Jesus uns wert?
Verse 4 bis 6: „Fürwahr, er trug unsere Krankheit und lud auf sich unsre Schmerzen. Wir aber hielten ihn für den, der geplagt und von Gott geschlagen und gemartert wäre. Aber er ist um unsrer Missetat willen verwundet und um unsrer Sünde willen zerschlagen. Die Strafe liegt auf ihm, auf dass wir Frieden hätten, und durch seine Wunden sind wir geheilt. Wir gingen alle in der Irre wie Schafe, ein jeglicher sah auf seinen Weg; aber der HErr warf unser aller Sünde auf ihn.“
All‘ dies hatte der Herr Jesus in Seinem Leiden und Sterben erfüllt:
* Er wurde um unserer Übertretungen dahin gegeben und (später) um unserer Rechtfertigung auferweckt (vgl. Römer 4, 25). Christus ist für unserer Sünden gestorben (vgl. 1. Korinther 15, 3). Er, der vollkommen Reine und Heilige, wurde für uns zur Sünde gemacht (vgl. 1. Johannes 3, 5; 2. Korinther 5, 21). Er trug unsere Sünde auf das Kreuz und durch Sein Erlösungswerk können wir Heilung erfahren (vgl. 1. Petrus 2, 22 – 24).
Vers 7: „Da er gestraft und gemartert ward, tat er seinen Mund nicht auf wie ein Lamm, das zur Schlachtbank geführt wird, und wie ein Schaf, das verstummt vor seinem Scherer und seinen Mund nicht auftut.“
Auch diese Vorhersage erfüllte der Herr Jesus. Er schwieg, als er vor dem jüdischen Hohepriester stand (vgl. Matthäus 26, 63). Er verteidigte sich nicht, als er von den religiösen und politischen Machthabern zu Unrecht angeklagt wurde (vgl. Matthäus 27, 12 + 14) und er wurde auf Golgatha gekreuzigt zu derselben Stunde, als im Tempelbezirk die Passahlämmer geschlachtet wurden. So wurde Er „das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt trug“ (Johannes 1, 29 + 36). Die Lämmer, die all die Jahrhunderte zuvor zum Passahfest im Tempel geschlachtet worden waren, waren nur Vorbilder, Vorschattungen (vgl. Hebräer 10, 1) auf dieses eine, große und vollkommene Opfer des Sohnes Gottes. Dieses Opfer ist ewig gültig (vgl. Hebräer 10, 12) und so war es nur folgerichtig, dass die Tieropfer aufhörten. 40 Jahre – eine biblische Generation – hatte Gott Seinem irdischen Volk noch Gnade geschenkt, das Opfer Seines Sohnes anzunehmen. Doch nur wenige taten es und so lies er im Jahr 70 n. Chr. die Zerstörung des Tempels und damit des alttestamentarischen Opferkultes zu. Diejenigen jedoch, die dieses Opfer annahmen, sind darin „ein für allemal geheiligt“ (vgl. Hebräer 10, 10). Sie bedürfen keiner krampfhaften, selbstgemachten „Heiligung durch gute Werke“ mehr. Sie haben nicht nur Vergebung der Sünden, sondern auch Frieden mit Gott (Epheser 1, 7). Sie dürfen voll Freude und Dankbarkeit die Gnade genießen, die ihnen durch das vollbrachte Werk auf Golgatha zuteil wurde (Johannes 1, 16). In der Hand des Heilands, der diese vollkommene Erlösung vollbracht hat, dürfen sie sicher sein (Johannes 10, 28).
Der Apostel Johannes berichtet uns, dass der Herr Jesus, nachdem Er ausgerufen hatte: „Es ist vollbracht!“ Sein Haupt neigte und den Geist übergab. Eingangs hatte ich schon darauf hingewiesen, dass der Herr den Betäubungstrank abgelehnt hatte. Alles, was Er am Kreuz für uns erlitt, erlitt Er bei vollem Bewusstsein. Auch das, was Er nach dem Siegesruf „Es ist vollbracht!“ tat, tat der Herr bei vollem Bewusstsein. Er neigte sein Haupt und er übergab Seinen Geist Gott dem Vater. Die Lutherübersetzung sagt hier „und verschied“. Aber das ist ungenau. Der Herr Selbst, das wissen wir auch aus Lukas 23, 46, war bis zum letzten Moment der bewusst Tätige. Er gab Sein Leben freiwillig, Er war der Handelnde (Johannes 10, 17 – 18). Das macht alle menschlichen Theorien um den Kreuzestod Jesu zunichte und zeigt uns deutlich die Liebe unseres Heilandes, der sich Selbst für uns dahin gab.
Fußnoten:
¹= William Kelly, zitiert nach „Ermunterung und Ermahnung“, Jahrgang 1982, Seite 65.
²= Das griechische Wort „τετέλεσται“, (tetelestai), das der Apostel hier benutzt, bedeutet „etwas vollenden“, nicht nur: etwas beenden, oder auch: „etwas zur Vollkommenheit bringen, das vorgegebene Ziel erreichen, etwas völlig ausführen“. In Johannes 19, 30 hat es die Bedeutung von „vollbracht, vollendet, erfüllt“ mit der Bedeutung, dass dadurch die Schrift erfüllt ist“ (vgl. Dr. Spiros Zodhiates: „The Hebrew-Greek Key Study Bible“, Anmerkung zu John 19:30, Strgnr. 5055, New American Standard Bible, AMG-Publishers, 1999). Das Werk der Erlösung ist ein für allemal vollbracht und seine Auswirkungen dauern fort.
³= z.B.: Dr. Roger Liebi: „Der verheißene Erlöser – Messianische Prophetie – ihre Erfüllung und historische Echtheit“, CLV Bielefeld, 2007.