Christenpflicht „Zehnter“ – Ach ja??? (1)


Translation here.

In Zusammenhang mit der Unterscheidung zwischen Gesetz und Gnade (hier) bin ich u.a. auch auf das Thema des „Zehnten“ eingegangen. Da ich von verschiedenen Personen in den letzten Tagen erfahren habe, dass das „Erntedankfest“³ am vergangenen Sonntag in verschiedenen Gemeinschaften dazu genutzt wurde, um über den „Zehnten“ zu predigen, möchte ich dieses Thema heute noch einmal auf seine Relevanz für uns Christen hin untersuchen: Ist der „Zehnte“ eine Christenpflicht?

„Fragezeichen 044“
Foto: Gerd Altmann/pixelio

Wie ich bereits schrieb: Es gibt diverse Glaubensgemeinschaften, die lehren, dass Gläubige den „Zehnten“ geben müssten. Bei manchen dieser Gemeinschaften geht man so weit, dass man behauptet, man müsse den Zehnten vom Bruttogehalt an sie abführen und wieder andere behaupten, ohne die Abgabe des vollständigen Zehnten von allem Einkommen ginge der Gläubige des Segens Gottes verlustig. Auch hier muss wieder die Frage gestellt werden, ob dieses, dem Volk Israel gegebene Gebot (vgl. z.B. Maleachi 3, 8 – 10), ebenso für uns als Christen Gültigkeit besitzt oder ob es auch hier zu einer Veränderung durch den Eintritt in das Zeitalter der Gnade gekommen  ist. Wie ich bereits an anderer Stelle herausgestellt habe, gehören die Gesetze und Gebote des Alten Testaments zu dem Bund, den Gott mit dem Volk Israel schloss. Auch der Neue Bund ist mit dem „Haus Israel“ geschlossen worden und nicht mit uns als Christen (vgl. dazu Jeremia 31, 31 – 33). Der Apostel Paulus stellt für Christen dementsprechend ganz verbindlich fest:

„Ihr seid nicht unter Gesetz, sondern unter der Gnade.“

(Römer 6, 14).


Daher finden sich die für den Christen relevanten Schriftstellen in Bezug auf das Geben nicht im Alten Testament, sondern in

> 1. Korinther 16, 1 – 2
> 2. Korinther 8
> 2. Korinther 9

Aus diesen Stellen wird deutlich, worum es Gott beim „Geben“  des Christen geht: um ein fröhliches Herz, das aus Dankbarkeit und nicht aus Gesetzeszwang gibt. Ein fröhliches, Gott dankbares Herz wird gern für die Belange des Dienstes für Gott geben, auch wenn es dafür vielleicht auf etwas anderes verzichten muss. Ein eindrückliches Beispiel hierfür findet sich in Markus 12, 41 – 42.

In 1. Korinther 16, 2 heißt es, dass ein Christ „je nachdem er Gedeihen hat“ geben soll. D.h., wer viel hat, kann mehr geben, wer wenig hat, kann dementsprechend weniger geben, ohne sich deswegen schuldig fühlen zu müssen. Es ist nicht die Quantität, die bei Gott zählt, sondern die Art und Weise, wie wir geben: aus Dankbarkeit und mit einem fröhlichen Herzen (vgl. 1. Korinther 16, 1 – 2; 2. Korinther 9, 7).

John MacArthur kommentiert zu 1. Korinther 16, 2:

* ersten Wochentag. Ein Beleg dafür, dass die Urgemeinde am Sonntag zusammenkam (Apostelgeschichte 20, 7). Bei materiellen Gaben ist es wichtig, dass sie regelmäßig gegeben werden und nicht nur, wenn man sich großzügig fühlt, eine besondere Führung dazu verspürt oder bei besonderem Anlass dazu aufgefordert wird (vgl. Lukas 6, 38; vgl. 2. Korinther 9, 6 – 7).

* je nachdem er Gedeihen hat. Das Neue Testament nennt keinen erforderlichen Betrag oder Prozentsatz, der ans Werk des Herrn abgegeben werden müsste. Alle Abgaben für den Herrn müssen freiwillig und völlig diskret erfolgen (siehe Lukas 6, 38; 2. Korinther 9, 6 – 8). Diese Gaben dürfen nicht verwechselt werden mit dem alttestamentarischen Gebot der 3 Zehnten (siehe 3. Mose 27, 30; 4. Mose 18, 21 – 26; 5. Mose 14, 28 – 29; Maleachi 3 ,8 – 10), die zusammen etwa 23 Prozent Abgaben ausmachten, durch die die Regierung Israels finanziert, die öffentlichen Feste bezahlt und für die Wohlfahrt gesorgt wurde. Moderne Parallelen zum Zehnten des Alten Testaments sind die staatlichen Steuersysteme (Römer 13, 6). Im Alten Testament  waren Gaben für Gott nicht als feste Beträge geregelt (siehe 2. Mose 25, 1 – 2; 35, 21; 36, 6; Sprüche 3, 9. – 10; 11, 24).“¹

An anderer Stelle betont John MacArthur im Zusammenhang mit dem „Zehnten“ noch einmal: „Das Geben geschieht freiwillig – Christen geben nicht aus Zwang, Manipulation oder Angst. Es war stets Gottes Plan, dass Gaben freiwillig erfolgen sollten (vgl. 2. Korinther 9,6; 1. Mose 4, 2 – 4; 2. Mose 25, 1 – 2; 35, 4 – 5 + 21 – 22; 36, 5 – 7; 4. Mose 18, 12; 5. Mose 16, 10 + 17; 1. Chronika 29, 9; Sprüche 3, 9 + 10; 11, 24; Lukas 19, 1 – 8 )  Das freiwillige Geben darf nicht mit dem Zehnten verwechselt werden. Der Zehnte war die Abgabe an das nationale Steuersystem Israels (…) und findet im Neuen Testament und heute seine Parallele in den Steuerzahlungen (…)“²

Zwei weitere Aspekte erscheinen mir abschließend noch  beachtenswert:

In Römer 12, 6 – 8 spricht der Apostel Paulus über Gnadengaben. Auch das „Geben“ zählt er darunter (vgl. Vers 8). In diesem Zusammenhang sagt er: „…  es sei, der da ermahnt, in der Ermahnung; der da mitteilt, (od.: gibt)  in Einfalt (od.: Bereitwilligkeit, Freigiebigkeit); der da vorsteht, mit Fleiß; der da Barmherzigkeit übt, mit Freudigkeit.“  Damit wiederholt und bestätigt der Apostel, was er in 2. Korinther 9, 7 zum Ausdruck gebracht hat: Unser Geben soll bereitwillig und fröhlich erfolgen, nicht unter einem gesetzlichen Zwang.

Wer in seiner Verkündigung „explizit betont, dass das Sühneopfer des alten Bundes durch Christi Opfertod aufgehoben sei, nicht aber das Dankopfer – der Zehnte!“ und behauptet, „das hätte nach wie vor Gültigkeit und hätte zweierlei Wirkung, zum einen die persönliche Dankbarkeit Gott gegenüber zum Ausdruck zu bringen, zum andern diene es dem Nächsten“, der scheint in seiner Bibellese noch nicht bis Römer 10, 8 gekommen, wo es heißt:

„Denn Christus ist des Gesetzes ENDE
zur Gerechtigkeit für einen jeden,
der da glaubt.“

Christus ist das Ende des Gesetzes und zwar des ganzen Gesetzes. Das Gesetz ist nicht teilbar, es kann auch nicht teilweise abgeschafft werden, sondern nur ganz oder gar nicht. Diese Unteilbarkeit des Gesetzes macht auch der Apostel Jakobus deutlich, wenn er schreibt:

„Denn wer das ganze Gesetz hält, aber in einem [Gebote] fehlt, der ist in allem schuldig geworden;“

(Jakobus 2, 10)

Wer also der Überzeugung ist, er könne einem Teil des Gesetzes als verbindlich erklären, MUSS auch das ganze restliche Gesetz halten bzw. für seine Nachfolger als verbindlich erklären.

Gemäß 1. Timotheus 1, 8 – 9 ist das Gesetz nicht für Gerechte, d.h. für Menschen, die durch den Glauben an Jesus Christus vor Gott gerecht gesprochen (also Christen) wurden, sondern für Gesetzlose (Paulus: Gesetzlose, Zügellose, Gottlose, Sünder, Unheilige und Ungöttliche, Lügner, Hurer, Knabenschänder, Menschenräuber, Meineidige …) Wer also meint, unter dem Gesetz zu stehen, muss sich wohl oder übel zu dieser Kategorie der Gesetzlosen zählen lassen. Wie gut, dass wir als Christen wissen dürfen, dass der Alte Bund mit seinen Satzungen und Gesetzen für uns abgetan ist:

„Indem er sagt: «Einen neuen», hat er den ersten für veraltet erklärt; was aber veraltet ist und sich überlebt hat, das wird bald verschwinden.“

(Hebräer 8, 13)

Welche Konsequenzen ergeben sich, wenn Christen das Zeitalter des Gesetzes und das Zeitalter der Gnade, in welchem wir leben dürfen, nicht unterscheiden und meinen, sie müssten solche Gebote (hier am Beispiel des Zehnten aufgezeigt, es gäbe noch viele andere Beispielthemen) halten? Die seelsorgerische Erfahrung zeigt, dass solche Christen sehr häufig in Gesetzlichkeit, Zwänge und am Ende in Ängste hineingeraten. Daraus ergibt sich häufig ein zwanghaftes Verhalten und ein sehr freundloses Christenleben, welches kein anziehendes Zeugnis für andere Menschen ist. Damit aber leben diese Christen völlig an ihrer göttlichen Bestimmung vorbei. Ihnen allen sei das Wort des Apostels Paulus zugerufen:

„Für die Freiheit hat uns Christus befreit; so stehet nun fest und lasset euch nicht wieder in ein Joch der Knechtschaft spannen!“

(Galater 5, 1)

¹= zitiert nach der John MacArthur-Studienbibel, Kommentar zu 1. Korinther 16, 2; CLV Bielefeld 2003.

²= zitiert nach der John MacArthur-Studienbibel, Kommentar zu 2. Korinther 8, 3; CLV Bielefeld 2003.

³= Die Untersuchung der Frage, ob Christen im Zeitalter der Gnade überhaupt ein  „Erntedankfest“ an einem bestimmten, kirchlich festgelegten Datum feiern sollten, würde dien Rahmen dieses Artikels sprengen und muss daher zu einem späteren Zeitpunkt in einem weiteren Artikel behandelt werden.


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