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Nachdem ich in einer kleinen Reihe (komplette Übersicht hier) den Unterschied zwischen Israel und der Versammlung (Gemeinde/Kirche) herausgestellt habe, möchte ich mich nun einem weiteren Thema zuwenden, das ich aus seelsorgerischer Perspektive als sehr wichtig empfinde: Die Unterscheidung der Heilszeitalter.
Immer wieder erlebe ich es, dass Gläubige wahllos und isoliert Dinge aus der Heiligen Schrift herausgreifen und dann meinen, diese Gebote, Verheißungen, Gerichtsandrohungen etc. würden für sie bzw. die Versammlung (Gemeinde/Kirche) gerade jetzt gelten. Dann wird für dieses oder jenes gebetet und dieser oder jener Zustand erwartet und wenn das Erwartete nicht eintrifft, ist die Enttäuschung groß. So, wie z. B. viele Christen Verheißungen, die Gott Israel zugesprochen hat, für sich in Anspruch nehmen und dann erleben müssen, dass diese Verheißungen sich in ihrem Leben nicht erfüllen, so nehmen auch viele Christen Verheißungen für sich in Anspruch, die mit dem gegenwärtigen Zeitalter der Gnade und Herrlichkeit (vgl. 1. Timotheus 1, 11), in dem die Versammlung (Gemeinde/Kirche) sich befindet, in keiner Verbindung stehen. Welche schwerwiegenden Konsequenzen sich für das persönliche Glaubensleben, aber auch für das Leben als christliche Gemeinschaft, ergeben, wenn man die einzelnen Heilszeitalter nicht unterscheidet, möchte ich an einigen Beispielen deutlich machen:
„Jeden Tag das gleiche Spiel“
Foto: Gerd Altmann/pixelio
Beispiel 1: Der Gläubige und der Sabbath
Es gibt einige Glaubensgemeinschaften, die davon überzeugt sind, dass die Gläubigen der Gegenwart den alttestamentarischen, jüdischen Feiertag, den Sabbath, halten müssten. Einige dieser Gemeinschaften gehen so weit, dass sie behaupten, all jene, die den Sabbath nicht hielten, würden nicht errettet werden, sondern für ewig verloren gehen. Doch ist das wirklich so, was sagt die Heilige Schrift hierzu?
In Römer 14 äußert sich der Apostel Paulus zum Umgang mit (schwachen) Gläubigen, die noch immer meinten, sie müssten den jüdischen Sabbath halten, obwohl Gott dies nicht mehr verlangte (vgl. Galater 4, 9 – 10; Kolosser 2, 16 – 17) Er schreibt:
„Der eine hält einen Tag vor dem anderen, der andere aber hält jeden Tag gleich. Ein jeder aber sei in seinem eigenen Sinne völlig überzeugt. Wer den Tag achtet, achtet ihn dem Herrn. Und wer ißt, ißt dem Herrn, denn er danksagt Gott; und wer nicht ißt, ißt dem Herrn nicht und danksagt Gott.
Apostelgeschichte 15 macht deutlich, dass der Christ nicht mehr den Sabbath halten muss. In diesem Kapitel wird uns berichtet, wie Christen, die zuvor dem Judentum angehörten, von den Christen, die aus den Nationen zum Glauben an Christus gekommen waren, die Einhaltung des jüdischen Gesetzes forderten. Man könnte sie als „Jesus plus Gesetz“-Fraktion bezeichnen. Daraufhin kommt es zu einer Zusammenkunft der Apostel und Ältesten in Jerusalem, durch die die Frage „Muss der Christ das Gesetz (oder Teile davon) halten?“ ganz eindeutig geklärt wird: Apostelgeschichte 15, 19 – 28. Unter den Dingen, die in diesem Zusammenhang für den Christen als relevant erklärt wurden (Enthalten von: Götzendienst, Hurerei, Blut und Ersticktem) findet sich keine Erneuerung des Sabbath-Gebotes. Hinzu kommt, dass Hesekiel 20, 12 deutlich macht, dass der Sabbath ein Zeichen zwischen Gott und dem Volk Israel war (vgl. auch 2. Mose 31,13; 2. Mose 31,17). Nirgendwo aber wird gesagt, dass der Sabbath auch ein Zeichen zwischen Gott und uns als Christen sei.
„Fragezeichen 044“
Foto: Gerd Altmann/pixelio
Beispiel 2: Diverse chrl. Gruppen und der Zehnte
Es gibt diverse Glaubensgemeinschaften, die lehren, dass Gläubige den „Zehnten“ geben müssten. Bei manchen dieser Gemeinschaften geht man so weit, dass man behauptet, man müsse den Zehnten vom Bruttogehalt an sie abführen und wieder anderen behaupten, ohne die Abgabe des vollständigen Zehnten von allem Einkommen ginge der Gläubige des Segens Gottes verlustig. Auch hier muss wieder die Frage gestellt werden, ob dieses dem Volk Israel gegebene Gebot auch für uns als Christen gilt oder ob es auch hier zu einer Veränderung durch das Zeitalter der Gnade gekommen ist. Die für den Christen relevanten Schriftstellen in Bezug auf das Geben finden sich in
> 1. Korinther 16,1 – 2
> 2. Korinther 8
> 2. Korinther 9
Aus diesen Stellen wird deutlich, worum es Gott beim „Geben“ geht: um ein fröhliches Herz, das aus Dankbarkeit und nicht aus Gesetzeszwang gibt. Ein fröhliches, Gott dankbares Herz wird gern für die Belange des Dienstes für Gott geben, auch wenn es dafür vielleicht auf etwas anderes verzichten muss. Ein eindrückliches Beispiel hierfür findet sich in Markus 12, 41 – 44. John MacArthur weist im Zusammenhang mit dem „Zehnten“ noch auf einen wichtigen, m. E. oft unberücksichtigten Punkt hin: „Das Geben geschieht freiwillig – Christen geben nicht aus Zwang, Manipulation oder Angst. Es war stets Gottes Plan, dass Gaben freiwillig erfolgen sollten (vgl. 2. Korinther 9,6; 1. Mose 4, 2 – 4; 2. Mose 25, 1 – 2; 35, 4 – 5 + 21 – 22; 36, 5 – 7; 4. Mose 18, 12; 5. Mose 16, 10 + 17; 1. Chronika 29, 9; Sprüche 3, 9 + 10; 11, 24; Lukas 19, 1 – 8. ) Das freiwillige Geben darf nicht mit dem Zehnten verwechselt werden. Der Zehnte war die Abgabe an das nationale Steuersystem Israels (…) und findet im Neuen Testament und heute seine Parallele in den Steuerzahlungen (…)“¹
Welche Konsequenzen ergeben sich, wenn Christen das Zeitalter des Gesetzes und das Zeitalter der Gnade, in welchem wir leben dürfen, nicht unterscheiden und meinen, sie müssten solche Gebote (hier als Beispiel der Sabbath und der Zehnte, es gäbe noch viele andere Beispielthemen) halten? Die seelsorgerische Erfahrung zeigt, dass solche Christen sehr häufig in Gesetzlichkeit, Zwänge und am Ende in Ängste hineingeraten. Daraus ergibt sich häufig ein zwanghaftes Verhalten und ein sehr freundloses Christenleben, welches kein anziehendes Zeugnis für andere Menschen ist.
„Dienstbesprechung“
Foto: S. Hofschlaeger/pixelio
Beispiel 3: Diverse Kirchen und das klerikale Priestertum
Über die Jahrhunderte hat sich in vielen Konfessionen ein klerikales Priestertum entwickelt, welches einzelne, besonders ausgebildete „Geistliche“ zu „Mittlern“ zwischen Gott und den Menschen macht. Diese Kirchen orientieren sich sehr stark am alttestamentarischen Priestertum. Man kann dies deutlich auch am Aufbau der Kirchengebäude erkennen: Da gibt es einen speziellen Bereich für den Altar, der nur von „Priestern“ und „Bischöfen“ betreten werden darf. Dies ähnelt dem jüdischen Heiligtum, welches nur für den Hohenpriester und die Priester zugänglich war. Das „Kirchenvolk“ muss mit dem allgemein zugänglichen, so genannten „Kirchenschiff“ Vorlieb nehmen. Das wiederum ähnelt dem Vorhof des jüdischen Tempels, wo sich die Masse des jüdischen Volkes, getrennt in Vorhof der Frauen und Vorhof der Männer, versammeln musste. Auch hier ist wieder zu fragen, ob diese Ansichten dem Wort der Heiligen Schrift entsprechen. Wenn wir das Neue Testament lesen, so finden wir dort keinerlei Anhaltspunkte für ein System von Geistlichen oder einer kirchlichen Amtshierarchie, sondern eine klare Lehre über das Priestertum aller Gläubigen (vgl. 1. Petrus 2,5; 1. Petrus 2,9; 1. Korinther 14, 26 – 33, vgl. auch: 1. Korinther 12, 1 – 31; 1. Korinther 14, 1 – 25 und hier).
Aus einer solchen Vermischung alttestamentarischen und neutestamentarischen Priestertums entsteht ein falsches Gemeindeverständnis, häufig die Nichtbeachtung der Gaben der so genannten „Laien“ und schlussendlich eine Erstarrung der Gemeinde. Im schlimmsten Falle entsteht ein hierarchischer Machtapparat, der sich entgegen dem Wort Gottes (vgl. 1. Timotheus 2,5) zu einem Mittler zwischen Gott und den Menschen erhöht und damit Menschen den Weg zur Erlösung verstellt (vgl. Matthäus 23, 13).
Beispiel 4: „Health and Wealth“-Gospel – Das „Wohlstandsevangelium“
In einigen Bereichen der Christenheit wird die Lehre vertreten, Gläubige würden, wenn sie nur recht glaubten (!), niemals krank oder arm sein (bekannt auch unter dem Begriff „Wohlstandsevangelium“). Ja man geht sogar so weit, dass man Gesundheit und Wohlstand zu einem Kennzeichen echten Christentums erhebt. Etliche neutestamentarische Stellen belegen, dass Reichtum nicht das Kennzeichen eines Christen ist, ja das Neue Testament warnt sogar vor einer Liebe zum Reichtum (vgl. z.B. Matthäus 6, 19 – 21; Matthäus 19, 21; Lukas 16, 13; Lukas 18, 22 – 25; 1. Timotheus 6, 3 – 5; 1. Timotheus 6, 7 – 10). Im Alten Testament war Reichtum und Gesundheit ein Zeichen des Segens Gottes. Unzweifelhaft ist es Gott auch heute noch möglich, Kranke zu heilen. Aber nirgendwo im Neuen Testament wird uns die Zusage gegeben, dass auf „richtigen Glauben“ auch „IMMER“ Gesundheit, Wohlstand und Sorglosigkeit folgen müssten. Ein solcher, dem Paradies ähnelnder Zustand ist uns erst für das zukünftige Zeitalter, das Millenium, d.h. das Tausendjährige Friedensreich, verheißen (vgl. Apostelgeschichte 3, 19 – 20; Psalm 2, 6 – 9; Jesaja 2, 2 – 4; Jesaja 11, 6 – 9; Jesaja 65, 18 – 23; Jeremia 31, 12 – 14; Jeremia 31, 31 – 37; Hesekiel 34, 25 – 29; Hesekiel 37, 1 – 6; Hesekiel 40; 41; 42; 43; 44; 45; 46; 47; 48; Daniel 2, 35; Daniel 7, 13 – 14; Joel 2, 21 – 27; Amos 9, 13 – 14; Micha 4, 1 – 7; Zephania 3, 9 – 20; Matthäus 5, 1 – 20; Matthäus 19, 27 – 30; Matthäus 26, 27 – 29; Markus 14, 25; Lukas 22, 18; Offenbarung 20).
Die Konsequenzen, die sich aus einer solchen Vermischung der Verheißungen für das (zukünftige) Tausendjährige Reich mit den Dingen, die uns für das (gegenwärtige) Zeitalter der Gnade gegeben wurden, sind aus seelsorgerischer Erfahrung: unerhörte Gebete, daraus folgend Zweifel an Gottes Liebe, schlussendlich Zweifel an Gott und Unglaube.
Es ist also aus vielerlei Gründen von großer Wichtigkeit, dass wir die einzelnen Heilszeitalter und das, was in ihnen geboten bzw. für sie verheißen wird, unterscheiden. So werden wir zum Einen die Heilige Schrift wesentlich besser verstehen, zum anderen aber auch ein mit Gottes Wort in Einklang stehendes, freudiges Glaubensleben führen können.
¹= zitiert nach der John MacArthur-Studienbibel, Kommentar zu 2. Korinther 8, 3; CLV Bielefeld 2003.